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Urteil: "Snowball Bond" Schuldverschreibungen der Erste Bank mit gesetzwidrigen Klauseln

Zins- und Kündigungsklauseln in den Bankschuldverschreibungen der Erste Group Bank AG wurden vom VKI mit Verbandsklage bekämpft. Das OLG Wien bestätigte die Entscheidung des Handelsgerichts Wien hinsichtlich der Kündigungsklausel. Die Verzinsungsklausel sah das OLG allerdings nur im Falle des "Snowball-Bond X" als für den Konsumenten gröblich benachteiligend an, und gab damit der Berufung teilweise statt.

Das Berufungsgericht befand die Berufung der beklagten Partei für teilweise berechtigt:

1. Die Mängelrüge hielt das Gericht allerdings für nicht stichhaltig: Es erblickte keine Mangelhaftigkeit darin, dass das Erstgericht den Anträgen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachtgebiet des Bank- und Börsewesens nicht entsprochen hatte. Denn keine rechtliche Bedeutung maß es der Frage zu, ob die Anleihen ex ante betrachtet eine marktkonforme Verzinsung aufgewiesen hatten bzw die bei einzelnen Snowball-Produkten eingetretene Nullverzinsung aus der allgemein negativen Entwicklung der Finanzmärkte resultierte.

2. Die von der Erste Group Bank AG bestrittene Aktivlegitimation des VKI bejahte das Gericht gem. § 29 Abs 1 KSchG, da die Emissionsbedingungen freilich alle Definitionsmerkmale von Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfüllen.
 
3. Jene Klauseln in den Emissionsbedingungen, welche Fixverzinsungen regelten, wurden vom Spruch ausgenommen, da für deren Nichtigkeit keine Argumente ins Treffen geführt worden seien.

4. Hinsichtlich der anderen Zinsklauseln verneinte das Berufungsgericht die Subsumption unter § 6 Abs 2 Z 3 KSchG, da die Klauseln der Beklagten, der Erste Group Bank AG, keine Möglichkeit bieten würden, die von ihr zu erbringende Zinsenleistung einseitig zu ändern. Vielmehr lasse sich die Höhe der variablen Zinsen nach einer Formel ermitteln, in der bloß die Höhe des EURIBOR-Zinssatzes eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unbestimmte Größe gebildet habe. Bei isolierter Betrachtung der Klausel (das OLG lehnte einen "untrennbaren logischen Zusammenhang" zwischen Verzinsungs- und einseitiger Kündigungsklausel ab und beurteilte die Klauseln getrennt voneinander) ergebe sich daher kein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG).

5. Die Verzinsungsklauseln seien in allen Fällen des "Snowball Bond" außerdem nicht intransparent, befand das Gericht. Die Formeln, nach welchen die variablen Zinssätze zu berechnen seien, würden auch an einen "typischen Durchschnittskunden" keine überhöhten Anforderungen stellen, da sie bloß die Beherrschung der Grundrechenarten voraussetzen. Auch die Möglichkeit einer Verzinsung von 0% sei in den Emissionsbedingungen ausdrücklich betont worden. Dass dies beim Snowball-Bond X auch in allen weitern Perioden eine konstante Verzinsung von 0% nach sich zieht, liege nach der für dieses Produkt maßgeblichen Formel auf der Hand. Keine Verschleierung der Resultate bewirke außerdem die Verwendung von eckigen Klammern in den Formel der Snowball-Bonds VIII und IX, wenn auch hierfür "keine mathematische Notwendigkeit" bestehe. Die Verzinsungsklauseln würden daher dem Verbraucher, so das OLG, kein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln.

6. Interessanterweise prüfte das OLG Wien (ohne dass sich der VKI in der Klage darauf berufen hatte) die Zulässigkeit der Klauseln auch nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, und sah zumindest für den Snowball-Bond X mangels Zweiseitigkeit einen Verstoß gegen diese Bestimmung. Die Formel, nach der die variablen Zinsen zu berechnen sind, führt zwingend dazu, dass ein einmal erreichter Zinssatz von 0% auch in allen Folgeperioden unabhängig von der Marktentwicklung beibehalten werde, während ein spiegelbildlicher Mechanismus zugunsten des Konsumenten fehle. Anderes gelte hingegen für die Snowball-Bonds VIII und IX, deren Formel eine Änderung des Zinssatzes nach beiden Richtungen zulassen und die daher auch § 6 Abs 1 Z 5 standhalten würden. Das OLG wies aber auf die Möglichkeit eines Schadenersatzprozesses hin, in welchem die Anforderungen an eine fachgerechte Anlageberatung zu klären wären.

7. Hinsichtlich der Kündigungsklausel, die ein einseitiges Kündigungsrecht der Bank vorsieht, während dem Kunden keine Möglichkeit zur Kündigung eingeräumt wird, bestätigte das OLG Wien das Urteil des Erstgerichts und untersagte die Verwendung wegen gröblicher Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB. Die Kündigungsklausel sei entgegen der Argumentation der Beklagten freilich an § 879 Abs 3 ABGB zu messen, da sie keine Hauptleistungspflicht iSd Bestimmung darstelle. Bei gebotener "kundenfeindlichsten Auslegung" entstehe für den Konsumenten überdies der Eindruck, dass jedwede (also auch eine außerordentliche) Kündigung seitens des Inhabers der Anleihen ausgeschlossen sei. Außerdem wäre die Vereinbarung eines bloß einseitigen ordentlichen Kündigungsrechts nur unter der Voraussetzung zulässig gewesen, dass dem Verbraucher in den Emissionsbedingungen jene Zinsvorteile offengelegt worden wären, die sie als Gegenleistung für diese Vereinbarung gewährt. Nur dann hätten die Verbraucher die Möglichkeit gehabt, die finanziellen Auswirkungen des Produkts abzuschätzen und gezielte Vergleiche mit Konkurrenzprodukten anzustellen, welche ein beiderseitiges ordentliches Kündigungsrecht gewähren. Die Möglichkeit, die Anleihen am Sekundärmarkt zu verkaufen, bilde hingegen kein Äquivalent für das einseitige Kündigungsrecht der Beklagten. Dieses sei daher gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

Die ordentliche Revision ist zulässig.

OLG Wien 30.09.2009, 2 R 172/09t
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Klagevertreter: Dr. Alexander Klauser

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