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Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen

Effiziente Regelungen und Marktkontrolle notwendig

Abnehmen im Schlaf", "Tees zur Verjüngung", "Negativkalorien gegen Übergewicht" oder "Power-Drinks statt Obst und Gemüse". Irreführende Werbung - vor allem rund um gesundheitsbezogene Angaben im Bereich von Lebensmitteln und Verzehrprodukten (Nahrungsergänzungsmitteln) - stellt einen Schwerpunkt von Verbraucheranfragen und -beschwerden dar. Aber auch ausgelobte Herkunft und Produktionsbedingungen von Lebensmitteln erwecken Interesse und Misstrauen von Konsumenten.

EU-Projekt mit deutschen Partnern

Im Rahmen eines EU-Projekts hat der VKI gemeinsam mit der deutschen Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die Gesundheitswerbung von  mehr als 200 Produkten bewertet. Allein in Österreich wurde in  40 Prozent der rund 100 überprüften Fälle irreführende Werbung abgemahnt. "Die EU hat die strenge heimische Regelung zur Gesundheitswerbung gekippt, es muss aber weiterhin Möglichkeiten zur Kontrolle dieses oft dubiosen Marktes geben", fordert der Obmann des VKI, Dr. Harald Glatz. Derzeit arbeitet die EU-Kommission am Entwurf einer Verordnung, die gesundheitsbezogene Angaben europaweit regeln soll. "Auch wenn der Druck der Lebensmittelwirtschaft nach weitgehender Liberalisierung groß sein mag - der Verbraucherschutz darf dabei nicht auf der Strecke bleiben", so Glatz.

Schwerpunktaktion gegen irreführende Werbung

Seit 1.1.2001 ist der VKI legitimiert mit Verbandsklage gegen irreführende Werbung vorzugehen. Gemeinsam mit dem deutschen vzbv und mit Förderung der EU-Kommission (Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz) wurde in den letzten beiden Jahren  eine Schwerpunktaktion gegen irreführende Werbung durchgeführt: Dabei ging es insbesonders um den Bereich von irrreführenden Aussagen rund um Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und sonstige "Gesundheitsprodukte" oder " -dienstleistungen". Dieses Projekt wird im Juni 2003 abgeschlossen und ausgewertet.

Werbung beobachtet, vor allem im Versandhandel

Es wurde die Werbung - insbesondere auch im Versandhandel - beobachtet und bewertet. Bei irreführenden Angaben wurde das Unternehmen - soweit eine ladungsfähige Anschrift feststellbar war - abgemahnt. "War das Unternehmen nicht bereit, eine mit Vertragsstrafe besicherte Unterlassungserklärung abzugeben, folgte in geeigneten Fällen die Unterlassungsklage bei Gericht", erläutert der Rechts-Experte des VKI, Dr. Peter Kolba, das Prozedere.

40 von 100 abgemahnt

Insgesamt hat der VKI im Projektzeitraum über 100 Produkte überprüft. In über 40 Fällen kam es zu Abmahnungen. In etwa der Hälfte der Fälle gaben die Unternehmen Unterlassungserklärungen ab. In bislang 20 Fällen wurde geklagt. Davon konnten fünf Fälle vor Gericht mit Unterlassungsvergleichen abgeschlossen werden. In zwei Fällen wurden positive Urteile erzielt. In einem Fall wurde in erster Instanz verloren, die Berufung läuft. Der Rest ist gerichtsanhängig.

Beispiele irreführender Werbung

Schlankheitsmittel bei "Friedrich Müller": Die Werbung suggerierte einerseits, dass es mit den Produkten möglich sei, Fett gezielt an Problemzonen abzubauen, anderseits, dass allein die Einnahme eines Schluckes der "Schlankheitskur F 20" ausreichen würde, um eine Gewichtsreduktion zu erzielen. Darüber hinaus wurde der unrichtige Eindruck erweckt, dass ein Tagesbedarf von 5 kg Obst und 3 kg Gemüse erforderlich wären um gesund und schlank zu bleiben. Um diese Mengen nicht zu sich nehmen zu müssen, biete sich das Produkt "Enzyme - Obst und Gemüse" als Retter in der Not an. Das HG Wien hat diese Werbeaussagen als irreführende Werbung untersagt.

"Naturlachs" war Zuchtlachs: Filets von Zuchtlachsen waren auf der Verpackung poetisch als Wildlachse dargestellt worden, die in ihrem Leben vom Süsswasser in den Nordatlatik wandern würden. Der VKI klagte, Unilever schloss einen gerichtlichen Unterlassungsvergleich.

