Zum Inhalt

VW: Informationen zum Strafverfahren

Stand Februar 2022: Ermittlungsverfahren laufend. In Österreich wurde noch keine Anklage erhoben.

Privatbeteiligtenanschluss im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den VW-Konzern wird seit Anfang 2016 von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), nunmehr unter der  Aktenzahl 22 St 7/18h, geführt. Die WKStA ermittelt wegen des Verdachts des schweren Betrugs, der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt sowie der Abgabenhinterziehung gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Martin Winterkorn und nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz gegen die Volkswagen AG (VW).

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ist ein öffentlich-rechtliches Verfahren bei dem primär nicht über Ansprüche wie z.B. Schadenersatz entschieden wird. Als Kläger tritt nicht die geschädigte Person (oder der VKI) sondern der Staat auf, vertreten durch die Staatsanwaltschaft (bzw. bei Wirtschaftsdelikten die WKStA).


Warum ist die Anmeldung als Privatbeteiligte:r im Strafverfahren sinnvoll?

1.) Verjährung der Rechtsansprüche: 

Rechtsansprüche von Privatbeteiligten können während eines aufrechten Strafverfahrens grundsätzlich nicht verjähren. Der VKI vertritt die Ansicht, dass diese Verjährungshemmung auch für Schadenersatzansprüche der Fahrzeugkäufer:innen mit dem Motor EA189 gilt. Achtung: Diese Rechtsfrage ist in der Causa VW noch nicht abschließend geklärt. Eine Verjährungshemmung kann nicht für alle Fallkonstellationen mit Sicherheit beurteilt werden.

2.) Mögliche Entschädigung:

Kommt es zu einer Verurteilung im Strafverfahren, könnte das Gericht den angeschlossenen Privatbeteiligten theoretisch Entschädigungsansprüche zusprechen. Eine Verpflichtung des Gerichts über Schadenersatzansprüche von Privatbeteiligten zu entscheiden gibt es aber nicht. Das Gericht kann die Privatbeteiligten auch auf den Zivilrechtsweg verweisen. In diesem Fall müssten die Ansprüche, nach einer strafrechtlichen Verurteilung, selbst mit einer eigenen Klage verfolgt und durchgesetzt werden.


Zum bisherigen Verlauf des Strafverfahrens:

  • Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den VW-Konzern wird seit Anfang 2016 von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geführt. Die WKStA ermittelt wegen des Verdachts des schweren Betrugs, der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt und der Abgabenhinterziehung.
  • Im November 2016 hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig in Deutschland die WKStA ersucht, ihr die weitere Strafverfolgung, Österreich betreffend, zu übertragen. Dem entsprach die WKSTA und blieb selbst weitgehend untätig. Dies wurde vom VKI erfolgreich bekämpft: Im Juni 2017 hat die WKStA die Ermittlungstätigkeit gegenüber VW daher wieder übernommen.
  • VW wurde in Deutschland von der Staatsanwaltschaft Braunschweig im Juni 2018 zu einem Bußgeld (inklusive Abschöpfung der wirtschaftlichen Vorteile) von einer Milliarde Euro verurteilt. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft machte klar, dass sie die Verantwortung für den Dieselskandal in der Unternehmensführung sieht. VW akzeptierte dieses Bußgeld und bekämpfte den Bescheid nicht.
  • Die WKStA dehnte im August 2018 nach Anregung des VKI die Ermittlungstätigkeit auf mögliche Straftaten von Mitarbeiter:innen des VW-Konzerns im Zeitraum 2008 bis 2015 aus. Das Ermittlungsverfahren wird derzeit gegen 5 Beschuldigte (uA gegen einen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz gegen die Volkswagen AG) geführt. Weiters wurden rund 50 Personen und weitere Unternehmen angezeigt.
  • Im März 2019 schloss der VKI weitere Teilnehmer:innen im Strafverfahren an. Insgesamt nutzten damit seit 2016 rund 12.000 Personen die Unterstützung des VKI zur Anmeldung ihrer Ansprüche im Strafverfahren gegen VW.
  • Die Finanzprokuratur schloss sich in ihrer Funktion als “Anwältin der Republik Österreich” als Privatbeteiligte dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (mit mindestens 2,6 Millionen Euro Schaden aus Leasingverträgen) gegen Volkswagen an. Ende Dezember 2019 erzielte die Finanzprokuratur einen Vergleich und erhielt Entschädigungszahlungen für rund 2100 Dienstfahrzeuge der Republik. Obwohl die von uns geführten Sammelklagen im Auftrag des Sozialministeriums, also der Republik Österreich, geführt werden, hat die Finanzprokuratur die Ansprüche betroffener österreichischer Fahrzeughalter im Vergleich nicht berücksichtigt. Diese Vorgehensweise ist nicht nachvollziehbar.
  • Im April 2019 erhob die Staatsanwaltschaft Braunschweig (Deutschland) Anklage gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn (und vier weitere Führungskräfte). Die Anklageschrift allein umfasst insgesamt 692 Seiten. Insgesamt 75.000 Seiten wurden in 300 Aktenbänden zusammengetragen. Die Staatsanwaltschaft sieht ausreichend Indizien, dass Winterkorn früh über “Dieselgate” informiert war und wirft den 5 Angeklagten neben schwerem Betrug, Untreue und Steuerhinterziehung vor. Insbesondere wird ihnen in der Anklage vorgeworfen, „kraft ihres überlegenen Wissens“ über die Verwendung der Abschalteinrichtung wissentlich und willentlich bewirkt zu haben, dass die Ersterwerber:innen der Fahrzeuge bei Vertragsabschluss und Kaufpreiszahlung über die Zulassungsfähigkeit getäuscht wurden und das von ihnen gekaufte Fahrzeug wesentlich weniger wert war als die vereinbarte und geschuldete Leistung. 
  • Aufgrund der fortgeschrittenen Ermittlungen in Deutschland ersuchte die österreichische WKStA die Staatsanwaltschaft Braunschweig im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens um Übermittlung der oben genannten Anklageschrift. Dies wurde aber von der StA Braunschweig mit dem Hinweis ausgeschlossen, dass die Weitergabe der Anklageschrift die noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen beeinträchtigen könnte. Der Akt wird daher von der StA Braunschweig sogar gegenüber der WKStA als Verschlussakt behandelt.  
  • Im September 2020 entschied das Landgericht Braunschweig, dass die Anklage gegen den Ex-VW-Chef Winterkorn (und gegen 4 weitere Führungskräfte) zulässig ist. Der Prozessbeginn ist für September 2021 geplant. Insgesamt sind mehr als 130 Verhandlungstage angesetzt.
  • Im April 2021 dehnte die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Anklage auf 15 Führungskräfte des VW-Konzerns aus. Damit sind nun 34 Personen in der Causa “Dieselgate” angeklagt, die nach Überzeugung der Ermittler maßgeblich dafür verantwortlich waren, dass Behörden und Kund:innen in Europa (und den USA) wegen der unzulässigen Software in den Dieselfahrzeugen getäuscht wurden. 
  • Überdies erhob die Berliner Staatsanwaltschaft im Juni 2021 Anklage gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn. Hintergrund seien Falschaussagen zur Abgas-Affäre im Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestags.
  • Auch in Frankreich ist seit 2015 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen VW anhängig. Im Juni 2021 wurde das Verfahren wegen mutmaßlichen Betruges gegen VW eingeleitet. Am 8. September 2021 wird darüber in Paris erstmals verhandelt werden.
  • Für alle Angeklagten gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung.
  • Stand August 2021: Seitens der österreichischen WKStA wurde noch keine Anklage erhoben!

Die Leitfunktion im Strafverfahren kommt weiterhin der WKStA zu. Der VKI hat keinen direkten Einfluss auf die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft. Der Erfolg des Strafverfahrens ist somit abhängig von den Ermittlungsergebnissen der WKStA und einem darauf folgenden Gerichtsprozess.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Ö-Ticket: OGH beurteilt Klauseln zur Servicegebühr zulässig

Ö-Ticket: OGH beurteilt Klauseln zur Servicegebühr zulässig

2023 der Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums die CTS Eventim Austria GmbH, die das Ticketservice „Ö-Ticket“ betreibt, geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln in den Vertragsbedingungen von Ö-Ticket, darunter auch solche, die „Servicegebühren“ für den Kauf von Veranstaltungstickets und deren Rückerstattung regeln.

Unterlassungserklärung der AUA

Unterlassungserklärung der AUA

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die AUA wegen 17 Klauseln in den von ihr verwendeten Beförderungsbedingungen abgemahnt.

Kostenpflichtige Hotline für Kund:innen unzulässig

Kostenpflichtige Hotline für Kund:innen unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die PNEUS ONLINE TRADING C.V., die einen Online-Handel mit Autoreifen und Zubehör betreibt und ihre Leistungen über ihre Website www.reifen-pneus-online.at anbietet, weil diese unter der Nummer 0900 120 240 auch für Bestandskund:innen eine kostenpflichtige Kundendienstrufnummer als „Service Hotline“ anbot.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang