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Urteil: Zum Begriff "behördliche Auflagen" in Allgemeinen Versicherungsbedingungen

Laut Versicherungsbedingungen waren bei einer Sturmversicherung Mehrkosten auf Grund behördlicher Auflagen mitversichert. In einem Deckungsprozess gegen einen Versicherer ging es um die Frage, was unter "behördlicher Auflagen" zu verstehen ist.

In den "Ergänzungen bzw Erweiterungen zu den Allgemeinen Bedingungen" vereinbarten Besonderen Bedingungen Nr 9539 des beklagten Versicherers wurde auch für die Sturmversicherung als Ergänzung ua folgende Klausel festgelegt: "Mehrkosten auf Grund behördlicher Auflagen sind mitversichert und gelten für die in der Versicherungsurkunde angeführten Positionen Gebäude und/oder Inhalt (Betriebseinrichtung). Als Mehrkosten gelten jene Kosten, die auf Grund behördlicher Auflagen nach einem ersatzpflichtigen Schaden die Kosten der Wiederherstellung von Gebäuden und/oder Betriebseinrichtungen in den ursprünglichen Zustand überschreiten."

Bei einem Hagelunwetter, einer in der Sturmversicherung versicherten Gefahr, wurde eine im Dachbereich des Betriebsgebäudes des Versicherungsnehmers fix montierte mitversicherte Lichtkuppel beschädigt; zu diesem Zeitpunkt bestand in diesem Bereich keine Absturzsicherung. Die Lichtkuppel selbst wurde wiederhergestellt und die Kosten hiefür wurden vom beklagten Versicherer ersetzt. Die Kosten für die Anbringung einer Absturzsicherung wurden vom beklagten Versicherer nicht gedeckt. Dem Versicherungsnehmer wurde die Anbringung einer Absturzsicherung im Bereich der Lichtkuppel von einer (Verwaltungs-)Behörde bislang nicht vorgeschrieben.

Der Versicherungsnehmer argumentierte, dass der Versicherer auch die Kosten für eine anders als zur Zeit der Ersterrichtung nunmehr zwingend aufgrund der Bauordnung, der ÖNorm B3417 und der Bauarbeiterschutzverordnung für Dacharbeiten vorgeschriebene Absturzsicherung im Bereich der Lichtkuppel zu ersetzen habe.

Der OGH verneinte die Deckungspflicht des Versicherers: Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Dementsprechendes hat auch für die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendeten Rechtsbegriffe zu gelten.

Der Begriff "behördliche Auflage" ist in der Verwaltungsrechtslehre und -praxis dahin zu verstehen ist, dass er durch einen individuellen Verwaltungsakt auferlegte Lasten meint. Es ist auch für einen durchschnittlichen, nicht juristisch gebildeten Versicherungsnehmer verständlich, dass allgemeine gesetzliche Verpflichtungen und ihm konkret "auferlegte" Lasten nicht gleichgesetzt werden können, und dass der Versicherer nur Letztere nach einem ersatzpflichtigen Schaden - zusätzlich zu den gedeckten Kosten der Wiederherstellung von Gebäuden bzw Betriebseinrichtungen in den ursprünglichen Zustand - in Deckung genommen hat.

OGH 22.1.2020, 7 Ob 153/19d

Das Urteil im Volltext.

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