"Life Extension" - "Natural Prostata Formel”: Das Unternehmen hatte "SoftGel-Kapseln” mit Heilungszusagen für Prostatabeschwerden und einem dem international von Apotheken verwendeten Symbol der Äskulapnatter ähnlichen Zeichen beworben, ohne dass diese Produkte nach dem Arzneimittelgesetz angemeldet bzw zugelassen waren. Das LG Wels hat diese Werbung gestoppt.

Eier -  Bodenhaltungseier in ländlicher Idylle: In einigen Fällen wurden Eier aus Bodenhaltung in Verpackungen beworben, die durch ihre bildliche Darstellung ländlicher Idylle den Eindruck erweckten, es handle sich um Freiland-eier. Die Unternehmen haben - im Lichte von Abmahnungen - Unterlassungserklärungen abgegeben.

Martinigänse aus Österreich kommen aus Ungarn: Die Werbung verspracht in den Merkur-Märkten "Martinigänse aus Österreich". Wenn man die verpackten Gänse genau besah, stellt man fest, dass es sich um Gänse aus Ungarn handelte. Das Gerichtverfahren endete mit einem Unterlassungsvergleich.

Grüner Fruchttiger: Auf der Packung fanden sich viele Kiwi abgebildet. In der Produktdeklaration war zu entnehmen, dass die Grünfärbung des Getränkes kaum auf den geringen Anteil von Kiwis zurückging, sondern eher vom Spinat herstammte. Die Klage wurde mit Unterlassungs-vergleich beendet.

Vanille-Schoten: Bei einer Reihe von Produkten entdeckte der VKI, dass auf der Verpackung (teure und edle) Vanille-Schoten abgebildet waren, das Produkt aber nur künstliches Aroma enthielt; echte Schoten waren jedenfalls nicht nachweisbar. Klagen und Abmahnungen endeten ebenfalls mit Unterlassungserklärungen.

"Die präventive Marktkontrolle des VKI hat sich also bestens bewährt und wird - im Interesse der österreichischen Verbraucher - im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten fortgesetzt" kündigt Kolba an .

Schlussfolgerungen des VKI aus dem EU-Projekt

- Krankheitsbezogene Werbung ("wirksam gegen Krebs") ist - mit Ausnahme bei zugelassenen Arzneimitteln - verboten. Gesundheitsbezogene Werbung war laut Lebensmittelgesetz genehmigungspflichtig. Irreführende Werbung ist jedenfalls verboten. Verbot und Genehmigungspflicht haben den Vorteil, dass ein Verstoß dagegen rasch und effektiv mit Unterlassungsklage zu bekämpfen ist; aufwendige Sachverständigengutachten sind nicht notwendig.

Schutz der Konsumenten wurde teurer

Mit der Aufhebung der Genehmigungspflicht gesundheitsbezogener Werbung (Folge der Entscheidung des EuGH (Rs C-221/00) können übertriebene Aussagen nur noch als irreführend verfolgt werden. Dabei sind aufwendige Sachverständigengutachten (z.B. demoskopische Erhebungen zur Verbrauchererwartung) erforderlich. Das verzögert die Verfahren und erhöht das Kostenrisiko; die Marktkontrolle wird verteuert.

Beweislastumkehr wäre sinnvoll

-    Grundsätzlich ist der Kläger dafür beweispflichtig, dass eine inkriminierte Werbeaussage "irreführend" ist. Gerade bei gesundheitsbezogenen Angaben, kann dies zu aufwendigen Sachverständigengutachten führen. Will man die Chancen einer Klage vorweg abschätzen, muss man schon vor dem Prozess Privatgutachten einholen. Das verteuert die Marktkontrolle für Verbraucherorganisationen. "Es wäre hilfreich, wenn bei gesundheitsbezogenen Angaben eine echte Beweislastumkehr geschaffen würde. Der Werbende soll die Richtigkeit seiner Angaben unter Beweis stellen müssen", fordert Rechts-Experte Kolba. Könne er das nicht, dann verlöre er den Prozess.

Ausgeweitete Klagslegitimation

- Die Verbandsklagslegitimation des VKI in § 14 UWG ist - im Unterschied zu jener der Sozialpartner - auf irreführende Werbung beschränkt. Gesetzesverstöße und sittenwidrige Praktiken können vom VKI nicht nach dem UWG verfolgt werden.

Das erwies sich bei nahezu allen Klagen als Hürde, da etwa die Werbung mit krankheitsbezogenen Angaben (siehe "Life Extension") nicht als Gesetzesverstoß (kein zugelassenes Arzneimittel), sondern nur über den Umweg der Irreführung, ein Produkt wie ein Arzneimittel zu bewerben, obwohl dieses keines ist, verfolgt werden konnte. Auch dies verzögert und verteuert Prozesse. Es wäre daher anzustreben, die Klagslegitimation des VKI in § 14 UWG auch auf Gesetzesverstöße zu erweitern.

