Zum Inhalt

Urteil: VKI-Erfolg beim HG Wien bei Lebensversicherung

Das HG Wien beurteilt Vertragsbestimmungen der Wiener Städtischen Versicherung in der klassichen und in der fondsgebundenen Lebensversicherung als intransparent und gesetzwidrig.

Der VKI hatte im Auftrag des BMSG unter anderem die Wiener Städtische Versicherung wegen undeutlicher Bestimmungen in Lebensversicherungsverträgen geklagt. Nach Einschätzung des VKI ist nach den Vertragsbestimmungen nämlich unklar, welche Kostenabzüge erfolgen und mit welchen Rückkaufswerten Konsumenten im Fall einer vorzeitigen Auflösung rechnen können. Niedrige Auszahlungen bei einem vorzeitigen Ausstieg sind dann für viele Kunden eine böse Überraschung.

Das HG Wien gibt dem VKI in seinem aktuellen Urteil Recht. Das Urteil bezieht sich vor allem auf folgende Klauseln:

Klassische Lebensversicherung:

1. Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien. Er errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes und der angefallenen Kosten nach den hiefür geltenden Vorschriften und tariflichen Grundlagen.

2. Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien. Der Rückkaufswert bzw die prämienfreie Versicherungssumme errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes, der angefallenen Kosten und nach Berücksichtigung eines Abschlages auf die tarifliche Deckungsrückstellung nach den tariflichen Grundsätzen. Aufgrund der bei Vertragsabschluss anfallenden Abschlusskosten steht in der ersten Zeit nach Versicherungsbeginn noch kein Rückkaufswert zur Verfügung. Erst in den Folgsjahren entwickelt sich ein Rückkaufswert, der durch die notwendige laufende Amortisation der angefallenen Kosten anfangs noch sehr niedrig ist, dann jedoch progressiv ansteigt, bis er zu Vertragsende die vereinbarte garantierte Erlebensleistung (Versicherungssumme) erreicht. Die individuellen vertragsbezogenen Werte entnehmen sie bitte den besonderen Versicherungsbedigungen (Anhang zur Polizze RP 1), die Bestandteil des Vertrages sind.

Das HG Wien hält zur ersten Klausel fest, dass nach den gesetzlichen Vorgaben für die Berechnung des Rückkaufswertes keine abschließende Berechnungsmethode vorgegeben ist. Es kommen mehrere Methoden in Betracht, welche unterschiedliche Auswirkungen haben. Die für den Rückkauf geltenden Grundsätze sind daher speziell zu vereinbaren und zum Vertragsinhalt zu machen. Die vorliegende Klausel enthält aber nur einen lapidaren Hinweis auf die tariflichen Grundlagen. Aus diesem Verweis ist nicht erkennbar, wie Kosten verrechnet werden und welche Konsequenzen die tatsächlich angewandte Kostenverrechnungs-Methode für den Verbraucher hat. Die Klausel ist daher intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG.

Mit der zweiten Klausel soll für den Fall eines vorzeitigen Rückkaufes ein Stornoabzug vereinbart werden. Nach den gesetzlichen Vorgaben muss die Höhe des Abzuges auf jeden Fall vereinbart werden. In der vorliegenden Klausel wird die Höhe des Abzugs aber weder konkret noch abstrakt angegeben, was nach dem HG Wien gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG und gegen § 176 Abs 4 VersVG verstößt.

Fondsgebundene Lebensversicherung:

1. Soweit Ihre Prämien nicht zur Deckung der Kosten bestimmt ist, führen wir sie den von Ihnen gewählten Investmentfonds zu, indem wir Fondsanteile erwerben. Diese bilden die Deckungsrückstellung Ihres Vertrages.

2. Rückkauf und Prämienfreistellung - Falls Sie Ihren Vertrag kündigen, sind wir verpflichtet, den Rückkaufswert zu erstatten. Sie können auch eine Umwandlung des Vertrages in einen prämienfreien verlangen. Die Mindesttodesfallsumme entfällt sodann. Wir weisen darauf hin, daß der Rückkaufswert innerhalb der ersten 10 Jahre nicht der Summe der eingezahlten Prämien entspricht, sondern sich an der Deckungsrückstellung gemäß nachstehender Tabelle bemisst.

Versicherungsjahr: Rückkaufswert 0 %

Versicherungsjahr: Rückkaufswert 40 % ......

Die erste Klausel soll die Versicherung berechtigen, von den bezahlten Prämien Kosten abzuziehen. Allerdings ist nicht ersichtlich, wie hoch diese Kosten sind, dem Versicherere wird somit ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt. Das HG Wien beurteilt diese Bestimmung daher als gröblich benachteiliegend. Darüber hinaus ist diese Bestimmung auch intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG, da die Höhe der Kosten nicht konkretisiert ist. Das HG Wien weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass eine allenfalls ausgefolgte "Modellrechnung" keine vertragliche Vereinbarung begründet. Eine sinngleiche Klausel wurde kürzlich vom OLG Wien als unzulässig beurteilt (vgl. Urteil gegen die Aspecta Lebensversicherung: OLG Wien 19. Mai 2006, 4 R 57/06s).

Auch nach der zweiten Klausel ist die Höhe der Kosten für die Ansprüche des Versicherungsnehmers maßgeblich. Da die Höhe der Kosten wiederum unbestimmt ist, ist auch diese Bestimmung nach Einschätzung des HG Wien gesetzwidrig. Hinzu kommt, dass durch die vorgesehenen Abschläge das Kündigungsrecht des Verbrauchers unangemessen ausgehölt wird. Bei einem vorzeitigen Ausstieg etwa im ersten Versicherungsjahr verliert der Verbraucher nämlich die gesamte Deckungsrückstellung, bekommt also gar nichts ausbzahlt.

Konsumenten dürfen auf höhere Rückkaufswerte hoffen, denn im Fall der Rechtskraft des Urteiles dürfen Kosten nicht mehr in dieser Weise verrechnet werden. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits für die Situation in Deutschland festgehalten. Bei Rückkäufen innerhalb der letzten drei Jahre besteht somit unter Umständen ein Anspruch auf Nachforderung gegen die Versicherung.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

HG Wien 10. August 2006, 10 Cg 52/05k

Volltextservice

Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Grazer Wechselseitige Versicherung AG wegen deren „Dauerrabattklausel“. Das OLG Graz gab dem VKI Recht und erklärte die Klausel – wie auch schon das Erstgericht – für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Laufzeitrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang