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Anlageberaterhaftung: Zurechnung und Mitverschulden

Die Entscheidung bestätigt die neuere Jud zur Zurechnung des selbständigen Anlageberaters an die Bank und verneint ein Mitverschulden des unerfahrenen Anlegers wegen Nichtlesens klein gedruckter Risikohinweise.

1. Zurechnung: Bestätigung der neueren Rsp (4 Ob 129/12t; 8 Ob 104/12w; 2 Ob 24/13p). Demnach ist der Vermögensberater der ausführenden Depotbank mangels legitimen Vertrauens auf eine objektive Beratung schon dann gem § 1313a ABGB zuzurechnen, wenn eine ständige Vertriebsbindung ein wirtschaftliches Naheverhältnis begründet. Ein Auftragsverhältnis zwischen Berater und Bank ist keine Voraussetzung der Zurechnung. Die Frage, ob ein derartiges wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen Berater und Bank aufgrund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorliegt, begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Im konkreten Fall: Vertrieb von MEL-Zertifikaten über (selbständige) Vertriebspartner der 100%-Vertriebstochter der beklagten Meinl Bank ("Zurechnungs-Staffel"), produktabhängige Provision.

2. Dass der Anleger die ganz klein gedruckten Risikohinweise im Beratungsprotokoll nicht gelesen hat, stellt aufgrund seiner Unerfahrenheit bei Veranlagungen und der mündlichen Zusicherungen des Beraters über die Sicherheit des Investments kein Mitverschulden dar.

3. Die Behauptungs- und Beweislast für die Wahl und Entwicklung einer hypothetischen Alternativanlage trifft den klagenden Anleger nur unter der Voraussetzung, dass er bei korrekter Beratung überhaupt veranlagt hätte, wovon bei einem vorgefassten Anlageentschluss auszugehen ist. An den Nachweis des hypothetischen Kausalverlaufs sind aber keine strengen Anforderungen zu stellen. Vielmehr genügt die Feststellung, eine Alternativanlage hätte dem Anleger das Kapital zumindest erhalten.

OGH 4.11.2013, 10 Ob 34/13t

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