Eine gegen die guten Sitten verstoßende "schleichende Zinssatzerhöhung" diagnostizierte das Handelsgericht Wien in drei gegen Banken ergangenen Urteilen. Anlass sind vom VKI im Auftrag des BMJ geführte Verbandsklagsverfahren gegen Banken (PSK, Bank Austria und Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien). Auch die CA war abgemahnt worden. In der Folge wurde - im Hinblick auf die Fusion mit der Bank Austria - vereinbart, dass ein gegen die Bank Austria ergehendes Urteil auch gegen die CA wirksam sein soll.
Immer schön aufgerundet
Die Ursache für diese schleichende Zinssatzerhöhung ist eine Aufrundungsregelung in den von den Banken seit März 1997 verwendeten Zinsgleitklauseln. Nach diesen Regelungen ist der Zinssatz des Kredits an bestimmte Geld- und Kapitalmarktindikatoren gebunden. Entsprechend der Änderung dieser Indikatoren wird der Kreditzinssatz periodisch angepasst. Das Ergebnis dieser Anpassung wird jeweils auf volle Achtel-Prozentpunkte aufgerundet. Die nächste Anpassung erfolgt dann auf der Basis des aufgerundeten Zinssatzes, wobei es zu einer neuerlichen Aufrundung kommt. Nach Berechnungen des VKI kann der Schaden aus einer derartigen "Aufrundungsspiralen" bei einem Kredit in der Höhe von 1 Million Schilling (knapp 73.000 Euro) nach einer Laufzeit von 10 Jahren rund 100.000 Schilling (knapp 7300 Euro) betragen.
Gericht: keine sachliche Rechtfertigung
Die Richter des HG Wien gehen davon aus, dass es keine sachliche Rechtfertigung dafür gäbe, dass durch die Rundungsregel eine schleichende Zinssatzerhöhung in Gang gesetzt werde. Zumal eine solche etwa durch kaufmännisches Runden bzw. durch Berechnung neuer Werte auf Basis der ungerundeten Vorwerte vermieden werden könnte. Die Klausel sei sachlich nicht gerechtfertigt, verstoße gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und sei nichtig.
Die Banken dürfen daher zum einen diese Klauseln künftig nicht mehr verwenden. In der Praxis wurde - im Lichte der Verfahren - die Verwendung und Anwendung der Aufrundungsklauseln bereits eingestellt. Strittig blieb aber, ob die Banken auch alle bereits vergebenen Kredite nachträglich berichtigen müssen. Das HG Wien hat in seinen sensationellen Entscheidungen (insbesondere gegen PSK und RLB NÖ-Wien) festgehalten, dass die Banken
- die bislang zuviel verrechneten Zinsen in Form einer Gutschrift rückzuerstatten müssen,
- die infolge wiederholter Aufrundung überhöhten Zinssätze entsprechend senken müssen.
PSK will nichts rückerstatten
Es zeigt sich, dass es Sinn macht, sich nicht vorschnell auf "faule Kompromisse" einzulassen. Die PSK war nämlich nach der Abmahnung durch den VKI zwar bereit, die Aufrundungsregelung für Neuverträge nicht mehr zu verwenden. Sie lehnte es aber ab, die bei Altverträgen bislang zu Unrecht vereinnahmten Zinsen an ihre Kunden rückzuerstatten und die überhöhten Zinssätze zu senken. Die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien unterzeichnete sogar eine entsprechende Unterlassungserklärung, weigerte sich aber in der Folge auch, sich bei Altverträgen nicht auf die Klausel zu berufen. Bank Austria und CA waren auch nur zur Korrektur für die Zukunft bereit.
Diese Judikatur ist ein Schritt in eine ganz neue Richtung: Eine Verbandsklage führt nicht nur zur Klärung für die Zukunft, sondern schafft die Basis, dass geschädigte Kunden von der Bank - ohne Aufforderung oder gar Klagen - die Zinsabrechnung berichtig bekommen müssen.
Auch andere Klauseln strittig
In der Verbandsklage gegen die Bank Austria wurde auch noch andere Klauseln inkriminiert: Eine Klausel zur Überwälzung aller aktuellen und künftigen Kosten wurde ebenfalls für nichtig erklärt. Drei Klauseln zur vorzeitigen Aufkündigung des Kreditvertrages durch die Bank wurden dagegen als gesetzesgemäß angesehen. Dagegen wird der VKI Berufung ergreifen.
Die Urteile sind nicht rechtskräftig.