Das Erstgericht (BGHS Wien 25.3.2002, 11 C 566/00s - VR Info 5/2002) hatte entschieden, dass die vereinbarte Zinsgleitklausel eines Kreditvertrages nicht den Erfordernissen des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG aF entspreche und daher eine vertragliche Lücke entstehe, die durch ergänzende Auslegung iSd hypothetischen Parteiwillens redlicher Parteien zu schließen sei. Ein geeigneter Indikator zur Schließung dieser Lücke sei der Mittelwert aus SMR und VIBOR/EURIBOR. Zur Verjährung sprach das Erstgericht aus, dass der durch die Überzahlung des Kredites entstandene Bereicherungsanspruch der langen Verjährung von 30 Jahren gem § 1479 ABGB unterliegt.
Das HG Wien hat das Urteil des BGHS Wien nun wegen mangelnder Feststellungen aufgehoben und an dieses zurückverwiesen.
Erstens bemängelte das Gericht die mangelnden Feststellungen hinsichtlich der Abtretung der Forderung an den VKI. Der Kredit wurde von einer Verbraucherin samt ihren Eltern aufgenommen. Die Verbraucherin trat ihre Forderung gegenüber der Bank zur Eintreibung an den VKI ab. Das Gericht stellte in Frage, ob auf Grund der Abtretung der VKI zu Eintreibung der gesamten Überzahlung berechtigt ist. Es müssten daher vom Erstgericht Feststellungen über das Innenverhältnis der drei Kreditnehmer - ob etwa eine Zustimmung vorlag - getroffen werden.
Da die beklagte Partei die Aktivlegitimation des VKI und auch die Höhe der Forderung außer Streit gestellt hatte und von beiden Seiten klar zum Ausdruck kam, dass man einen Musterprozess über die zugrundliegenden Rechtsfragen anstrebe, erscheint diese Ansicht des Gerichtes verfehlt. Überdies wird es ein Leichtes sein, allenfalls fehlende Feststellungen - so der OGH dies auch so sieht - nachzutragen.
Des Weiteren vermisste das Gericht Feststellungen hinsichtlich des Vertragsinhaltes zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber. Das Erstgericht habe keinerlei Feststellungen hinsichtlich der Vertragsgespräche getroffen und damit einen eventuell vorhandenen "natürlichen Konsens" außer Acht gelassen. Daher wären weitere Feststellungen zu treffen, und die Absicht der Parteien zu erforschen.
Das Berufungsgericht übersieht hier Folgendes: Die AGB wurden von den Banken aufgestellt, um sie im Massengeschäft zu verwenden. Dies ist freilich auch dem Kunden bekannt, welcher nicht davon ausgeht, zu anderen Bedingungen abschließen zu können, als zu den in den AGB genannten. Bei der Beurteilung der Klausel ist daher vom objektiven Erklärungsinhalt der Klausel auszugehen (vgl Rummel in Rummel³, § 864a Rz 13 mwN). Weiters handelt es sich bei § 6 Abs 1 Z 5 KSchG um zwingendes Recht. Demnach müssen, will sich der Unternehmer ein einseitiges Gestaltungsrecht einräumen lassen, die Umstände für eine derartige Änderung im Vertrag umschrieben sein.
Des Weiteren führt das Berufungsgericht aus, dass sich die in der Klausel als Parameter genannte generelle Steigerung der Personal- und Sachkosten nur auf die Erhöhung der Kreditprovision beziehen könne, da Provisionen als spezifische Entgelte für Dienstleistungen im Bankwesen üblich seien und nur für diese Bankdienstleistung eine Verteuerung in der Sphäre der Bank eintreten könne. Dagegen würde sich eine Erhöhung der Bankrate und der Refinanzierungskosten - als weitere genannte Parameter - auf die Kreditzinsen und die Verzugszinsen beziehen. Insofern sei angesichts der aus der Formulierung erkennbare Absicht der Parteien die Vertragsklausel entgegen dem Wortlaut einschränkend auszulegen. Daraus schließt das Gericht weiter, dass - da bei der Einklagung nur auf die überhöhten Zinsen abgestellt worden sei - nur mehr die rechtliche Qualität der infolge einschränkender Auslegung verbleibenden Berechtigung zur Erhöhung der Kreditzinsen im Fall der Erhöhung der Bankrate der österreichischen Nationalbank oder bei einer allgemeinen Erhöhung der Refinanzierungskosten streitentscheidend sei.
