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Urteil: "Zinsenstreit"

Das LG Eisenstadt folgt - in einem Musterprozess des VKI (im Auftrag des BMSG) dem OGH bei seinen Argumenten zur kurzen Verjährungsfrist nicht und geht von dreißigjähriger Verjährungsfrist für Rückerstattung überhöhter Kreditzinsen aus. Es ist zu hoffen, dass der OGH bald in einem "verstärkten Senat" Klarheit schafft.

Nach dem Oberlandesgericht Wien stellt sich nunmehr auch das Landesgericht Eisenstadt in einem Musterprozess des VKI - im Auftrag des BMSG - gegen die umstrittene Judikaturlinie des OGH, wonach - in Analogie zum Mietrecht und zum Kleingartengesetz - die Rückforderungsansprüche von Kreditnehmern gegen die Bank auf zuviel bezahlte Zinsen binnen drei Jahren verjähren sollen. Das LG Eisenstadt argumentiert insbesondere mit der Vielzahl von kritischen Stimmen in der Lehre (Graf, Beclin, Leitner, ...) und spricht sich gegen diese weit hergeholte Analogie aus. Während es rund um die Frage der Höhe des Mietzinses nach längerer Zeit Beweisprobleme geben könne (Zeugen erinnern sich verschieden über die Ausstattung der Wohnung bei Bezug), fallen diese bei der Rückforderung von zuviel bezahlten Zinsen weg: Die Gegebenheiten des Kapitalmarktes sind gut dokumentiert und im Nachhinein feststellbar. Während bei überhöhten Mietzahlungen regelmäßig wiederkehrend zuviel geleistet wird, kommt ein Rückforderungsanspruch für zuviel bezahlte Kreditzinsen erst am Ende des Kreditvertrages zustande, wenn der Kreditnehmer mehr Ratenzahlungen erbringt, als er bei richtiger Berechnung der Zinsen zahlen müsste. Es bedarf daher auch keines besonderen Schutzes der Bank vor dem Aufsummieren von Forderungen.

Im vorliegenden Fall hatte die Bank der burgenländischen Kreditnehmerin im Jahr 1990 zwei Kredite über zusammen rund 350.000,- ATS (= rund 25.500 Euro) eingeräumt. Es waren variable Zinsen vereinbart; im Vertrag fand sich eine unbestimmte Zinsanpassungsklausel, die sehr allgemein auf Geld-, Kredit- und Kapitalmarktverhältnisse abstellte. Während die Zinsen auf Geld- und Kapitalmarkt ab 1993 bis 1997 systematisch sanken, führte die Bank aus eigenem keine Zinssenkung durch. Die Klausel im Vertrag wurde vom Erstgericht als unwirksam angesehen. Die Kontrolle der Kredite anhand der neuen Zinsgleitklausel der Bank (Sekundärmarktrendite-VIBOR/Halbe) ergab eine Überzahlung von 6.717 Euro. Diesen Betrag hat das Erstgericht zugesprochen. Die beklagte Bank argumentierte in der Berufung, der Anspruch sei bereits verjährt. Das Berufungsgericht sah das nicht so. Die ordentliche Revision an den OGH wurde zugelassen.

Der OGH hatte im Sommer 2003 in einigen Fällen Ansprüche auf Rückerstattung von Zinsen abgelehnt, weil diese Forderungen seiner Ansicht nach nach drei Jahren bereits verjährt waren (siehe VRInfo 9/2003 und VRInfo 10/2003). Der OGH argumentierte damals, dass die Banken und die Gerichte vor einer Flut von Klagen zu schützen seien. Diese Entscheidungen wurden von der Lehre heftig kritisiert und widerlegt. Eine Reihe von Untergerichten - nach dem HG Wien (siehe VRInfo ), dem OLG Wien (siehe VRInfo ) nun auch das LG Eisenstadt - haben sich in ihrer Judikatur klar gegen die Meinung des OGH gestellt.

Es ist zu hoffen, dass der OGH in einem verstärkten Senat nochmals alle Argumente bedenkt und - im Interesse von Kreditnehmern, aber auch Banken - rasch Klarheit schafft."

Die Gelegenheit dazu besteht für den OGH seit rund eineinhalb Jahren. Solange liegt nämlich ein anderer Musterprozess des VKI (im Auftrag von Minister Haupt geführt) beim OGH zur Entscheidung.

Aktuelle Informationen zum Zinsenstreit finden Kreditnehmer auch auf der Web-Site www.verbraucherrecht.at.

LG Eisenstadt 11.12.2003, 13 R 300/03w
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Klagevertreter: RA Dr. Alexander Klauser, Wien

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