Sachverhalt:
Die Fluggäste verfügten jeweils über eine bestätigte einheitliche Buchung für die von der AUA am 22.03.2020 durchzuführende Flugverbindung von Kapstadt nach Wien und von Wien nach Innsbruck.
Sie hatten über Opodo Ltd. in einem einzigen Buchungsvorgang jeweils einen Flugschein für einen Hinflug von Innsbruck nach Johannesburg und einen Rückflug von Kapstadt über Wien nach Innsbruck gebucht und dafür insgesamt EUR 1.601,57 bezahlt, wovon EUR 70,07 als Vermittlungsgebühren für Opodo Ltd. auf der Rechnung ausgewiesen waren.
Die Beklagte annullierte den Flug OS 32 von Kapstadt nach Wien am 18.03.2020. Mit 20.03.2020 stellte die Beklagte ihren gesamten Linienflugverkehr bis Mitte Juni 2020 ein („grounding“).
Die Fluggäste wurden am 20.03.2020 per E-Mail von der Annullierung des Fluges OS 32 verständigt und auf die stattdessen geplante Durchführung des Fluges OS 1030 mit einer planmäßigen Abflugzeit am 22.03.2020 um 00:20 Uhr (Lokalzeit Kapstadt) hingewiesen. Der Flug OS 1030 war ein Repatriierungsflug, den die Beklagte im Auftrag des (österreichischen) Bundesministeriums für Europäische und Internationale Angelegenheiten (BMEIA) durchführte, um österreichische Staatsbürger aus dem Ausland nach Österreich zu befördern. Bei dem Repatriierungsflug handelte es sich zeitlich gesehen um denselben Flug wie den ursprünglich gebuchten und von der AUA annullierten Flug.
Abgesehen von diesem Repatriierungsflug wurden im Hinblick auf die beginnende COVID-19-Pandemie bis auf Weiteres keine Flüge von Kapstadt nach Wien mehr durchgeführt, auf die die Beklagte die Fluggäste umbuchen hätte können. Die Fluggäste meldeten sich für diesen Flug an und mussten, um darauf befördert zu werden, jeweils EUR 600,-- an Konsulargebühren an das BMEIA zahlen.
Die Fluggäste wurden mit dem Repatriierungsflug OS 1030 von Kapstadt nach Wien befördert. Nach der Ankunft in Wien kauften die Fluggäste selbst je ein Zugticket für die Fahrt von Wien nach Innsbruck und zahlten dafür insgesamt EUR 145,60. Die Fluggäste erreichten Innsbruck mit einer mehr als dreistündigen Verspätung. Die Fluggäste erhielten von der Beklagten für den Rückflug von Kapstadt nach Innsbruck einen Flugscheinkostenanteil von jeweils EUR 223,41 erstattet.
Der VKI machte für die Fluggäste, gestützt auf die Fluggastrechte-VO, einen Betrag in Höhe von EUR 2.098,78 samt Zinsen gelten.
Rechtliche Beurteilung Erstgericht:
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von EUR 1.553,98 samt Zinsen statt.
Den Fluggästen stehe aufgrund der Annullierung der ursprünglich gebuchten Flugverbindung (Kapstadt -Wien-Innsbruck) gemäß Art 7 Abs 1 lit c EU-FluggastVO ein Ausgleichsanspruch von jeweils EUR 600,- zu. Der Beklagten sei es nicht gelungen, sich gemäß Art 5 Abs 3 der VO zu entlasten.
Zu den Kosten der Ersatzbeförderung führte das Erstgericht aus, dass die Unterstützungsleistungen nach Art 8 der VO unabhängig davon zustünden, ob sich das Luftfahrtunternehmen nach Art 5 Abs 3 der VO auf außergewöhnliche Umstände berufen könne. Aus der Nichterfüllung der Pflicht des Luftfahrtunternehmens zum Anbot einer in Art 8 Abs 1 lit b der VO definierten Ersatzbeförderung ergebe sich ein Ersatzanspruch des Fluggastes, welcher nach den allgemeinen Regeln des nationalen Schadenersatzrechts zu prüfen sei. Dabei treffe das beklagte Luftfahrtunternehmen die Beweislast für sein mangelndes Verschulden an der Nichterfüllung der Verpflichtung nach Art 8 Abs 1 lit b der VO.
Der EuGH habe in seiner Entscheidung vom 08.06.2023, RS C-49/22 ausgesprochen, dass ein Repatriierungsflug keine „anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen“ iSd Art 8 Abs 1 lit b EU-FluggastVO darstelle, und Passagiere daher keinen sich unmittelbar aus der VO ergebenden Anspruch auf Ersatz der dafür aufgewendeten Kosten hätten. Da abgesehen vom Repatriierungsflug OS 1030 andere Flüge von Kapstadt nach Wien als mögliche Ersatzbeförderung nicht zur Verfügung gestanden seien, sei der Beklagten eine Verletzung des Art 8 EU-FluggastVO in Bezug auf das Anbieten einer Alternativbeförderung für diesen Streckenabschnitt nicht vorzuwerfen, und ein Ersatz der für den Repatriierungsflug gezahlten EUR 600,-- je Fluggast ausgeschlossen.
Nach Ansicht des Erstgerichtes hätte die Beklagte den Fluggästen allerdings für die Strecke von Wien nach Innsbruck eine tatsächlich verfügbare Beförderung mit der Bahn anbieten müssen. Die pflichtwidrige Unterlassung des Anbietens dieser als „anderweitigen Beförderung zu vergleichbaren Bedingungen“ anzusehende Ersatzbeförderung sei jedenfalls auch kausal für die den Fluggästen entstandenen Kosten (EUR 145,60) gewesen.
Weiters führte das Erstgericht aus, dass die Fluggäste für die Strecke Kapstadt-Wien zumindest Anspruch auf Ersatz der auf diese Strecke entfallenden Flugscheinkosten (Art 8 Abs 1 lit a EU-FluggastVO) hätten. Im Zweifel sei der entfallende Ticketkostenanteil für die annullierte Rückreise (Kapstadt-Innsbruck) mit der Hälfte, sohin mit EUR 400,40 je Person anzunehmen. Davon sei der auf die Strecke Wien-Innsbruck entfallende Ticketkostenanteil abzuziehen (jeweils EUR 72,80 pro Person). Außerdem sei auch der bereits vor Klagseinbringung von der Beklagten bezahlte Betrag von EUR 223,41 je Fluggast in Abzug zu bringen, was einen dem Kläger zu ersetzenden Ticketkostenbetrag von EUR 104,19 je Fluggast ergebe.
Der VKI erhob gegen den klagsabweisenden Teil Berufung.
Rechtliche Beurteilung LG Korneuburg:
Entgegen den Ausführungen des Erstgerichts ist es der Beklagten nach Ansicht des LG Korneuburg nicht gelungen, ihr mangelndes Verschulden am Anbieten einer Ersatzbeförderung, die den Kriterien des Art 8 Abs 1 lit b der VO entspricht, darzulegen.
Aus der Nichterfüllung der Pflicht des Luftfahrtunternehmens zum Angebot einer in Art 8 Abs 1 lit b der FluggastVO spezifizierten Ersatzbeförderung ergibt sich ein Ersatzanspruch des Fluggastes, welcher nach den allgemeinen Regeln des nationalen Schadenersatzrechtes zu prüfen ist (RS0132353). Die Haftung der Beklagten hängt daher von der schuldhaften Verletzung der Pflicht, den Fluggästen die in Art 8 Abs 1 lit b der VO vorgesehene Ersatzbeförderung anzubieten, wodurch die geltend gemachten Kosten verursacht wurden, ab. Schon aufgrund des Umstandes, dass Art 3 Abs 2 lit a der VO für deren Anwendbarkeit und damit für die darin geregelten Fluggastrechte generell eine bestätigte Buchung
voraussetzt, trifft die Beklagte die Beweislast für ihr mangelndes Verschulden an der Nichterfüllung ihrer Verpflichtung nach Art 8 Abs 1 lit b der VO (1 Ob 133/18t).
Dazu brachte die Beklagte jedoch lediglich vor, [a] dass Österreich am 16.03.2020 eine weltweite Reisewarnung für alle österreichischen Staatsbürger verhängt habe; [b] dass es ein Flugverbot für die von COVID-19 betroffenen Länder gegeben habe; [c] dass ein regulärer Flugbetrieb aufgrund des behördlich angeordneten Groundings bis 15.06.2020 nicht möglich gewesen sei; sowie [d] dass ihr die Durchführung von (fast) leeren Flügen nicht zumutbar gewesen sei.
Dazu führte das Berufungsgericht wie folgt aus:
[a] Der Umstand, dass das BMEIA eine weltweite Reisewarnung ausgesprochen hat, hätte allein die Beklagte nicht gehindert, Flüge von Südafrika nach Österreich durchzuführen, um österreichische Staatsbürger in die Heimat zu bringen.
[b] Es war im Zeitraum nach dem 22.03.2020 keine generell-abstrakte Norm in Geltung, die es der Beklagten verboten hätte, Flüge von Südafrika nach Österreich durchzuführen. Die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über das Landeverbot für Luftfahrzeuge aus SARS-CoV-2 Risiko gebieten (BGBl. II Nr. 83/2020) untersagte in § 1 den der Beförderung von Personen dienenden Luftfahrzeugen, die aus elf näher bezeichneten Regionen oder Ländern abfliegen, die Landung in Österreich; der gesamte afrikanische Kontinent war davon jedoch nicht betroffen.
[c] Einen allfälligen individuell-konkreten Rechtsakt (Bescheid), der ihr einen Flug von Südafrika nach Österreich untersagt hätte, hat die Beklagte nicht genannt.
[d] Sofern die Beklagte letztlich meint, dass ihr die Durchführung von (fast) leeren Flügen nicht zumutbar gewesen wäre, ist einerseits darauf hinzuweisen, dass sie nicht konkret vorgebracht hat, welche Auslastung eine allenfalls von ihr selbst durchgeführte Ersatzbeförderung aufgewiesen hätte; und andererseits, dass es der ständigen Rechtsprechung des Berufungsgerichtes (wenn auch im Zusammenhang mit der Prüfung zumutbarer Maßnahmen gemäß Art 5 Abs 3 der VO) entspricht, dass die Durchführung von Leerflügen grundsätzlich zumutbar ist (LG Korneuburg 22 R 110/22i, 22 R 48/23y ua).
Konkrete Tatsachen, aus denen rechtlich zu folgern wäre, dass ihr eine Durchführung eines oder mehrerer Leerflüge (von Österreich nach Südafrika), um in Südafrika ein oder mehrere Fluggeräte zur Verfügung zu haben, um die dort gestrandeten österreichischen Staatsbürger nach Österreich zu transportieren, nicht zumutbar gewesen wäre, hat die Beklagte nicht dargetan.
Der Beklagten ist es daher nicht gelungen, ihr mangelndes Verschulden am Anbieten einer Ersatzbeförderung, die den Kriterien des Art 8 Abs 1 lit b der VO entspricht, darzulegen.
Das angefochtene Urteil wurde folglich dahingehend abgeändert, dass auch die den Fluggästen entstandenen Kosten der Ersatzbeförderung mit dem Repatriierungsflug von Kapstadt nach Wien zu ersetzen waren.
Das Urteil ist rechtskräftig.
BG Schwechat 06.05.2024, 27 C 107/22 w
LG Korneuburg 13.12.2024, 22 R 132/24 b
Klagevertreter: Mag. Matthias Strohmayer, RA in Wien