Hier widerspricht sich das Gericht selbst: Zuerst fordert es weitere Feststellungen bezüglich eines eventuell vorliegenden natürlichen Konsens, dann legt es die Klausel selbst "objektiv" aus und kommt so anscheinend zu einer geltungserhaltenden Reduktion, ohne darauf näher einzugehen und zu beachten, dass eine geltungserhaltende Reduktion im Bereich des KSchG zu Recht von einem Großteil der Lehre abgelehnt wird. Im übrigen wurde die Kreditprovision als Teil des monatlichen Entgeltes sehr wohl geltend gemacht.
Hinsichtlich der Bestimmtheit des Parameters "allgemeine Erhöhung der Refinanzierungskosten" stellt das Berufungsgericht zu Recht fest, dass bereits eine ausreichende Bestimmtheit nach § 869 ABGB in Frage steht, hinsichtlich § 6 Abs 1 Z 5 KSchG aF jedenfalls aber nicht gegeben ist, was jedenfalls zur Nichtigkeit dieses Teiles der Klausel führt. Die Nichtigkeit gehe jedoch nur soweit, als der Inhalt der Klausel gesetzwidrig sei. Demnach komme es zu einer geltungserhaltenden Reduktion - entsprechend dem hypothetischen Parteiwillen. Damit bleibt die Klausel mit dem Inhalt bestehen, dass sie zur Anpassung an die Bankrate berechtige.
Darauf, dass für die geltungserhaltende Reduktion im KSchG kein Platz ist, wurde bereits hingewiesen. Dass die Änderung der Bankrate dem hypothetischen Willen der Vertragsparteien entsprechen soll, kann das Berufungsgericht freilich nicht hinreichend begründen. Um die Anwendung der Bankrate zu rechtfertigen, werden allerdings die gesetzlichen Bestimmungen des ZinsRÄG 2002 und des Steuerrechts (BAO) herangezogen, wonach Verzugs- bzw. Stundungszinsen abhängig vom Basiszinssatz bestimmt werden. Das Gericht übersieht dabei allerdings, dass es sich hier idR um kurzfristige Verbindlichkeiten handeln wird. Dass die Anwendung des Basiszinssatzes als Indikator für langfristige Kreditverhältnisse nicht geeignet ist - worauf auch der SV in seinem Gutachten hingewiesen hat - bleibt unberücksichtigt. Redliche Parteien hätten diesen Parameter sicher nicht gewählt.
Eine etwas seltsam anmutende Auffassung vertritt das Berufungsgericht hinsichtlich der von Lehre und Rechtsprechung vertretenen Voraussetzung der Zweiseitigkeit der Klausel, wonach die Berechtigung der Erhöhung der Zinsen auch die Verpflichtung zur Senkung bei entsprechenden Verhältnissen umfasst: Im Sinne der Vertragssymmetrie bedeute dies, so das HG Wien, dass auch der Kreditnehmer(!) berechtigt sei, im Falle einer Senkung der Bankrate die Zinsen nach unten anzupassen. Dem Kreditnehmer komme somit dasselbe Gestaltungsrecht zu, das auch der Kreditgeber vertraglich eingeräumt erhielt. Eine Verpflichtung der Bank zur Senkung der Zinsen käme ebenso wenig wie eine automatische Senkung der Zinsen in Frage. Hierzu wären ebenfalls weitere Feststellungen des Erstgerichtes zu treffen.
Was eingeräumt hätte werden sollen, war ein einseitiges Gestaltungsrecht, das allerdings auf Grund des Prinzips der Vertragssymmetrie, um eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung des nicht Gestaltungsberechtigten zu verhindern, vom Gestaltungsberechtigten zweiseitig auszuüben gewesen wäre. Dies verkennt das Gericht vollends. Es bleibt im übrigen auch einen praktischen Hinweis schuldig, wie der Kreditnehmer das Gestaltungsrecht zur Zinssenkung hätte ausüben sollen? Weniger bezahlen und sich klagen lassen? Täglich zur Bank laufen und Zinssenkungen urgieren?
Zur Frage der Verjährung bestätigt das Berufungsgericht die Entscheidung der ersten Instanz, dass der Bereicherungsanspruch der langen Verjährung unterliegt.
Ein Teilerfolg, nach der bislang bankenfreundlichen Judikatur des HG Wien. Der VKI wird im übrigen fristgerecht Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des HG Wien erheben. Die vom Berufungsgericht dem Erstgericht überbundene (zum Teil falsche) Rechtsansicht wird also rasch vom OGH zu klären sein. Das kann nur in unser aller Interesse sein.
HG Wien 5.11.2002, 1 R 330/02d / Volltextservice / Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien