Die Vermieterin einer Wohnung klagte ihren Mieter wegen Zahlung des Mietzinses (EUR 742,--). Beide sind Verbraucher. Der Mietvertrag (eine vorgefertigten "Vertragsschablone") enthielt ein Aufrechnungsverbot für den Mieter ("Es wird ausdrücklich vereinbart, dass der Mieter gegenüber dem Vermieter allenfalls bestehende Gegenforderungen nicht mit dem Mietzins, den Betriebskosten oder sonstigen dem Vermieter zustehenden Ansprüchen aufrechnen darf (Kompensationsverbot)").
Der Mieter hatte in der Vergangenheit - um EUR 2.308 - zu viel Miete gezahlt, die bis zum Schluss der Verhandlung von der Klägerin nicht zurückerstattet wurden. Der Mieter wandte die Aufrechnungseinrede ein. Diese wies der OGH nun ab:
Der vertragsmäßige Ausschluss der Aufrechnung ist nach st Rsp nicht sittenwidrig, weil der anderen Partei die abgesonderte Geltendmachung der Gegenansprüche im Weg der Klage oder Widerklage offen bleibt. Dies gilt - außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 Abs 1 Z 8 KSchG - auch zwischen Unternehmern, wenn der Kompensationsausschluss in AGB oder Vertragsformblättern enthalten ist, solange der Unternehmer, der diese verwendet, keine marktbeherrschende Stellung einnimmt und der schwächere Vertragsteil unter mehreren möglichen Vertragspartnern wählen kann.
Gemäß § 6 Abs 1 Z 8 KSchG, der für Geschäfte zwischen Unternehmer und Verbraucher gilt, ist ein vereinbartes Aufrechnungsverbot für bestimmte Forderungen, wie zB Forderungen, die im rechtlichen Zusammenhang mit der Verbindlichkeit des Verbrauchers stehen, unzulässig. Im vorliegenden Fall stehen sich aber zwei Verbraucher gegenüber, sodass kein Verbrauchergeschäft iSd KSchG vorliegt und § 6 Abs 1 Z 8 KSchG nicht unmittelbar anzuwenden ist. Im KSchG wird darauf abgestellt, dass einerseits ein Unternehmer, andererseits ein Verbraucher beteiligt sind. Auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten im Einzelfall kommt es nicht an; dies mag zwar in Ausnahmefällen als unbillig empfunden werden, doch wurde die am Typus orientierte Abgrenzungsmethode einer Lösung vorgezogen, die zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit führen müsste; es ist also unzulässig, in analoger Anwendung des § 1 KSchG ein Geschäft schlechthin dem ersten Hauptstück des KSchG zu unterstellen, weil zwischen den Parteien ein erhebliches Ungleichgewicht besteht; eine solche Vorgangsweise würde das Anliegen des Gesetzes, eine praktikable Lösung zu finden, vereiteln. Analogie oder teleologische Reduktion von Bestimmungen des KSchG kommt daher nicht allgemein in Betracht, um entgegen der Typisierung des Gesetzes auf eine Ungleichgewichtslage im Einzelfall abstellen zu können.
Aus dem bloßen Umstand, dass zwischen einem Vermieter und einem Mieter ein wirtschaftliches Ungleichgewicht bestehen mag, ist nicht die analoge Anwendung von Bestimmungen des ersten Hauptstücks des KSchG abzuleiten. Auch im Zusammenhang mit der Verwendung eines Vertragsformblatts unter Verbrauchern ergibt sich keine vom Gesetzgeber als erheblich angesehene strukturelle Unterlegenheit des Beklagten, die zu seiner gröblichen Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB führen würde.
OGH 11.8.2020, 4 Ob 71/20z