Falschen Datenschutz beenden

- Produkte mit besonders irreführenden Angaben werden häufig über Postfächer und Mehrwertnummern vertrieben. Will man dagegen mit Abmahnung oder Verbandsklage vorgehen, muss man zunächst eine ladungsfähige Adresse feststellen. Anfragen an einzelne Postämter bzw Telefonbetreiber wurden häufig mit dem Argument des Datenschutzes zurückgewiesen. Es wäre wünschenswert, in diesem Bereich europaweit klare Regelungen zur Transparenz zu schaffen.

Höhere Last für Verbraucherorganisationen

- Das Projekt hat gezeigt, dass gerade effektive Marktkontrolle gegen irreführende Werbung ausreichende Ressourcen bei den Verbraucherorganisationen erfordert. Das beginnt bei der permanenten Marktbeobachtung, setzt sich über die Recherche zu den Produkten (Testkäufe, technische Untersuchung der Produkte) fort und endet bei der Rechtsdurchsetzung mittels Abmahnungen und Verbandsklagen und einem damit verbundenen Prozesskostenrisiko. Das EU-Projekt hat es dem VKI erlaubt, Kapazitäten in diesem Bereich aufzubauen. Konsumentenschutzstaatssekretärin Haubner hat zugesagt, im Rahmen eines Werkvertrages mit dem VKI diese Kapazitäten auch in Zukunft aufrecht zu erhalten.

Unrechte Gewinne abführen

- Irreführende Werbung wirkt und steigert damit die Gewinne der Werbenden. Ein Unterlassungsanspruch nach dem UWG stoppt zwar die weitere Irreführung für die Zukunft, doch die erwirtschafteten Gewinne bis zu einem wirksamen Stopp behält der rechtswidrig handelnde Unternehmer. In vielen Fällen wird daher die Rechtsverletzung bewußt in Kauf genommen, weil allfällige Strafen aus der Porto-Kasse bezahlt werden. Daher fordert der vzbv die Abschöpfung des Unrechtsgewinnes aus UWG-Verstößen. Das kann ins Geld gehen und hat abschreckende Wirkung. Wenn diese Gelder zweckbestimmt für unabhängige Verbraucherarbeit verwendet werden , dann würden die "schwarzen Schafe" unter den Unternehmern die Kosten der Verfolgung unlauterer Praktiken durch gemeinnützige Verbraucherorganisationen zum Teil selbst mitfinanzieren. Ein Gedanke, der auch für Österreich überlegenswert erscheint.

Engere europäische Zusammenarbeit

- In der Zusammenarbeit mit dem vzbv konnte festgestellt werden, dass gerade besonders unseriös beworbene "Schlankheits- und Wundermittel" von Unternehmen vertrieben werden, die über ein europaweites Netz von Postfächern und Scheinfirmen agieren. Um diesen Mißstand effektiv zu bekämpfen, bedarf es einer intensiven Zusammenarbeit der europäischen Verbraucherorganisationen. Der VKI ist daher - in Zusammenarbeit mit dem vzbv - bestrebt, sich für ein europaweites Netzwerk von jenen Organisationen einzusetzen, die in der Praxis präventive Marktkontrolle betreiben. Der VKI hofft dabei auf Förderungen durch die EU-Kommission.

Europäische und nationale Regelungen erforderlich

Gesundheitsbezogene Werbung war laut Lebensmittelgesetz in Österreich genehmigungspflichtig. Nachdem der Europäische Gerichtshof diese heimische Regelung gekippt hat, fordert VKI-Obmann Glatz flankierende Maßnahmen in der österreichischen Gesetzgebung, um den Schutz für Konsumenten sicher zu stellen:

Meldepflicht für Unternehmen, die mit gesundheitsbezogenen Aussagen auf Produkten und in Werbebehauptungen auftreten, noch vor der Vermarktung.

Verpflichtung der Firmen zur Bereithaltung eines produktbezogenen wissen-schaftlichen Nachweises für die Verwendung gesundheitsbezogener Aussagen.

Verstärkte Kontrollen der Behörden.

Letztlich, so Glatz, wird das Dilemma jedoch nur durch eine vernünftige europäische Regelung zu lösen sein. Keinesfalls darf dabei dem Druck der Lebensmittelwirtschaft nach weitgehender Liberalisierung nachgegeben werden und der Konsumentenschutz auf der Strecke bleiben.

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