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Urteil: Rücktrittsbelehrung im Spam-Ordner

Das Einlangen der Erklärungen im "Spam-Ordner" des Empfängers an der von diesem angegebenen E-Mail-Adresse ist ein wirksamer Zugang.

Ein Konsument rief bei einem Immobilienmakler an und teilte mit, dass er sich für ein Reihenhaus interessierte. Der Immobilienmakler schickt ihm am 18.8.2016 ein E-Mail-Angebot (mit Hinweisen auf die Grundlagen der Maklerprovision, Belehrungen über Rücktrittsrechte nach FAGG und KSchG sowie einem Muster-Rücktrittsformular) an die vom Erstbeklagten angegebene E-Mail-Adresse. Dieses E-Mail langte im "Spam-Ordner" des E-Mail-Accounts ein, was der Konsument nicht bemerkte. Er rief daher am 29.8.2016 neuerlich beim Immobilienmakler an und ersuchte um nochmalige Zusendung der Unterlagen, die am 30.8.2016, durchgeführt wurde und ebenfalls in seinem "Spam-Ordner" landete. Bei der Besichtigung des Hauses am 2.9.2016 wurde der Konsument durch einen Hinweis des Immobilienmaklers auf das Einlangen der E-Mail-Sendungen in seinem "Spam-Ordner" aufmerksam. Eine Woche nach der Besichtigung einigten sie sich über den Kaufpreis und klärten die Finanzierung. Am 16.9.2016 erklärte der Konsument seinen Rücktritt.

Der Klage des Immobilienmaklers auf die Zahlung der Maklerprovision wurde stattgegeben:

Zugang der Belehrung über das Rücktrittsrecht im Spam-Ordner
Für den Zugang elektronischer Willenserklärungen in den Machtbereich des Empfängers ist in der Rsp anerkannt, dass die Mailbox des Empfängers jedenfalls dann zu seinem Machtbereich gehört, wenn er zu erkennen gegeben hat, dass er über die E-Mail-Adresse erreichbar ist. Eine E-Mail ist für den Empfänger in dem Zeitpunkt abrufbar, in dem sie in seiner Mailbox eingelangt und gespeichert ist und am Bildschirm angezeigt oder ausgedruckt werden kann, dh sobald ein Abruf durch den Empfänger möglich ist. Allgemein reicht es aus, wenn eine Willenserklärung in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, selbst wenn sie dieser persönlich nicht erhalten hat; es genügt, dass der Adressat die Möglichkeit hatte, die Erklärung zur Kenntnis zu nehmen.

Nach § 12 Satz 1 E-Commerce-Gesetz gelten elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen als zugegangen, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Eine Kenntnisnahme dieser Erklärungen durch den Empfänger wird daher nicht vorausgesetzt; maßgeblich ist vielmehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme "unter gewöhnlichen Umständen".

(Auch) das Einlangen der Erklärungen im "Spam-Ordner" des Empfängers an der von diesem angegebenen E-Mail-Adresse ist daher ein wirksamer Zugang.

Die Belehrungen über Rücktrittsrechte sind bei der ersten Sendung am 18.8.2016 sowie neuerlich am 30.8.2016 in der Mailbox des Konsumenten eingelangt. Dass eine Kenntnisnahme vom Inhalt dieser Erklärungen nicht möglich gewesen wäre, hat der Konsument selbst nicht behauptet.

Der Konsument hat daher die 14-tägige Frist für eine Rücktrittserklärung nach dem FAGG nicht eingehalten.

Konkludenter Abschluss des Maklervertrages
Der Verlauf der wechselseitigen Erklärungen (Telefonate und E-Mail-Erklärungen vor dem Besichtigungstermin) wurde als konkludenter Abschluss eines Maklervertrags qualifiziert.

Nach der Rspr ist ein - konkludenter - Auftrag an einen gewerblichen Immobilienmakler als eine der Voraussetzungen für einen Provisionsanspruch bereits dann anzunehmen, wenn der Interessent die vom Vermittler für ihn entfaltete Tätigkeit kennt und ihr nicht widerspricht. In der bloßen Annahme der Dienste eines Immobilienmaklers liegt nach st Rspr des OGH jedoch dann kein schlüssiger Vertragsabschluss, wenn dieser erkennbar für einen anderen Auftraggeber tätig wurde; in einem solchen Fall könnte die Annahme der Dienste des Maklers nur dann als konkludentes Einverständnis zum Abschluss eines Maklervertrags gedeutet werden, wenn der Makler zuvor deutlich zu erkennen gab, für seine Bemühungen (auch) eine Provision von seinem Gesprächs- bzw Verhandlungspartner zu erwarten.

Die telefonisch angekündigten Unterlagen (samt Hinweis auf die Provision) sind dem Konsumenten zugegangen; dass er davon zunächst nicht Kenntnis nahm (sie nicht gelesen hat, weil er im richtigen Ordner seines E-Mail-Accounts nicht nachsah), ist dem Immobilienmakler grundsätzlich nicht entgegenzuhalten. Das für die Klägerin erst nachträglich - durch das Gespräch bei der Besichtigung - erkennbare Unterbleiben der Kenntnisnahme durch die Beklagten hat das Berufungsgericht im Rahmen seines Beurteilungsspielraums daher vertretbar als irrelevant für die bereits zuvor wirksam konkludent zustande gekommene Vereinbarung (den Vertragsabschluss) gewertet.

OGH 20.2.2019, 3 Ob 224/18i

Das Urteil im Volltext.

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