Im AMIS Skandal wurden Kundengelder zwar nicht direkt von AMIS entgegengenommen und verwaltet, sondern in luxemburgische Fonds investiert. Doch es war möglich, dass die AMIS-Verantwortlichen Fondsanteile verkauft und Gelder abgezweigt statt an die Investoren zurückbezahlt haben. Nachdem über das Vermögen der AMIS Firmen das Konkursverfahren eröffnet wurde, stellte sich die Rechtsfrage, ob die - aufgrund von EU-Richtlinien geschaffene - Anlegerentschädigung (in Form einer GmbH) den Geschädigten bis zu 20.000 Euro je Schadensfall ersetzen müsse oder nicht.
Die Anlegerentschädigung stellte sich auf den Standpunkt, dass sie nicht zahlen müsse, weil es den AMIS Firmen aufgrund ihrer Konzession gar nicht erlaubt war, Kundengelder zu "halten". Die Anlegerentschädigung greife aber nur dann, wenn Kundengelder "gehalten" wurden - das Unternehmen also diesbezüglich Schuldner der Anleger sei.
Der AMIS-Sammelklage-Verein klagte - unterstützt vom Prozessfinanzierer Advofin - die Anlegerentschädigung im Fall einiger Geschädigter auf Zahlung. Der Klage wurde letztlich in allen drei Instanzen - mit kleinen Änderungen - statt gegeben.
Der OGH hält zur Anlegerentschädigung fest, dass das "Halten von Kundengeldern" jene besondere Gefahr sei, die im Fall eines Konkurses einer Wertpapierdienstleistungsunternehmens abgesichert sein solle (dagegen würden Schadenersatz für Falschberatung, Fehler bei der Vermögensanlage, usw nicht von der Entschädigung erfaßt).
Der OGH geht aber davon aus, dass man unter "unmittelbarem Halten" nicht nur den Fall verstehen darf, dass das Unternehmen die Gelder entgegennimmt, verwahrt und nicht rückerstatten kann, sondern auch jenen Fall, dass die Gelder zunächst vertragsgemäß investiert werden und erst danach - durch den Verkauf von Fondsanteilen - Gelder hereinkommen, die veruntreut statt an die Anleger rückbezahlt werden. Der OGH sieht ebenso ein "unmittelbares Halten" als gegeben an, wenn das Unternehmen bzw seine Organe so Einfluss auf einen Dritten nehmen, dass Zahlungen nicht widmungsgemäß einem Wertpapierverrechnungskonto der Anleger gutgeschrieben werden.
Es kommt dagegen nicht darauf an, ob das Unternehmen konzessionsgemäß oder -widrig handelt.
Aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2007 (BGBl I 107/2007) - im Lichte der Herankommenden Ansprüche von AMIS-Geschädigten - wurde das Klagebegehren aber umgestellt auf Exekution nicht gegen die AEW, sondern auf Exekution in das Treuhandvermögen der AEW (d.h. die AEW kann ob der Forderungen nicht in Konkurs gehen). Das Treuhandvermögen wird durch die Mitglieder - im Promillebereich der Umsätze - aufgebracht, wobei man davon ausgehen muss, dass das Vermögen kaum reichen wird, alle Ansprüche zu befriedigen. Daher ist es gut möglich, dass die Republik Österreich wird einspringen müssen.
OGH 30.6.2010, 9 Ob 50/09g
Klagevertreter: Mag Ulrich Salburg, RA in Wien
Tipp:
Da die Ansprüche binnen 1 Jahr nach Konkurseröffnung anzumelden waren, wäre es jetzt zu spät. Für alle, die seinerzeit Ansprüche bei der AEW angemeldet haben, eröffnet das Urteil aber realistische Chancen auf Schadenersatz bis zu 20.000 Euro.