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Urteil: Zinsenstreit: OLG Wien geht abermals von 30-jähriger Verjährung aus

Die "Leitentscheidung" 4 Ob 73/03v des OGH vermochte es nicht, die Rechtsprechung der Untergerichte zu vereinheitlichen - bereits drei Berufungssenate teilen nicht die Ansicht des OGH.

In einer aktuellen Entscheidung des OLG Wien bekräftigte das Berufungsgericht abermals die 30-jährige Verfristung des Bereicherungsanspruchs auf Rückzahlung zuviel geleisteter Zinsen (vgl bereits OLG Wien 19.1.2004, 4 R 207/03w, VRInfo 3/2004 sowie LG Eisenstadt, 13 R 300/03w, VRInfo 5/2004).

Das von einem Verbraucher mit Rechtsschutz-Deckung geführte Verfahren betrifft zwei Kreditverhältnisse mit der BAWAG, welche im Jahre 1993 begründet wurden. Einer der Kredite wurde im Jahre 2001 getilgt, der zweite Kredit war zum Zeitpunkt der Urteilsfällung noch nicht gänzlich rückgeführt. Die variable Zinsanpassung der Bank gestaltete sich vornehmlich derart, den Zinssatz der Kredite ab 1993 unverändert zu lassen, obwohl bekanntlich das Zinsniveau ab diesem Zeitpunkt kontinuierlich - und insb beträchtlich - gefallen ist.

Das HG Wien als Erstgericht bestätigte in einem Teilurteil den Anspruch des Kreditnehmers einerseits - in Hinblick auf den bereits rückgeführten Kredit - auf Rückzahlung der zuviel bezahlten Zinsen dem Grunde nach. Ebenso gab das Erstgericht dem Feststellungsbegehren bezüglich des noch laufenden Kredites statt, dass per 31.12.2000 ein geringerer als der von der Bank festgelegte Saldo aushaftet. Hinsichtlich der Höhe des Rückforderungsanspruches bzw. des Feststellungsbegehrens äußerte sich das Erstgericht nur allgemein, dass unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu ermitteln sei, wie weit der vereinbarte Zinssatz zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über bzw. unter dem zu dieser Zeit geltenden marktüblichen Zinsen für vergleichbare Kredite gelegen ist. Dieser Auf- bzw. Abschlag sei anschließend auf die gesamte Vertragslaufzeit anzuwenden.

Das OLG Wien gab der Berufung der Bank nicht Folge und bestätigte das Ersturteil. Die klagsgegenständliche Zinsanpassungsklausel entsprach jener, welche der OGH in E 4 Ob 73/03v für nichtig erklärte. Dieser Meinung schloss sich auch das OLG Wien an und verneinte damit eine zwischenzeitlich in der Lehre aufgetauchte Minderheitenmeinung (Madl, ÖBA 3002, 724).

Durch den Umstand, dass die Bank in beiden Krediten seit 1993 keine Zinssatzsenkungen trotz sinkendem Zinsniveau vorgenommen hatte, sei es evident, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Zinssatzsenkung nicht nachgekommen sei. Im Rahmen der vom Erstgericht in Aussicht gestellten Nachrechnungsmethode des Kredites sprach das OLG Wien ausdrücklich aus, dass richtigerweise für den von der Bank monierten "Gestaltungsspielraum" kein Platz sei.

Die vom OGH erkannte 3-jährige Verjährungsfrist sei im gegenständlichen Fall nicht anwendbar, so das OLG Wien. Einerseits sei im Gegensatz zur OGH-Entscheidung gegenständlich kontokorrentmäßige Abrechnung vereinbart, zum anderen werde das Klagebegehren auch auf Schadenersatz gestützt. Eine analoge Anwendung von § 27 Abs 3 MRG könne nur dazu führen, dass die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren jedenfalls nur für regelmäßig wiederkehrende Leistungen in Frage kommen kann, nicht jedoch für "sonstige" einmalige Rückforderungsansprüche.

Da bei unterlassener Zinssatzsenkung erst zu Ende der Kreditlaufzeit vom Kreditnehmer zu hohe Leistungen erbracht werden, resultiere daraus kein Anspruch auf eine regelmäßig wiederkehrende Leistung, weshalb klagsgegenständlicher Anspruch nicht mit überhöhten Mietenzahlungen vergleichbar sei und somit die regelmäßige 30-jährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme. Ausdrücklich hielt das OLG Wien fest, dass eine Bereicherung der Bank erst mit "Überzahlung" des Kredites eintritt und zuvor dem Kreditnehmer lediglich ein Anspruch auf Berichtigung der Verrechnung zusteht.

Weiters seien sowohl der Bereicherungs- als auch der Schadenersatzanspruch - unter ausdrücklicher Ablehnung der Ansicht Madls (aaO) - kontokorrentgebunden, weshalb die Fälligkeit erst mit Ende des Kontokorrentverhältnisses eintritt.

Als Beginn des zuerkannten Schadenersatzanspruches betrachtete das OLG Wien den Zeitpunkt des Vorliegens der Nachrechnung des Kredites für maßgeblich, da der Kreditnehmer erst zu diesem Zeitpunkt mit hinreichender Deutlichkeit Kenntnis von Schaden (!) und Schädiger erlangte.

OLG Wien 19.4.2004, 1 R 15/04i
Klagevertreter: Dr. Langer und Dr. Anne Marie Kosesnik-Wehrle, Wien

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