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Urteil: Unzulässige Wert-Anpassungen in Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen

In einem Verbandsverfahren der Bundesarbeitskammer wurde eine Klausel über die automatische VPI-Anpassung von Prämie und Versicherungssumme in der Rechtsschutzversicherung als unzulässig angesehen.

Der OGH hat folgende Klausel der Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2012) eines Versicherungsunternehmens als gesetzwidrig erkannt:
1. Sie (gemeint: die Prämie und die Versicherungssumme) unterliegen jenen Veränderungen des Versicherungstarifes, die sich aufgrund von Veränderungen des Gesamtindex der Verbraucherpreise 2000 oder bei dessen Entfall des entsprechenden Nachfolgeindex ergeben. Die jeweilige Tarifberechnung erfolgt unter Anwendung der Indexziffer des letzten Monats eines jeden Kalendervierteljahres (Berechnungsmonat). Die für die jeweilige Tarifberechnung gültige Indexziffer ist aus der Polizze ersichtlich.

Eine Tarifänderung wirkt auf die Prämie und Versicherungssumme frühestens ab der Prämienhauptfälligkeit, die drei Monate nach Ablauf des Berechnungsmonats eintritt. Die Prämienhauptfälligkeit ist Tag und Monat, die auf der Polizze unter 'Ablauf der Versicherung' eingetragen sind. Beträgt der Unterschied mehr als 0,5 % und unterbleibt trotzdem ganz oder teilweise eine Wertanpassung, kann dieser Unterschied bei späteren Wertanpassungen angerechnet werden.

2. Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, die Wertanpassung unbeschadet des Fortbestandes der sonstigen Vertragsbestimmungen unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten auf den Zeitpunkt der nächsten Prämienhauptfälligkeit zu kündigen. Tritt nach der Kündigung eine Erhöhung des Tarifes aufgrund der Wertanpassung in Kraft, vermindert sich die Leistung von A***** im gleichen Verhältnis, in dem die vom Versicherungsnehmer zu zahlende Prämie zu der im Zeitpunkt des Versicherungsfalles gültigen Tarifprämie steht.' (Art 14)

Die Rechtsschutzversicherung ist eine passive Schadenversicherung und keine Sachversicherung.

Die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung besteht in der Kostenübernahme und daher ist - im Unterschied zu jeder Form einer Sachleistung - auch die Versicherungssumme und die Leistung selbst denselben inflationsbedingten Schwankungen ausgesetzt, die für die Versicherungsprämien gelten. Während eine in AGB geregelte Anpassung des Entgelts für die Leistung einer in ihrem (Gebrauchs-)Wert gleichbleibenden Ware oder Dienstleistung an inflationsbedingte Veränderungen allenfalls sachlich gerechtfertigt erscheinen mag, lässt sich dieses Argument auf die Kostenübernahme für bestimmte Versicherungsfälle nicht ohne weiteres übertragen.

Art 14 ARB regelt die Wertanpassung insgesamt und ist als Einheit zu beurteilen.

Grundsätzlich wird die Äquivalenz zwischen Versicherungssumme und Prämie beim Vertragsabschluss festgelegt. Sollte der Wert der Versicherungssumme inflationsbedingt sinken, liegt es an den Parteien, ob und in welchem Ausmaß sie eine Anpassung des Versicherungsvertrags vornehmen wollen. Es steht dem Versicherungsnehmer aber frei, eine Erhöhung abzulehnen, wenn er sie für sich als nicht notwendig erachtet. Dann ändert sich an der Äquivalenz zwischen Versicherungssumme und Prämie nichts.

Durch die Klausel wird die Wertanpassung für den Versicherungsnehmer verpflichtend. Schon dafür besteht kein schutzwürdiges Interesse des Versicherers, weil nicht nur die Prämie, sondern auch die Versicherungssumme gleichermaßen der Inflation unterliegt, sich die Äquivalenz daher gerade nicht verschiebt. Durch die Klausel sichert sich der beklagte Versicherer vielmehr die stetige Erhöhung der Prämie, wenn auch gegen Erhöhung der Versicherungssumme, unabhängig vom konkreten Willen des Versicherungsnehmers.

Die Kündigung der Wertanpassung ist noch dazu mit einer Sanktion versehen. Im Fall einer Tariferhöhung kürzt der Versicherer seine Leistung (in jedem künftigen Versicherungsfall), was in keinem Zusammenhang mit der vereinbarten Versicherungssumme, die dann gleich bleibt, steht. Damit wird das im Versicherungsvertrag vereinbarte Äquivalenzverhältnis einseitig und ohne gerechtfertigten Grund zugunsten des Versicherers verändert, denn er muss nun nicht mehr (nur) begrenzt durch die Versicherungssumme Leistungen erbringen, sondern kann diese noch entsprechend der Tarifänderungen kürzen. Diese durch die Klauseln herbeigeführte einseitige Benachteiligung des Versicherungsnehmers ist überraschend (§ 864a ABGB), sachlich nicht gerechtfertigt und grob benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB).

Abgesehen davon ist die durch § 6 Abs 1 Z 5 KSchG gebotene Zweiseitigkeit der beanstandeten "Klausel 1" nicht gegeben. Allfällige Senkungen aufgrund von Indexveränderungen, die mehr als 0,5 % betragen, können - müssen aber nicht - vom Versicherer bei späteren Wertanpassungen angerechnet werden. Für den Versicherten besteht hingegen keine Möglichkeit, eine entsprechende Reduktion einzufordern oder gar durchzusetzen.

OGH 9.4.2015, 7 Ob 62/15s
Klagsvertreter: Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien

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