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Urteil: Unzulässige Klauseln in Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen

In einem Verfahren der Bundesarbeiterkammer gegen eine Rechtsschutzversicherung sind Klauseln aus den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2005 bzw ARB 2015) für unzulässig beurteilt worden.

1.1. Artikel 13.5 ARB 2005

"5. Wird eine Erhöhung des versicherten Risikos durch Änderung oder Neuschaffung von Rechtsnormen oder durch eine Änderung der Judikatur der Höchstgerichte bewirkt, so kann der Versicherer innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten der Rechtsnormen oder Veröffentlichung der geänderten Judikatur mittels eingeschriebenen Briefes
5.1. dem Versicherungsnehmer eine Änderung des Versicherungsvertrages anbieten oder
5.2. den Versicherungsvertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen.
Das Angebot zur Änderung des Versicherungsvertrages gilt als angenommen, wenn es nicht innerhalb eines Monates nach seinem Empfang schriftlich abgelehnt wird. Bei Ablehnung des Anbotes gilt der Versicherungsvertrag als vom Versicherer gekündigt. In diesem Fall endet der Versicherungsvertrag einen Monat nach Empfang der Ablehnung.
Im Anbot zur Vertragsänderung hat der Versicherer auf diese Rechtsfolgen ausdrücklich hinzuweisen. Für die Prämienberechnung ist Artikel 15.3.2. sinngemäß anzuwenden
."

Während in allen anderen Punkten des Art 13 ARB 2005 jeweils auf die Änderung eines für die Übernahme der Gefahr erheblichen Umstands (Art 13.1, 13.3 und 13.4) oder einen für die Erhöhung der Gefahr erheblichen Umfang (Art 13.2) Bezug genommen wird, enthält Art 13.5 keine solche Einschränkung. Die Klausel beschränkt damit entgegen § 29 VersVG die Kündigungsmöglichkeiten nicht auf Fälle erheblicher und nicht vereinbarter Gefahrenerhöhungen. Sie verstößt damit gegen das Gesetz und ist gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig.

Eine Klausel, die Änderungen des Vertrags über eine Zustimmungsfiktion nach Inhalt und Ausmaß unbeschränkt zulässt, verstößt gegen das Transparenzgebot. Eine vertragliche Zustimmungsfiktion läuft in der Praxis weitgehend auf eine einseitige Änderungsbefugnis des Unternehmers hinaus, weil sich Verbraucher erfahrungsgemäß mit Änderungsangeboten nicht auseinandersetzen, weshalb ihnen infolge der Gefahr ihrer Passivität ein Schutzbedürfnis zuzubilligen ist.

2.1. Artikel 14 ARB 2005
"1. [Die Prämie und die Versicherungssumme sind aufgrund des bei Abschluß des Vertrages geltenden Tarifes erstellt.]
Sie unterliegen jenen Veränderungen des Tarifes, die sich aufgrund von Veränderungen des Gesamtindex der Verbraucherpreise 1986 oder bei dessen Entfall des entsprechenden Nachfolgeindex ergeben.
Die jeweilige Tarifberechnung erfolgt unter Anwendung der Indexziffer des letzten Monates eines jeden Kalendervierteljahres (Berechnungsmonat).
2. Eine Tarifänderung wirkt auf Prämie und Versicherungssumme frühestens ab der Prämienhauptfälligkeit, die drei Monate nach Ablauf des Berechnungsmonates eintritt.
Prämie und Versicherungssumme verändern sich gegenüber den zuletzt gültigen im gleichen Verhältnis wie der jeweils maßgebliche Index. Beträgt der Unterschied nicht mehr als 0,5 Prozent, unterbleibt eine Wertanpassung, doch ist dieser Unterschied bei späteren Veränderungen des Index zu berücksichtigen. Beträgt der Unterschied mehr als 0,5 Prozent und unterbleibt trotzdem ganz oder teilweise eine Wertanpassung, kann dieser Unterschied bei späteren Wertanpassungen angerechnet werden
."

"3. [Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, die Wertanpassung unbeschadet des Fortbestandes der sonstigen Vertragsbestimmungen unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten auf den Zeitpunkt der nächsten Prämienhauptfälligkeit zu kündigen.]
Tritt nach der Kündigung eine Erhöhung des Tarifes aufgrund der Wertanpassung in Kraft, vermindert sich die Leistung des Versicherers im gleichen Verhältnis, in dem die vom Versicherungsnehmer zu zahlende Prämie zu der im Zeitpunkt des Versicherungsfalles gültigen Tarifprämie steht."

2.2. Artikel 14 ARB 2015
"1. [Die Prämie und die Versicherungssumme sind aufgrund des zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Tarifes erstellt.]
Sie unterliegen jenen Veränderungen des Tarifes, die sich aufgrund von Veränderungen des Gesamtindex der Verbraucherpreise 2005 oder bei dessen Entfall des Gesamtindex der Verbraucherpreise 2010 ergeben. Wird auch dieser Index nicht mehr veröffentlicht, so wird der an seine Stelle getretene Index herangezogen.
Die jeweilige Tarifberechnung erfolgt unter Anwendung der Indexziffer des letzten Monates eines jeden Kalendervierteljahres (Berechnungsmonat).
2. Eine Tarifänderung wirkt auf Prämie und Versicherungssumme frühestens ab der Prämienhauptfälligkeit, die 3 Monate nach Ablauf des Berechnungsmonates eintritt.
Prämie und Versicherungssumme verändern sich gegenüber den zuletzt gültigen im gleichen Verhältnis wie der jeweils maßgebliche Index. Beträgt der Unterschied nicht mehr als 0,5 Prozent, unterbleibt eine Wertanpassung, doch ist dieser Unterschied bei späteren Veränderungen des Index zu berücksichtigen
."

