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Aus für gesetzwidrige AGB eines Wiener Privatkindergartens

Der Kindergartenbetreiber hat sich auf eine Abmahnung durch den VKI hin verpflichtet, die folgenden (und sinngleiche) Klauseln in Anmeldeformularen nicht mehr zu verwenden bzw. sich nicht mehr darauf zu berufen. Das bedeutet, dass der Betreiber zB nicht Gebühren verlangen darf, die er unzulässigerweise vereinbart hat.

1. Die Eltern verpflichten sich eine einmalige Einschreibgebühr von EUR 595,-- (fällig bei Bestätigung der Anmeldung) zu entrichten, welche für den Fall der Aufkündigung des Vertrages verfällt. Die Einschreibgebühr ist eine nicht refundierbare Gebühr.

Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB.

2. Die monatliche Gebühr hat bis zum ersten des laufenden Monats auf dem Kinderhauskonto mittels Dauerauftrag 12 Mal jährlich einzulangen!

Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB iVm § 907a ABGB.

3. Eine jährliche  Preisanpassung laut Verbraucherindex wird vorgenommen.

Verstoß gegen § 6 Abs 3, § 6 Abs 1 Z 5 KSchG.

4. Jegliche Änderung des Betreuungsmodells sowie die Kündigung (Kündigungsformular liegt dem Anmeldeformular als Seite 7 bei), sind von den Eltern mit Datum und Unterschrift zu versehen und per Einschreiben an das Kinderhaus zu senden.

§ 6 Abs 1 Z 4 KSchG untersagt Klauseln, die für Erklärungen des Verbrauchers eine strengere Form als Schriftform normieren (hier eben Einschreiben).

5. Bei einem Austritt zu anderen, als der im Vertrag festgelegten Termine, verfällt die Kaution zur Gänze.

Die Vereinbarung, wonach eine hinterlegte Kaution, noch dazu in nicht unbeträchtlicher Höhe (hier: 980 Euro), bei nicht termingerechtem Austritt zur Gänze verfällt, ist gem § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend.

6. Ich/wir nehmen zur Kenntnis, dass mir/uns für jede Zahlungsaufforderung, welche aufgrund eines Zahlungsrückstandes ergeht, ein Kostenbeitrag von EUR 15.- in Rechnung gestellt wird und mir/uns zusätzlich für den rückständigen Betrag 1% Verzugszinsen pro Monat angelastet werden, wenn der Zahlungstermin um mehr als 5 Tage überschritten wird.

Bei kundenfeindlichster Auslegung ist hier von einem nominellen Monatszins auszugehen. Das ergibt einen jährlichen Zinssatz von etwa 12 %.
Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB.

7. Der Vertrag kann von den Eltern (…) ordentlich zum Halbjahr mittels eingeschriebenen Briefes gekündigt  werden.

Die Klausel sieht für die Kündigung eine erhöhte Formvorschrift, nämlich Einschreiben vor. Dies verstößt gegen § 6 Abs 1 Z 4 KSchG.

8. Die Termine hierfür sind der 31.August für den letzten Februar und der 1.März für den 31.August des laufenden Jahres.

Die Klausel regelt die Kündigungstermine. In Hinblick auf die finanziellen Konsequenzen, die sich aus dem Versäumen eines Termins ergeben, ist die Klausel nicht ausreichend verständlich und damit intransparent. Etwa die Bezugnahme auf den "31. August für den letzten Februar" verwirrt mehr, als sie informiert. Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG.

9. Wird  der Vertrag nicht form- und fristgerecht gekündigt, gilt er für das nachfolgende Halbjahr zu den vereinbarten Bedingungen fort.

Insofern hier eine automatische Vertragsverlängerung geregelt werden soll, verstößt die Klausel gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG.

10. Bei nicht fristgerechter Kündigung ist das Monatsentgelt  für das angefangene Semester  (6-Monats-Kalkulation) sowie auch die MA Förderung  zu bezahlen (Grund- und Betreuungsbeitrag).

Bei nicht fristgerechter Kündigung soll der Vertrag nach dem Willen des Unternehmers grundsätzlich ohnehin weiterlaufen. Das bedeutet, dass der Konsument das Betreuungsentgelt zahlt und dafür die Kinder betreut werden. In diesem Fall wird die Förderung der Stadt Wien wohl auch weiter gewährt.
Indem die Klausel darauf nicht abstellt und in der Konsequenz dazu führen würde, dass der Konsument den Förderbeitrag auch dann zahlen muss, wenn der Kindergarten auch die Förderung bezieht, ist die Klausel gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

Dazu kommt, dass auch die Weiterverrechnung des Kindergartenbeitrags über sechs Monate die Konsumenten gröblich benachteiligt. Selbst dann, wenn der Kindergarten den freien Platz anderweitig vergeben kann und daher keinen finanziellen Nachteil erleidet, könnte der genannte Betrag für sechs Monate weiter verrechnet werden.

