Zum Inhalt

Urteil: VKI siegt neuerlich gegen Lebensversicherung

Das HG Wien beurteilt Klauseln zum Rückkaufswert in Lebensversicherungsverträgen der Victoria Versicherung als gesetzwidrig. Die Klauseln verstoßen gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG.

Das Auflösen einer Lebensversicherung in den ersten Jahren nach dem Abschluss bringt für Konsumenten oft eine böse Überraschung. Ein Ausstieg ist zwar möglich, ausgezahlt wird aber in vielen Fällen nur ein Bruchteil der einbezahlten Prämien - der sogenannte "Rückkaufswert". Den Rest schluckt die Versicherung. Auf diese negativen Folgen einer Kündigung wurde nach Ansicht des VKI von vielen Versicherungen nicht ausreichend hingewiesen (vgl. etwa zuletzt VR-Info 9/2005). Der VKI brachte mangels Einigung mit den Versicherungen - im Auftrag des BMSG - gegen insgesamt 12 Lebensversicherungen Verbandsklagen ein.

Nach den beiden kürzlich ergangenen Urteilen gegen die Uniqa Personenversicherung AG und die Österreichische Beamtenversicherung (vgl. VR-Info 11/2005) liegt nunmehr ein weiteres Urteil des HG Wien im Verfahren gegen die Victoria Volksbanken Versicherungs AG vor. Auch darin wird die Rechtsansicht des VKI bestätigt. Die Klauseln zum Rückkaufswert sind intransparent.

Das Urteil bezieht sich vor allem auf zwei Klauseln, die die Grundlage für die Verrechnung von Abschlusskosten (im wesentlichen die relativ hohe Provision des Vermittlers) und von Stornoabzügen ("Abschlag") darstellen. Die 1. Klausel war in inhaltsgleicher Form bereits Gegenstand der Urteile gegen die Uniqa und die Beamtenversicherung.

1. "Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien. Er errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes, der angefallenen Kosten und nach Berücksichtigung eines Abschlages auf die tarifliche Deckungsrückstellung nach den tariflichen Grundsätzen."

2. "Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämie. Er errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes und der angefallenen Kosten nach den hierfür geltenden tarflichen Grundlagen. Auf Grund der bei Vertragsabschluss anfallenden Abschlusskosten steht in erster Zeit nach Versicherungsbeginn mit Ausnahme der Versicherungsverträge mit einmaliger Prämienzahlung noch kein Rückkaufswert zur Verfügung. Erst in den Folgejahren entwickelt sich ein Rückkaufswert, der durch die notrwendige laufende Amortisation der angefallenen Kosten anfangs noch sehr niedrig ist, dann jedoch progressiv ansteigt, bis er zu Vertragsende die vereinbarte garantiwrte Erlebensleistungerreicht."

Das HG Wien geht in seinem Urteil davon aus, dass das von der Victoria Versicherung angewandte System der Verrechnung der Abschlusskosten - nämlich die Verrechnung der relativ hohen Provision des Vermittlers mit den eingezahlten Prämien am Beginn des Vertrages (Zillmerung) - bedeutende Nachteile im Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung bringt. Der Rückkaufswert erreicht nämlich erst bei langjähriger Vertragsdauer den Wert der eingezahlten Prämien und kann in den ersten Jahren auch Null betragen.

Nach § 176 Abs 1 VersVG sind für die Berechnung des Rückkaufswertes mehrere Methoden denkbar. Es ist daher nach dieser Bestimmung grundsätzlich zulässig, die Kosten nach der Methode der Zillmerung zu verrechnen. Allerdings ist dabei das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG zu beachten. Das Transparenzgebot soll es dem Verbraucher ermöglichen, sich aus den Geschäftsbedingungen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten zu informieren. Aus der 1. Klausel ist für den Verbraucher allerdings nicht erkennbar, welche Folgen eine vorzeitige Auflösung für ihn hat. Es lässt sich der Klausel nämlich nicht entnehmen, dass eine vorzeitige Kündigung negative wirtschaftliche Auswirkungen hat.

Die Versicherung hatte unter anderem argumentiert, dass den Versicherungsverträgen Tabellen mit Rückkaufswerten angeschlossen wären und dadurch eine ausreichende Information gegeben würde. Das HG Wien weist allerdings darauf hin, dass die entsprechende Vertragsklausel zum Rückkauf einen Verweis auf eine derartige Tabelle enthalten müsste. Es kann einem Konsumenten nämlich nicht zugemutet werden, räumlich weit auseinanderliegende Bestimmungen eigenständig zu kombinieren. Im übrigen konnte vom Gericht nicht festgestellt werden, dass derartige Tabellen immer an die Kunden überreicht werden würden.

Da die 1. Klausel schon wegen der Intransparenz zur Gänze unzulässig ist, setzt sich das HG Wien mit der Frage der Zulässigkeit des in der Klausel auch angeführten Stornoabschlages nicht mehr auseinander.

Auch die 2. Klausel ist für das HG Wien intransparent. Es wird darin zwar angedeutet, dass dem Verbraucher bei einer frühen Kündigung wirtschaftliche Nachteile entstehen können. Auf Grund unbestimmter Zeitangaben bleibt dem Konsumenten das Ausmaß dieser Nachteile jedoch vollkommen unklar.

Das Urteil ist ein weiterer wichtiger Schritt, damit Konsumenten die Auszahlung eines höheren Rückkaufswertes verlangen können. Der VKI bietet betroffenen Verbrauchern, die ihre Lebensversicherung rückgekauft haben eine Prüfung ihres Falles im Rahmen einer Sammelintervention an (vgl. das aktuelle Info-Paket unter www.verbraucherrecht.at).

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

HG Wien 7.11.2005, 34 Cg 26/05p
Volltextservice
Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Grazer Wechselseitige Versicherung AG wegen deren „Dauerrabattklausel“. Das OLG Graz gab dem VKI Recht und erklärte die Klausel – wie auch schon das Erstgericht – für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Laufzeitrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang