Die Vorgeschichte: Ein Ehepaar hatte 1988 als Verbraucher einen Kreditvertrag mit einem variablen Zinssatz abgeschlossen, der 1994 wegen Zahlungsverzug fällig gestellt wurde. Die Bank forderte die Zahlung von rund 2,4 Millionen Schilling. Die Kreditnehmer entgegneten jedoch, dass Ihnen aufgrund unzureichender Zinsanpassung rund 500.000 Schilling zuviel an Zinsen verrechnet wurde. Diese Gegenforderung wurde von der Bank mit dem Argument bestritten, dass die Konsumenten gegen die ihnen quartalsmäßig zugestellten Kreditkontoauszüge nie Einwände erhoben hätten. Gemäß Punkt 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditinstitute (AGBKr) erkläre der Kunde durch Unterlassung einer rechtzeitigen Reklamation seine Zustimmung zu mitgeteilter Saldofeststellung.
Zwei Formen des Anerkenntnisses
Juristisch gesehen ist eine derartige stillschweigende "Zustimmung" (wenn sie überhaupt gemäß § 6 Abs 1 Z 2 KSchG wirksam ist) als Anerkenntnis zu sehen. Dabei ist zwischen konstitutivem und deklarativem Anerkenntnis zu unterscheiden. Ein konstitutives Anerkenntnis ist ein Feststellungsvertrag, in dem eine Partei den Rechtsstandpunkt der anderen Partei anerkennt und damit eine zuvor bestandene Unklarheit aus der Welt schafft. Die konstitutive Wirkung des Anerkenntnisses schafft einen neuen, selbstständigen Verpflichtungsgrund, so als ob gleich ein neuer Vertrag abgeschlossen worden wäre. Ein deklaratives Anerkenntnis hingegen kennt diese Wirkung nicht. Der Schuldner drückt in seiner Anerkenntnis nur eine Kenntnisnahme aus, die keine weiteren Rechtsfolgen auslöst .
Erste Instanz folgte der Bank
Die erste Instanz folgte der Argumentation der Bank und entschied, dass sämtliche (vierteljährlichen) Rechnungsabschlüsse von den Kreditnehmern nicht mit Reklamation beanstandet wurden. Damit sei nach den AGBKr der Bank der aufscheinende Debetsaldo konstitutiv anerkannt worden. Die Gegenforderung von rund 500.000 Schilling bestünde deshalb nicht zu Recht, weil aufgrund der jahrelang anerkannten Debetsalden kein Kontoguthaben der Kreditnehmer existiere .
Berufung vor verstärktem Senat
Das Berufungsgericht sprach demgegenüber aus, dass ein Kontoanerkenntnis lediglich von deklarativem Charakter sei. Nunmehr hat der Oberste Gerichtshof in einem verstärkten Senat Klarheit geschaffen. Der OGH hat festgestellt, dass bei Unterlassung der Reklamation gegen die Rechnungsabschlüsse der Bank das Saldoanerkenntnis nur von deklarativer Wirkung ist. Ein konstitutives Anerkenntnis ist nur dann anzunehmen, wenn damit im konkreten Fall tatsächlich ein ernstlicher Streit oder Zweifel beigelegt werden soll.
Anerkenntnis ohne Streit
Im Wesentlichen begründet der OGH seine Entscheidung damit, dass als Voraussetzung für ein konstitutives Anerkenntnis ein dem Anerkenntnis vorangegangener Streit oder auch Zweifel über das Bestehen eines Schuldverhältnisses gesehen wird. Der üblichen (stillschweigenden) Kenntnisnahme von Kontomitteilungen geht typischerweise kein Streit voraus. Damit entbehrt die übliche Saldofeststellung beim Kreditkonto des streitbereinigenden Charakters, und einem Anerkenntnis kommt keine konstitutive Wirkung zu.
Der Zweck muss klar sein
Zweitens sind im österreichischem Zivilrecht Schuldverhältnisse immer nur dann gültig, wenn aus dem Geschäft der Rechtsgrund bzw. der Zweck hervorgeht. Man spricht von kausalen Rechtsgeschäften. Dieser Grundsatz würde nun durchbrochen, wenn ohne ersichtlichen Grund (z.B. Streit) einem Saldoanerkenntnis konstitutive Wirkung zukommen würde. Diesfalls müsste von einer abstrakten Verpflichtung ausgegangen werden, die nach österreichischem Zivilrecht ungültig ist.
Entscheidung mit großer Bedeutung
Die Entscheidung ist von breiter, über den Einzelfall hinausgehender Wirkung. Zum einen wird damit ein jahrelanger Meinungsstreit der Lehre beendet, zum anderen gibt der OGH eine neue Leitlinie für die Rechtsprechung vor. Bekanntlich werden zur Zeit von Verbraucherschützern etliche Prozesse gegen Banken aufgrund zuviel berechneter Zinsen geführt. Ein wesentliches Argument der Banken ist bzw. war, dass die Konsumenten eine rechtzeitige Reklamation unterlassen hätten und damit sämtliche Ansprüche unzulässig seinen. Dieser für Konsumenten extrem nachteiligen Gesetzesauslegung hat der OGH nun eine klare Absage erteilt. Damit brauchen auch Konsumenten, deren Kredit noch nicht überprüft wurde, keine Sorge haben, dass zukünftige Ansprüche durch unterbliebe Reklamationen ausgeschlossen sein könnten.