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Urteil: VKI gegen überbordende Werbung an Volksschulen erfolgreich

Übermäßige Werbung in Mitteilungsheften an Volksschüler stellt eine aggressive Geschäftspraktik gemäß § 1a UWG dar, entschied das HG Wien in einer aktuellen, nicht rechtskräftigen Entscheidung über eine Verbandsklage des VKI.

Die Beklagte ist auf die Werbung im Schulbereich spezialisiert, und gibt unter anderem jeweils zu Schulbeginn ein sogenanntes "Mitteilungsheft" heraus, das sie Volksschulen zur Verteilung gratis - auf Anforderung - zur Verfügung stellt. Etwa 800 Volksschulen in Österreich bestellten das Heft derzeit, das in der Regel von den Lehrern im Unterricht an die Schulkinder verteilt wird - jährlich rund 116.000 Stück.

Das "Mitteilungsheft" besteht aus einer Vielzahl von teils auffälligen, ganzseitigen Werbeseiten (siehe dazu die Darstellungen auf www.youngenterprises.at).
Diese Einschaltungen sind beim Benützen bzw Durchblättern des Heftes allgegenwärtig, auf 19 Seiten mit Werbung kommen 41 Seiten ohne Werbung.

Aggressiv im Sinne des § 1a UWG ist eine Geschäftspraktik, die geeignet ist, die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Marktteilnehmers in Bezug auf ein Produkt durch Belästigung, Nötigung oder sonstige unzulässige Beeinflussung wesentlich zu beeinträchtigen und ihn so zu veranlassen, eine Geschäftsentscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Die Judikatur mutet es den Eltern zu, den Wünschen ihrer Kinder Grenzen zu setzen und eine Auseinandersetzung über möglicherweise unvernünftige Konsumwünsche zu führen, weshalb an Kinder adressierte Werbung nicht grundsätzlich verboten ist. Anders ist der Fall gelagert, wenn es sich um eine Belästigung oder unzulässige Beeinflussung der Kinder iSd § 1a Abs 1 UWG handelt.  In solchen Fällen müssen die Eltern die durch die Werbung veranlassten Fehlvorstellungen der Kinder widerlegen, was im Allgemeinen mit einem höheren Zeitaufwand verbunden ist, als ein allgemeines Gespräch über Konsumwünsche (vgl. OGH 08.07.2008, 4 Ob 57/08y "Pony Club").

Werbung an (Volks)schulen ist nach Ansicht des HG Wien zwar grundsätzlich zulässig, weil auch Schulen mittlerweile keine werbefreien Zonen mehr darstellen, sie muss sich aber in einem gewissen Rahmen halten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Sechs- bis Zehnjährige leichter zu beeinflussen sind als ältere Schüler. 

Das verfahrensgegenständliche Mitteilungsheft enthält auf 19 Seiten Werbung (bei 41 Seiten ohne Werbung) und es ist nach Ansicht des Gerichts nahezu unmöglich, dass das Kind das Heft benützt, ohne die Werbebotschaften wahrzunehmen, ihnen immer wieder ausgesetzt zu sein und von ihnen beeinflußt zu werden. Es nahm aufgrund des (zu) beträchtlichen Umfangs der Werbung im Mitteilungsheft daher eine unzulässige Beeinflussung und damit eine aggressive Geschäftspraktik gemäß § 1a UWG an.

Das weitergehende Hauptbegehren, jede Werbung in Heften, die an Volksschüler verteilt werden, grundsätzlich zu untersagen, wies das Gericht in diesem Sinn als überschießend ab - anzunehmen, Volksschulen seien werbefreie Zonen, sei zudem realitätsfern.

HG Wien 15.4.2014, 39 Cg 10/13h
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Klagsvertreterin: Dr. Anne Marie Kosesnik-Wehrle, RA in Wien

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