Verfahrensgegenstand war die abgebildete Werbung (siehe Bild).
Gerichtszuständigkeit
Die Beklagte hat ihren Sitz in Deutschland. Der VKI brachte die Klage beim HG Wien ein. Dieses bejahte seine Zuständigkeit: Gemäß Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 kann eine Person, die ihren (Wohn)sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes geklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Geklagt werden kann sowohl am Handlungs- als auch am Erfolgsort des schädigenden Ereignisses (Ubiquitätstheorie). Der Deliktsgerichtsstand des Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 kann auch für Verbandsklagen herangezogen werden (s 4 Ob 181/18y). Alle Klagen nach § 28a KSchG sind unter Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 subsumierbar. Da die Website der Beklagten auf den österreichischen Markt ausgerichtet war (".at" Top-Level Domain, direktes Ansprechen österreichischer Kunden etc.) und problemlos in Österreich abgerufen werden konnte, liegt jedenfalls der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, in Österreich.
Anwendbares Recht
Auf den Unterlassungsanspruch nach § 28 KSchG ist nach Art 6 Abs 1 Rom II-VO grundsätzlich das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem sich die Verwendung der beanstandeten Klauseln auswirkt. Das auf die Zulässigkeit der Klausel selbst anwendbare Recht ist allerdings auch im Verbandsprozess nach der Rom I-VO zu ermitteln. Auch in der Rechtssache C-191/15,VKI/Amazon, kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass auf Unterlassungsklagen von Verbraucherschutzverbänden gemäß Art 6 Abs 1 Rom II-VO das Recht jenes Staates anzuwenden ist, in dem die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind. Das ist jenes Land, in dem die Verbraucher, auf die das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ausrichtet und deren kollektive Interessen vom betreffenden Verbraucherschutzverein mittels Klage geschützt werden, ihren Wohnsitz haben. Auch nach Ansicht des EuGH ist aber bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts zwischen der Klagebefugnis einerseits und der inhaltlichen Zulässigkeit der Geschäftspraktik andererseits zu unterscheiden.
Diese Grundsätze sind auch auf § 28a-Verfahren anwendbar. Die Beklagte richtete ihr Kreditangebot klar auf Österreich aus (Top-Level-Domain ".at", direktes Ansprechen österreichischer Kunden ("Ihr Kreditspezialist in Österreich"), Angabe einer österreichischen E-Mail-Adresse für Kontaktaufnahmen). Da die kollektiven Verbraucherinteressen in Österreich durch den Kläger geschützt werden sollen und sich die Geschäftspraxis der Beklagten auf Österreich ausrichtet, ist gemäß Art 6 Abs 1 Rom II-VO österreichisches Recht anwendbar.
Bei der Werbeankündigung der Beklagten handelt es sich um einen Fall der culpa in contrahendo, bei welcher gemäß Art 2 Rom II-VO an den Regeln für außervertragliche Schuldverhältnisse anzuknüpfen ist. Gemäß Art 12 Rom II-VO ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrages (worunter wohl auch öffentliche Werbeäußerungen fallen) das Recht jenes Staates anzuwenden, das auf den Vertrag anzuwenden gewesen wäre, wenn man ihn geschlossen hätte. Da es sich bei den Verträgen zwischen der Beklagten und ihren Kunden um Verbraucherkreditverträge handelt, ist gemäß Art 6 Rom I-VO das Recht jenes Staates anzuwenden in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, was aber nur dann gilt, wenn der Unternehmer seine geschäftliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet. Dies ist vorliegend der Fall. Würde die Beklagte Verträge mit österreichischen Verbrauchern schließen, käme österreichisches Recht zur Anwendung. Da österreichisches Recht auf die Verträge anzuwenden wäre, sofern österreichische Verbraucher mit der Beklagten kontrahierten, ist gemäß Art 12 Abs 1 Rom II-VO österreichisches Recht auch auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrages anzuwenden.
Verstoß gegen § 5 VKrG
Werden in einer Werbung für Kreditverträge Zinssätze oder sonstige, auf die Kosten eines Kredits für den Verbraucher bezogene Zahlen genannt, so muss die Werbung klar, prägnant und auffallend anhand eines repräsentativen Beispiels gewisse Standardinformationen, nämlich den Sollzinssatz und den effektiven Jahreszinssatz, den Gesamtkreditbetrag, ggf die Kreditlaufzeit und den Gesamtbetrag, enthalten (§ 5 Abs 1 VKrG).
Verfahrensgegenständliche Werbung widerspricht § 5 VKrG: Während die monatliche Rate groß und fett hervorgehoben ist, sind die nach § 5 Abs 1 VKrG anzugebenden Informationen wesentlich kleiner und deutlich weniger gut wahrnehmbar. Die Kriterien der angeführten Gesetzesstelle - "klar, prägnant und auffallend" - wurden so nicht erfüllt.
Es bleibt auch im Dunkeln, worauf sich der unter einem Sternchen im Kleingedruckten enthaltene Verweis bezieht, zumal sich auf der gesamten Seite kein weiteres (einzelnes) Sternchen findet.
Die Werbung der Beklagten missachtet aber auch die inhaltlichen Vorgaben des § 5 Abs 1 Z 1 VKrG: Die Beklagte warb - auch im Text des Beispiels - mit dem "gebundenen Sollzinssatz". Für den Verbraucher ist es essentiell zu wissen, wie und ob sich der vereinbarte Sollzinssatz ändern kann oder nicht. Die Verwendung des Begriffs "gebundener Sollzinssatz" weist nicht ausreichend darauf hin, ob es sich um einen fixen oder einen variablen Sollzinssatz handelt.
Das repräsentative Beispiel muss auf jene Zahlen bezogen werden, mit denen geworben wird. Der aufklärende Hinweis unter (*), wonach der gewährte Zinssatz von der Bonität des Verbrauchers abhängt, trägt schon deshalb nicht zum Verständnis des Beispiels bei, weil nicht ersichtlich ist, auf welche Bonität - der Begriff wird in keiner Weise erklärt - er sich bezieht. Im Übrigen findet sich im Werbefenster der Beklagten kein korrelierender Verweis auf *, lediglich auf ** wird bei den Zinssätzen verwiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien
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HG Wien 30.12.2019, 39 Cg 48/18d