Zum Inhalt

Urteil: Zur Sittenwidrigkeit von von Bürgschaften unter Geschwistern

Emotionale Zwangslage bei großjährigen Geschwistern weniger eindeutig als bei Ehegatten und Lebensgefährten.

Von drei Brüdern wollte einer ein Auto kaufen, seine anderen beiden Brüder traten gegenüber der finanzierenden Bank als Bürgen und Zahler auf. Der Kaufpreis war mit rund S 400.000,-- nicht gerade billig. Die Rückzahlung des Kredites durch den Autokäufer erfolgte schleppend und schlussendlich wurde ein offener Kreditbetrag von rund S 300.000,-- fällig gestellt. Dieser Betrag wurde nun auch gegen die Bürgen und Zahler eingeklagt.

Der vom VKI vertretene Bruder hatte zum Zeitpunkt seiner Unterschrift als Bürge und Zahler ein Nettoeinkommen von rund S 12.000,--, unter Abzug eines Eigenkredits und der Wohnungskosten blieben ihm rund S 800,-- zur Deckung seines monatlichen Lebensaufwandes. Im Verfahren wurde daher die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft eingewandt.

Das Erstgericht gab der Klage statt, die 2.Instanz wies die Klage ab und erklärte die ordentliche Revision für unzulässig. Aufgrund einer außerordentlichen Revision hat der OGH der Klage aber nunmehr doch stattgegeben.

Der OGH befasst sich in seiner Entscheidung ausführlich mit der Vorjudikatur und den dazu in der Lehre geäußerten Rechtsmeinungen. Im konkreten Fall sieht er im Verhältnis der Leistungsfähigkeit des beklagten Bruders zur Gesamtverpflichtung von rund S 400.000,-- noch nicht jenes krasse Missverhältnis, das eine Sittenwidrigkeit bedingen würde. Der OGH errechnet (unter Einrechnung des 13. und 14. Monatsbezuges) einen Betrag von S 2.800, der zur Deckung des sonstigen Lebensaufwandes überbleibe. Er betonte auch, dass die Kreditbelastung des Bruders während der Laufzeit des Kredites, für den er gebürgt hat, wegfallen würde. Darüber hinaus habe der Hauptschuldner mit einem monatlichen Nettoeinkommen von S 5.000,-- nach Abzug fixer Leistungsverpflichtungen inkl. der Kreditrückzahlung und ein weiterer Bruder (ohne weitere Sorgepflichten und Wohnungskosten) mit einem monatlichen Nettoeinkommen von S 13.000,-- keine baldige Inanspruchnahme der Mithaftung des Beklagten nahegelegt.

Schließlich setzte sich der OGH mit der Frage der familiären Bindung und der daraus allenfalls entstehenden emotionalen Zwangslage auseinander.

Er führt aus, dass jene Grundsätze, die im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern einerseits und Lebenspartnern - gleichviel ob als Ehegatten oder Lebensgefährten - andererseits gelten, sich nicht ohne weiteres auf die Beziehung erwachsener Geschwister übertragen lassen. Wohnen solche Geschwister - wie hier - räumlich getrennt in voneinander unabhängigen familiären und beruflichen Lebensbereichen, wird eine solche Gestaltung der Lebensumstände gewöhnlich von einer Lockerung persönlicher Kontakte und emotionaler Bindungen begleitet. Deshalb fallen erwachsene Geschwister rationale wirtschaftliche Entscheidungen viel leichter als Lebenspartnern, aber auch Kindern, die sich dem Einflussbereich ihrer Eltern noch nicht durch eine Verselbständigung ihrer familiären und beruflichen Existenz entzogen haben. In derartigen Fällen mangelt es demzufolge an einer beruflichen Abhängigkeit des Interzedenten vom Kreditnehmer und regelmäßig auch an einer solchen engen gefühlsmäßigen Bindung an letzteren, die erst die zur Verdünnung der Entscheidungsfreiheit führende seelische Zwangslage schaffen könne.

So bedauerlich die Entscheidung im Einzelfall ist, schafft sie doch weitere Kriterien für die Prüfung der Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften.

OGH 30.6.1998, 1 Ob 87/98w

Volltextservice

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Unzulässige Gebühren der Unicredit

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die UniCredit BAnk Austria AG wegen mehreren Gebühren geklagt. Das OLG Wien hat fast alle der eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Ist eine Leistungsbeschränkung für das Krankentagegeld in den Bedingungen für eine Krankengeldversicherung nicht unter der Überschrift „Leistungsvoraussetzungen“, sondern im Kapitel „Beendigung der Versicherung“ enthalten, ist sie ungewöhnlich und damit unwirksam.

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Der VKI hatte die ARAG SE Direktion für Österreich wegen drei Ausschlussklauseln in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2020) geklagt. Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH war nur noch eine Klausel davon, nämlich die sog Hoheitsverwaltungsklausel.

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Der VKI hatte die UNIQA Österreich Versicherungen AG geklagt. Inhalt der Klage waren 18 Klauseln aus den AVB für Lebensversicherungen. Während der VKI bereits in den Unterinstanzen die Mehrzahl der Klauseln rechtskräftig gewonnen hatte, waren noch drei Klauseln Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH. Der OGH bestätigte nun auch die Gesetzwidrigkeit dieser Klauseln.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang