Die Klägerin hat in den Jahren 2011 bis 2015 bei verschiedenen Händlern insgesamt 26 vom Abgasskandal betroffene Fahrzeuge aus dem VW-Konzern gekauft. Im September 2018 schloss sie sich dem Strafverfahren gegen VW als Privatbeteiligte an und forderte in einem Eventualbegehren einen pauschalierten Schadenersatz in Höhe von
€ 5.500,-- je Fahrzeug. In weiterer Folge brachte die Klägerin eine Zivilklage ein und meinte, sie hätte um mindestens 20% zu viel für die Fahrzeuge bezahlt. VW wandte Verjährung ein.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Verjährung ab. Das Berufungsgericht bestätigte die Verjährung des je € 5.500,-- übersteigenden Teil des begehrten Schadensersatzes. Bis zu einem Betrag von € 5.500,-- kam es aufgrund des Privatbeteiligtenanschlusses zu einer Unterbrechung der Verjährung.
Die Klägerin vertrat den Standpunkt, dass ihre Ansprüche nach § 1489 Satz 2 ABGB einer dreißigjährigen Verjährung unterliegen.
Der OGH setzte sich folgendermaßen damit auseinander: Grundsätzlich gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist nach §1489 satz 2 zweiter Fall ABGB dann, wenn der Ersatzanspruch aus einer gerichtlich strafbaren Handlung stammt, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Eine strafrechtliche Verurteilung ist dafür nicht notwendig. An ein strafrechtliches Urteil wäre das Zivilgericht auch nicht gebunden. Ein:e Geschädigte:r kann daher auch ohne strafrechtliche Verurteilung im Zivilverfahren das Vorliegen einer qualifizierten strafbaren Handlung iSd §1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB behaupten und beweisen.
Im konkreten Fall wären die Ansprüche der Klägerin dann nicht verjährt, wenn der Nachweis gelingt, dass der vorgebrachte Schaden aus einer mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung eines Organs von VW entstanden ist.
Für diese Beurteilung reicht der festgestellte Sachverhalt nicht aus. Es werden konkrete Feststellungen dazu zu treffen sein, welchen Organen die Klägerin welches strafbare Verhalten vorwirft, wie dieses allenfalls strafrechtlich zu qualifizieren ist sowie ob bereits ein strafrechtliches Urteil vorliegt. Sollte der Beweis gelingen, wären die Klageforderungen nicht verjährt.
Betreffend den durchgeführten Privatbeteiligtenanschluss führt der OGH aus, dass die Unterbrechung der Verjährung nur hinsichtlich der tatsächlich geltend gemachten Ansprüche schlagend wird. Ist die Schadenersatzforderung bereits bezifferbar, dann muss auch die Höhe schon in der Anschlusserklärung angegeben sein, um eine Unterbrechungswirkung für die gesamte Forderung zu erhalten.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass es zu einer Verjährungsunterbrechung für den im Privatbeteiligtenanschluss begehrten Schadenersatz von pauschal € 5.500,-- pro Fahrzeug gekommen ist, wird vom OGH bestätigt.
Das Teilurteil des Berufungsgerichts wurde aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
OGH 25. Jänner 2022, 8 Ob 28/21g
Klagevertreter: Mag. Eric Breiteneder, Rechtsanwalt in Wien