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Urteil: Werbung der Helvetia Versicherungen AG für "Gratis-iPhone samt Zukunftsvorsorge" ist aggressiv

Das Handelsgericht Wien hat die Helvetia Versicherung AG zur Unterlassung einer Werbung für eine prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge unter gleichzeitigem Angebot eines iPhone 4S oder iPad 3 als "Geschenk" verurteilt.

Der Verein für Konsumenteninformation ging im Auftrag des Bundesminsteriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz im Wege einer Wettbewerbsklage gegen eine in der Tageszeitung ÖSTERREICH und auf einer von dieser betriebenen Internetseite unter www.bestkauf24.at mehrfach publizierte Werbung der Helvetia Versicherungen AG vor. 
 
 Die beklagte Versicherung hatte ihr Angebot eines Versicherungsvertrages zur Zukunftsvorsorge wie folgt beworben: "Gratis* iPhone 4S mit der besten Zukunftsvorsorge**", "Das neue iPhone 4S gratis* vertragsfrei im Wert von Euro 650", "Mit der besten Rendite" und "Die Helvetia Zukunftsvorsorge veranlagt in den Fonds Apollo 32. Dieser erzielte seit Markteinführung 2003 eine Wertentwicklung von 6,29% p.a."Jetzt ist es endlich da: Das brandneue iPad. Das neue iPad ist schon fast überall komplett ausverkauft: Wir schenken Ihnen das neue iPad vollkommen gratis* dazu", "Weiterhin attraktive staatliche Förderung", "Das neue, sprachgesteuerte und vertragsfreie iPhone 4S GRATIS*" und "650 Euro sparen - Hier gibt's Ihr neues GRATIS* iPhone 4S", "Schon 4.400 Leser haben ihr neues iPhone 4S bestellt".
 
 Allerdings erfolgte die Abgabe der iPhones oder iPads unter bestimmten Umständen nicht gratis. So wurde der Konsument in der Werbung unter dem *-Text im Kleingedruckten darauf hingewiesen, dass sich die ÖSTERREICH das Recht vorbehielt, das iPhone 4S aliquot in Rechnung zu stellen, wenn ein Konsument den abgeschlossenen Versicherungsvertrag innerhalb von 60 Monaten freistellte, reduzierte oder kündigte.
 Bezüglich des staatlichen Prämienanteils wurde noch im April 2012 auf der Internetseite www.bestkauf24.at ausgeführt, dass die derzeit gültige Regelung für das Jahr 2012 ebenfalls 8,5% betrage. Weiter wurde dort nur ausgeführt, dass die Bundesregierung beabsichtige, die Förderung zu senken und eine parlamentarische Beschlussfassung abzuwarten sei.
 
 Das Handelsgericht Wien Weiter sah in der Werbung der Helvetia einen Verstoß gegen das Zugabenverbot nach § 9 a UWG und untersagte diese bereits aus diesem Grund. Zwar sei § 9 a UWG nach der Rechtsprechung des OGH richtlinienkonform teleologisch zu reduzieren. Danach ist eine Zugabe gegenüber Verbrauchern dann unzulässig, wenn die beanstandete Geschäftspraktik im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist (OGH 15.02.2011, 4 Ob 208/10 g). Das Handelsgericht Wien bewertet die Ausgestaltung der Werbung der Helvetia aber hier schon deshalb für irreführend iSd § 2 UWG, weil noch nach einem entsprechenden Nationalratsbeschluss im März 2012 das beklagte Versicherungsunternehmen weiterhin mit dem alten Förderzinssatz von 8,5% warb und nicht darauf hinwies, dass die Förderung aufgrund des Beschlusses seit März 2012 halbiert worden war.
 
 Zudem erachte das Handelsgericht die Werbung der Helvetia als aggressiv. Bei der Bewertung, ob ein Ausnutzen der geschäftlichen Unerfahrenheit im Sinne einer nach § 1a Abs 1 UWG unzulässigen Beeinflussung vorliege, sei Werbung, die sich an leichtgläubige bzw. unerfahrene Personen richte und Produkte zum Gegenstand habe, bei deren Bezug sich eine laufende finanzielle Belastung ergibt, generell streng zu beurteilen. Bei der Gruppe, auf die die Werbung der Helvetia mit dem iPhone 4S bzw. dem iPad 3 abziele, handele es sich um technisch interessierte innovative Jugendliche und junge Erwachsene, welche als unerfahrene und leichtgläubige Verbraucher eingestuft werden können, weshalb hier ein schutzbedürftiger Personenkreis iSd § 1 Abs 2 UWG vorliege. Aus einem Koppelungsangebot, also des Angebots einer Zugabe zu einer Hauptware, im Sinne des § 1 UWG mit hohem Anlockeffekt, das an unerfahrene bzw leichtgläubige Verbraucher gerichtet ist, kann sich eine unzulässige Beeinflussung im Sinne des § 1a UWG ergeben, weil auch in diesem Fall eine Über-/Unterordnung bestehen kann, die einer Machtposition iSd § 1 Abs 4 Z 6 UWG entspricht (Burgstaller in Wiebe/Kodek, Kommentar zum UWG (2012) § 1 a Rz 147).
  
 Ein Vertrag über eine staatliche geförderte Zukunftsvorsorge kann vor dem Ablauf von 10 Jahren überhaupt nicht gekündigt werden, danach nur mit erheblichen Nachteilen für den Anleger. Angenommen werden kann, so dass Gericht, dass gerade junge Erwachsene die wirtschaftliche Bedeutung dieser langfristigen finanziellen Belastungen nicht richtig einschätzen können. Verbunden mit der Zugabe eines teuren und stark nachgefragten Artikel der Unterhaltungselektronik und dem Vorliegen des Ausnutzens der geschäftlichen Unerfahrenheit bzw. Leichtgläubigkeit der angesprochenen Marktteilnehmer, erfülle die inkriminierte Werbung den Tatbestand einer aggressiven Geschäftspraktik im Sinne des § 1a Abs 1 UWG. 
 
 Daneben sah das Handelsgericht auch den Tatbestand des § 1a Abs 2 UWG erfüllt. Bei einem staatlich geförderten Zukunftsvorsorgevertrag gemäß § 173 VersVG iVm § 178 VersVG müsse zwingend die Möglichkeit bestehen, den Vertrag prämienfrei zu stellen. Dadurch, dass sich die Mediengruppe Österreich GmbH mit dem Wissen und Einverständnis der Helvetia das Recht vorbehalte, die Zugaben aliquot in Rechnung zu stellen, wenn der Vertrag binnen 60 Monaten prämienfrei gestellt oder gekündigt wird, werde ein Versicherungsnehmer an seinem Recht zu kündigen zu hindern versucht. Dass ein Versicherungsnehmer sich gegen die Kündigung oder Prämienfreistellung der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge entscheidet, um nicht für ein zwischenzeitlich eventuell schon überholtes iPhone oder iPad auch noch nachträglich einen nicht unwesentlichen Kostenbeitrag zu zahlen, sei nicht von der Hand zu weisen, weshalb es sich hierbei um ein belastendes unverhältnismäßiges Hindernis nichtvertraglicher Art iSd § 1a Abs 2 UWG handele.
 
 Das Urteil ist nicht rechtskräftig. 
 
 HG Wien Urteil vom 28.01.2013, 18 Cg 62/12z
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 Klagevertreter: Kanzlei Kosesnik-Wehrle & Langer, Rechtsanwälte-KG in Wien

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