"3. [Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, die Wertanpassung unbeschadet des Fortbestandes der sonstigen Vertragsbestimmungen unter Einhaltung einer Frist von 3 Monaten auf den Zeitpunkt der nächsten Prämienhauptfälligkeit zu kündigen.]
Tritt nach der Kündigung eine Tarifänderung aufgrund der Wertanpassung in Kraft, ändert sich die Leistung des Versicherers im gleichen Verhältnis, in dem die vom Versicherungsnehmer zu zahlende Prämie zu der im Zeitpunkt des Versicherungsfalles gültigen Tarifprämie steht."

Die hier zu beurteilenden Klauseln sind in Ansehung des jeweiligen Art 14.1 und 14.2 im Kern sinngleich; lediglich die in Ansehung der einseitigen Berücksichtigung von Indexänderungen als zusätzlicher Verstoß gegen Art 6 Abs 1 Z 5 KSchG erkannte Formulierung in Art 14.2 ARB 2005 wurde in Art 14.2 ARB 2015 abgeändert (Entfall des letzten Satzes).

Der OGH verweist hier auf die Entscheidung 7 Ob 62/15s, die bedeutungsgleiche Klauseln aus den ARB 2012 zum Gegenstand hatte.

Es liegt ein Verstoß gegen die §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB sowie gegen § 6 Abs 1 Z 2 und Z 5, Abs 3 KSchG vor:

Die Klauseln sehen eine stetige Erhöhung der Prämie vor, wenn auch gegen Erhöhung der Versicherungssumme, unabhängig vom konkreten Willen des Versicherungsnehmers (Verstoß gegen §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB), auch wenn die Klausel in Art 14 ARB 2015 insofern nicht mehr gegen das Zweiseitigkeitsgebot iSd des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstößt, als hier die Wendung nicht mehr enthalten ist, wonach allfällige Senkungen aufgrund von Indexveränderungen, die mehr als 0,5 % betragen, vom Versicherer bei späteren Wertanpassungen angerechnet werden können, aber nicht müssen.

Es ist nicht erkennbar, wie der Versicherungsnehmer eine allfällige Reduktion einfordern oder gar durchsetzen kann. Eine tatsächliche Tarifänderung hängt neben der Indexänderung ausschließlich (einseitig) vom Willen des Versicherers ab.

Art 14.1 ARB 2005 und ARB 2015 enthalten eine Bezugnahme auf "Veränderungen des Tarifs", die sich aufgrund von Indexveränderungen ergäben. Prämie und Versicherungssumme erhöhen sich nach dem Wortlaut beiden beanstandeten Klauseln nicht unmittelbar im Ausmaß des Index, sondern sollen "Veränderungen des Tarifs" folgen, ohne dass damit deutlich würde, wie dieser konkret mit Indexänderungen verknüpft wäre. Bei kundenfeindlichster Auslegung können diese Tarifänderungen als von der allgemeinen Preisentwicklung weitgehend losgelöst, das Äquivalenzverhältnis damit einseitig ändernd und damit den Versicherungsnehmer gröblich benachteiligend aufgefasst werden. In Art 14.2 ARB 2005 und ARB 2015 wird demgegenüber zwar normiert, dass sich Prämie und Versicherungssumme gegenüber den zuletzt gültigen im gleichen Verhältnis wie der jeweils maßgebliche Index verändern sollen. Nach welchen Parametern sich Prämie und Versicherungssumme letztlich bestimmen, bleibt damit auch unklar.

Für die Wirksamkeit einer Zustimmungsfiktion für den Fall des Unterbleibens der Kündigung ist es erforderlich, dass die in § 6 Abs 1 Z 2 KSchG vorgesehene Hinweispflicht des Verwenders in die AGB oder Vertragsformblätter selbst aufgenommen und dem Versicherungsnehmer die Tragweite seiner Einwilligung erkennbar gemacht werden muss. Durch die Nichtaufnahme der Hinweispflicht nach § 6 Abs 1 Z 2 KSchG widersprechen die hier beanstandeten Klauseln dem Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG. Die nicht näher konkretisierte und unbeschränkte Möglichkeit der Vertragsänderung mittels Erklärungsfiktion ist ebenso intransparent.

Schließlich ist in den gegenständlichen Klauseln weiterhin die Sanktionierung einer Kündigung der Wertanpassung durch eine einseitige Leistungsänderung zum Nachteil des Versicherungsnehmers über die Begrenzung durch die Versicherungssumme hinaus durch den Versicherer enthalten.

OGH 27.2.2019, 7 Ob 242/18s
Klagsvertreter: Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien


Das Urteil im Volltext.

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