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VW Abgasskandal: VW haftet auch für Skoda

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Deutschland bestätigt eine Haftung von VW auch für Fahrzeugmodelle von Tochtergesellschaften, in die der von VW hergestellte Motor des Typs EA189 eingebaut wurde. VW trifft die sekundäre Darlegungslast über die internen Abläufe und Entscheidungen den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung betreffend.

Der Kläger erwarb im August 2013 einen gebrauchten Skoda um
€ 21.500,-. Im Fahrzeug war der vom Abgasskandal betroffene Motor des Typs EA189 verbaut. Der Kläger begehrte von VW als Hersteller des Motors die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs.

Der BGH stimmte den Urteilen der Vorinstanzen nicht zu. Die Klage war vom Landgericht abgewiesen worden und auch die Berufung des Klägers war nicht erfolgreich gewesen.

Laut BGH ist das Verhalten der für VW handelnden Personen im Verhältnis zum Kläger als sittenwidrig zu qualifizieren. Für das Ergebnis ist nicht relevant, dass es im Fall um einen Skoda geht und VW das Fahrzeug nicht in den Verkehr gebracht, sondern den eingebauten Motor hergestellt und an die Tochtergesellschaft veräußert hat. Es ist nämlich auch als sittenwidrig zu beurteilen, wenn ein Motorenhersteller einen Motor auf der Grundlage einer für das Unternehmen getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse mit einer unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typengenehmigungsbehörde abziehlenden und eigens zu diesem Zweck entwickelten Steuerungssoftware ausstattet und diesen Motor im Bewusstsein in den Verkehr bringt, dass er von dem Erwerber in ein Fahrzeug verbaut und dieses an einen arglosen Käufer veräußert werden wird.

Ein solches Verhalten steht wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Person gleich, die ein mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug ohne Wissen darüber und vor Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft hat.

Dem steht auch das Argument des Berufungsgerichts nicht entgegen, welches  meinte, ein Anspruch aus § 862 BGB würde schon deshalb ausscheiden, weil der Kläger nicht beweisen konnte, dass der Vorstandsvorsitzende von VW den deliktischen Tatbestand verwirklicht hat.

Laut BGH trägt grundsätzlich derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Geht es um eine juristische Person hat der Anspruchsteller dementsprechend zu beweisen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungenn des § 826 BGB verwirklicht hat.
Das ändert sich jedoch, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In diesem Fall trifft den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast. Genügt er dieser nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach §138 Abs 3 ZPO als zugestanden.

Allein der Umstand, dass der damalige Vorstandsvorsitzende von VW zunächst als Zeuge geladen wurde, bevor er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 384 Nr 2 ZPO berief und wieder abgeladen wurde, entbindet VW nicht von der sekundären Darlegungslast hinsichtlich des Verhaltens und der Kenntnis des Vorstands betreffend den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung.

Der außerhalb des maßgeblichen Geschehens stehende Geschädigte wäre sonst schutzlos gestellt, wenn er ausreichende Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten einer der handelnden Personen vortragen kann, diese Person aber naturgemäß wegen der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung als Zeuge nicht zur Verfügung steht. Das ist mit der aus den verfassungsrechtlich geschützten Rechten auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz folgenden Verpflichtung zu einer fairen Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten nicht zu vereinbaren.

Darüber hinaus stellt der BGH klar, dass es im Bezug auf den Schädigungsvorsatz ausreicht, wenn der relevanten Person bewusst war, dass in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge niemand, ohne einen erheblichen Abschlag vom Kaufpreis, ein solches Fahrzeug erwerben würde.

Das Berufungsurteil wurde aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

BGH 27. Juli 2021 VI ZR 151/20

 

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