Die amerikanische "class action" wird häufig mit "Sammelklage" übersetzt. Genau das ist aber die "Sammelklage" des VKI nicht. Während in den USA idR Anwälte (gegen Erfolgshonorar) "class actions" organisieren und damit - ohne ausdrücklicher Zustimmung - auch für Geschädigte tätig werden, die ihren Fall nicht aktiv herausreklamieren, entspricht das Klagsmodell des VKI viel mehr dem "Sammeln" von Anspruchsstellern. Es wird - idR unter Beiziehung eines Prozesskostenfinanzierers - geschädigten Konsumenten angeboten, dass diese ihre Ansprüche an den VKI zum Inkasso abtreten und der VKI diese Ansprüche "gesammelt" (in Form einer Klagshäufung nach § 227 ZPO) einklagt. Eine Entscheidung wirkt daher auch nur für die, die an der Klage - eben durch Abtretung ihrer Ansprüche - teilnehmen.
Sammelklagen gegen Reiseveranstalter
Im Jahr 2001 wurden die Ansprüche von rund 100 Reisenden, die in einem Ferien-Club einer Brechdurchfall-Epidemie (wahrscheinlich in Folge verdorbener Speisen oder Getränke) zum Opfer gefallen waren, gegen einen Reiseveranstalter geltend gemacht. Dieser hatte den Reisenden - die zum Teil den ganzen Urlaub und danach das Bett hüten mussten - zunächst aussergerichtlich nur einen geringen Geldausgleich bzw Gutscheine angeboten. Im Lichte der Sammelklage kam es zu einem gerichtlichen Vergleich; die Reisenden bekamen über 50 % ihrer berechtigten Ansprüche.
Seither hat der VKI immer wieder - kleinere - Sammelklagen gegen Reiseveranstalter organisiert; eine solche Klage ist derzeit bei Gericht anhängig.
Sammelklagen gegen Banken ("Zinsenstreit")
Der Streit um unbestimmte Zinsanpassungsklauseln in Verbraucherkrediten und daher zuviel verrechnete Kreditzinsen geht auch auf das Jahr 2001 und früher zurück. Während insbesondere die Institute des Sparkassensektors sowie die Bank Austria mit den Konsumentenschützern aussergerichtliche Vereinbarungen über Rückzahlungen geschlossen haben, will insbesondere die BAWAG diese Rechtsfragen gerichtlich geklärt sehen.
Das Ergebnis: Eine Welle von Sammelklagen des VKI und der Arbeiterkammern; letztlich auch deshalb, da der OGH die Fachwelt damit übnerrascht hatte, dass Rückforderungsansprüche - analog zum Wohnrecht - binnen 3 Jahren verjähren.
Diese Sammelklagen sind bei den Gerichten anhängig. Der VKI konnte unlängst in den ersten beiden Sammelklagen des Sommers 2001 beim OLG Wien punkten: Die Ansprüche sind nicht - wie die Bank behauptet hat - verjährt.
Diese Verfahren schleppen sich dahin. Das liegt aber nicht an der großen Zahl von Anspruchsstellern, sondern insbesondere daran, dass sich die BAWAG auf Verjährung berufen hat und die damit zusammenhängenden Rechtsfragen von den Gericht - mit viel Aufwand - vorweg zu klären waren.
Sammelklage wegen irreführender Werbung
Im Namen von rund 15 Geschädigten führt der VKI gegen einen Vertrieb von Magnetfeld-Geräten eine Sammelklage wegen Irreführung durch unlautere Werbung. Das Unternehmen hatte Therapie von Krankheitsbildern versprochen, aber keine Studien vorlegen können. Das Unternehmer ist heute insolvent.
Sammelintervention wegen teurem Computer-Lehrgang
Ein Anbieter eines Computer-Lehrganges lockte Konsumenten - in Hinterzimmern von Gasthäusern - zu überteuerten Computer-Kursen. Der VKI intervenierte für über 100 Geschädigte und konnte - im Lichte der Drohung mit einer Sammelklage - einen guten aussergerichtlichen Vergleich erzielen. Das Unternehmen hat seine Marketing-Methoden deutlich geändert.
Sammelintervention wegen falscher Anlageberatung
Immobilienbeteiligungen wurden als "so sicher wie ein Bausparvertrag" vertrieben. Daher war nach 10 Jahren bei Absichtung der ersten Beteiligungen die Überraschung groß, dass das Kapital - insbesondere auch infolge der Investition in "Argentinien-Anleihen" - weniger statt mehr geworden war. Der VKI intervenierte für hunderte Geschädigte beim Finanzvermittler und konnte einen guten aussergerichtlichen Vergleich erzielen.
Sammelklagen wegen Anlagebetrug
Der VKI steht - im Auftrag des BMSG - auch den Geschädigten des WEB-Bautreuhand-IMMAG-Skandals als Kläger zur Verfügung. Das Prozesskostenrisiko wird von AdvoFin abgedeckt. Dieser mit rund 3200 Anspruchstellern wohl größte Zivilprozess der 2. Republik ist derzeit gegen die Salzburger Sparkasse am Landesgericht Salzburg angängig. Leitende Mitarbeiter waren zuvor rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden; nun soll die Bank für ihre Mitarbeiter einstehen.
Sammelklage - eine Reaktion auf geänderte Strategien auf Unternehmerseite
Der VKI führt - im Auftrag des BMSG - seit über 10 Jahren Musterprozesse. Während es früher üblich war, dass man einen Testfall ausjudizierte und der beklagte Unternehmer dann auch bereit war, in allen vergleichbaren Fällen Zahlung zu leisten, ist es heute häufig so, dass ein Unternehmer bei der Abwehr von Ansprüchen sich auch auf die Verjährung beruft bzw nicht bereit ist, in allen anhängigen Fällen einen Verjährungsverzicht abzugeben, um einen Musterprozess zu ermöglichen.
Nun hat es andererseits keinen Sinn, einen Musterprozess zu führen und nach 3 ½ Jahren den geschädigten Konsumenten mitzuteilen, dass sie Recht bekommen hätten, wenn sie nur rechtzeitig geklagt hätten.
Das WEB-Verfahren führt diese neue Strategie der Unternehmer klar vor Augen. Die Salzburger Sparkasse war weder aussergerichtlich (vor Prozess) noch im Hauptprozess bereit, einige wenige Fälle als Musterprozess auszujudizieren und anderen Verfahren (kostensparend) ruhen zu lassen. Sie setzt damit auf ihre wirtschaftliche Macht. Zu einer (kostendämpfenden) Streitwertvereinbarung war die Salzbuerger Sparkasse nur unter der Bedingung bereit, dass die Kläger auf Teile Ihrer Ansprüche endgültig verzichten.
Auf dieses geänderte Verhalten von Unternehmern ist die Sammelklage die einzig mögliche Antwort, wenn man Ansprüche von Verbrauchern effektiv durchsetzen will.