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Urteil: Schluss mit "Aufrundungsspirale"

Der VKI hat - im Auftrag des BMJ - mit Verbandsklage die "Aufrundungsspirale" in den Zinsgleitklauseln der Privatkreditverträge der BACA bekämpft und beim OGH Recht bekommen. Die Bank muss nun - bei laufenden Verbraucherkrediten (aufgenommen nach dem 1.3.1997) - den aushaftenden Saldo und den anzuwendenden Zinssatz von sich aus korrigieren. Zwei weitere Klauseln in den Bedingungen für Privatkredite wurden ebenfalls für gesetzwidrig erklärt.

Im Jahr 1997 haben die Banken unter dem Druck der Novelle zum Konsumentenschutzgesetz neue Zinsgleitklauseln für Verbraucherkredite eingeführt: Der variable Zinssatz wurde an einen bestimmten Geld- und Kapitalmarktindikator gebunden, die Berechnung des Zinssatzes damit transparent gemacht und insbesondere zweiseitig gestaltet. Steigen die Indikatoren, dann steigen die Zinsen, sinken die Indikatoren, dann sinken die Zinsen.

Einige Banken haben aber versucht, sich durch eine "Aufrundungsklausel" ("Der aus der Änderung errechnete Zinssatz wird auf volle 0,125 Prozentpunkte aufgerundet") ein beachtliches Körberlgeld zu verdienen. Da sie bei jeder Änderung des Zinssatzes diesen aufrunden und bei der nächsten Änderung von gerundeten Zinssatz ausgehen wollten, wäre eine Spirale der Verteuerung des Kredites zu Lasten der Kreditnehmer entstanden. Eine Modellrechnung des VKI ergab bei einem Kredit in der Höhe von 72.000 Euro und einer Laufzeit von 10 Jahren einen Schaden für den Verbraucher in Höhe von rund 7.000 Euro.

Der VKI hat - im Auftrag des BMJ - gegen die Bank Austria, die Creditanstalt, die PSK und die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien Verbandsklagen eingebracht und in allen Fällen in zwei Instanzen gewonnen.

Nun liegt gegen die Bank Austria Creditanstalt (BACA) die erste rechtskräftige und vollstreckbare OGH-Entscheidung vor. Die "Aufrundungsklausel" wurde als Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 Konsumentenschutzgesetz für nichtig erklärt. Das hat zwei Konsequenzen:

1. die BACA darf diese Klausel bei Neuabschlüssen nicht mehr verwenden

2. die BACA darf sich auf diese Klausel nicht berufen.

Da jede weitere - unkorrigierte - Saldomitteilung implizit eine Berufung auf die Klausel darstellt (idR ist der Saldo und der heute verrechnete Zinssatz zu hoch), muss die Bank Austria von sich aus bei laufenden Verbraucherkreditverträgen eine neue - korrekte - Berechnung des offenen Saldos und des Zinssatzes (auf Basis der Zinsgleitklausel ohne Aufrundung, sondern etwa bei kaufmännischer Rundung) erstellen. Inzwischen haben die ersten KreditnehmerInnen der Bank Austria auch schon entsprechende Richtigstellungen erhalten.

Jene Kreditnehmer, die ihren Verbraucherkredit (aufgenommen nach dem 1.3.1997) bereits zurückbezahlt haben, müssen sich dagegen aktiv an die Bank wenden und zuviel bezahlte Zinsen rückfordern.

Tipps für Kreditnehmer

1. Die OGH Entscheidung hat Auswirkungen für folgende Kredite:

Ø Verbraucherkredite (nicht: Unternehmerkredite)

Ø Kreditaufnahme nach dem 1.3.1997

Ø variable Zinsen (Zinsgleitklausel vereinbart)

Ø Aufrundungsklausel im Text der Zinsgleitklausel

Im Fall von Krediten bei Bank Austria und Creditanstalt ist das Urteil direkt anwendbar.

Im Fall von Krediten bei RLB NÖ-Wien und PSK warten wir auf weitere Urteile des OGH.

Im Fall von Krediten bei anderen Banken kann man mit der Grundsatzentscheidung des OGH argumentieren, diese ist aber nicht direkt anwendbar (d.h. exekutierbar).

2. Tipps für betroffene Kreditnehmer von Bank Austria und Creditanstalt:

Es sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:

a) Der Kredit ist noch nicht zurückbezahlt.

In diesen Fällen ist die BACA durch das Urteil des OGH verpflichtet, Saldo und Zinssatz richtigzustellen. Inzwischen haben die ersten KreditnehmerInnen solche Richtigstellungen erhalten. Der VKI prüft derzeit exemplarisch, ob die Berechnungen der Bank Austria richtig sind.

Erfolgt im Einzelfall dennoch keine Richtigstellung, dann:

Ø erheben Sie gegen die - unkorrigierte - Mitteilung (mit eingeschriebenem Brief) Widerspruch ( "Ich erhebe gegen die Mitteilung vom xxx zu meinem Kreditkonto KontoNr. xxx Widerspruch und verweise zur Begründung auf die Entscheidung des OGH 20.11.2002, 5 Ob 266/02g.").

Ø informieren Sie den VKI ; wir können dann im Wege des Exekutionsverfahrens die BACA zu einer gesetzeskonformen Abrechnung zwingen.

b) Der Kredit ist bereits zurückbezahlt.

In diesen Fällen ist die BACA nicht verpflichtet von sich aus tätig zu werden. Wir empfehlen daher:

Ø Fordern Sie die BACA (mit eingeschriebenem Brief) unter Berufung auf das genannte OGH-Urteil auf, Ihren Kreditvertrag nachzurechnen und zuviel bezahlte Zinsen zurückzuerstatten.

Ø Kommt die BACA dieser Aufforderung nicht nach, dann setzen Sie sich bitte mit dem VKI in Verbindung. Wir prüfen in solchen Fällen Musterprozesse und Sammelklagen.

3. Tipps für betroffene Kreditnehmer von anderen Kreditinstituten:

Ø Fordern Sie die Bank (mit eingeschriebenem Brief) unter Berufung auf das genannte OGH-Urteil auf, Ihren Kreditvertrag nachzurechnen und zuviel bezahlte Zinsen zurückzuerstatten.

Ø Kommt die Bank dieser Aufforderung nicht nach, dann setzen Sie sich bitte mit dem VKI in Verbindung. Wir werden die Banken mittels Musterprozessen, Sammelklagen und Verbandsklagen zu einer gesetzeskonformen Abrechnung zwingen.

Im übrigen können Verbraucher in Kürze auf der Homepage www.konsument.at selbst abschätzen, wie viel ihnen durch eine "Aufrundungsspirale" an Zinsen zuviel verrechnet wurde.

Der OGH hat im übrigen zwei weitere Klauseln in den Bedingungen für Privatkredite der BACA für gesetzwidrig erklärt:

- Die undifferenzierte Aufbürdung "sämtlicher Abgaben und Kosten" im Zusammenhang mit dem Kreditverhältnis liefert den Schuldner der Willkür des Unternehmers aus und ist gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB.

- Die Möglichkeit der Bank den Kredit vorzeitig aufzukündigen und fällig zu stellen in Fällen der Vermögensverschlechterung, unrichtiger Angaben sowie beim Tod des Kreditnehmers ist zu weit formuliert (anders die Formulierung in den ABB 2001 - OGH 4 Ob 179/02f) und daher ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 1 Konsumentenschutzgesetz.

OGH 20.11.2002, 5 Ob 266/02g

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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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