Bei kundenfeindlichster Auslegung könnte die Klausel auch so verstanden werden, dass sie auch die außerordentliche Kündigung, die jederzeit erfolgen kann, ausschließt bzw an Termine und Fristen bindet. Eine außerordentliche Kündigung wäre denkbar, wenn der Unternehmer ein Verhalten setzt, dass dem Vertragspartner die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar macht. Nachdem in diesem Fall aber der Vertrag sofort beendet würde, wäre eine Weiterverrechnung von Beträgen gröblich benachteiligend.

11. Die Leitung der Kindergruppe  kann bei groben Fahrlässigkeiten  z.B., wie bei Zahlungsverzug oder Missachtung der Rahmenvereinbarungen, Abweichen vom Pädagogischem Konzept, disziplinären Gründen usw. den Vertrag auflösen, dies nach Mahnung und Nachfrist von 14 Tagen.

Gründe, die so schwerwiegende Folgen wie die sofortige Vertragsauflösung nach sich ziehen sollen, sind klar und genau zu beschreiben, was hier nicht der Fall ist. Vertragspartnern wird nicht klar sein, was "grobe Fahrlässigkeiten" sind, oder welche Missachtung welcher Rahmenvereinbarungen zur sofortigen Auflösung führen können, gleiches gilt für das Abweichen vom pädagogischen Konzept durch die Eltern, sowie die disziplinären Gründe. Die Klausel ist gem § 6 Abs 3 KSchG unwirksam.

Die Klausel ist überraschend und nachteilig iSd § 864a ABGB, und damit nicht wirksam vereinbart, weil niemand damit rechnen muss, dass ein Kindergarten das Betreuungsverhältnis aus disziplinären Gründen sofort beenden kann.
Andererseits ist die Klausel gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, indem sie einige Gründe aufzählt, die eine sofortige Auflösung nicht rechtfertigen können. Inwiefern ein Abweichen vom pädagogischen Konzept durch (offensichtlich) die Eltern dem Kindergartenbetreiber die Vertragsfortführung unzumutbar macht, erschließt sich nicht. Gleiches gilt für die Auflösung aus disziplinären Gründen - es liegt wohl im Aufgabenbereich einer Kinderbetreuungseinrichtung, mit Kindern umzugehen. Einen Auflösungsgrund anzugeben, der in den Aufgabebereich der Betreuungseinrichtung fällt, ist sachlich nicht gerechtfertigt und daher unwirksam.

Insoweit behält sich der Unternehmer mit der gegenständlichen und vorformulierten Klausel auch vor, den Vertrag ohne sachliche Rechtfertigung zu kündigen, was gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG verstößt.

12. Bei ungebührlichem Benehmen der Obsorge- bzw. Abholberechtigten gegenüber dem Personal der Kindergruppe kann durch die Leitung der Kindergruppe mündlich oder schriftlich ein Hausverbot verhängt werden.

Die Klausel ist intransparent, weil das ungebührliche Verhalten nicht näher definiert wird, insbesondere weil so eine gravierende Folge daran geknüpft wird. Ob das Hausverbot im Ernstfall ein angemessenes, verhältnismäßiges Mittel ist, lässt sich daher nicht überprüfen. Bei kundenfeindlichster Auslegung erlaubt die Klausel aber die Verhängung eines Hausverbotes auch bei einem geringfügigen oder nur subjektiv wahrgenommenem Verstoß gegen die allgemeinen Verhaltensnormen und ist daher gröblich benachteiligend.

13. Es gilt das österreichische Recht mit dem Gerichtsstand Wien.

Verstoß gegen § 14 , § 6 Abs 3 KSchG.

14. Sind im Kinderhaus oder auf Veranstaltungen der Kindergruppe Eltern oder deren Vertreter anwesend, obliegt die Aufsichtspflicht nicht mehr der Kindergruppe sondern den oben genannten.

Verstoß gegen § 864a, § 879 Abs 3 iVm §§1295 ff ABGB, sowie § 6 Abs 1 Z 9 KSchG.

15. Der Elternbeitrag kann auch bei Fernbleiben des Kindes von der Kindergruppe (auch über einen langen Zeitraum), bei behördlicher Schließung der Kindergruppe wegen einer Infektionskrankheit und bei vergleichbaren Unterbrechungen des Betriebes nicht rückerstattet werden.

Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB.

Indem die Klausel auch auf "vergleichbare Unterbrechungen des Betriebs" Bezug nimmt, sind bei kundenfeindlicher Auslegung jegliche Unterbrechungen erfasst, dh auch solche, die die Betreuungseinrichtung zu vertreten hat (das betrifft im Übrigen auch behördliche Schließungen, die aus der Sphäre der Betreuungseinrichtung resultieren). 

Die Klausel bewirkt so einen Ausschluss der Gewährleistungsbehelfe des Konsumenten (wie zB Preisminderung, Wandlung des Vertrages), wenn nämlich die Unterbrechung auf Umstände zurückzuführen ist, in denen der Unternehmer - aus welchen Gründen auch immer - seine Leistungspflicht nicht erbringen kann. Gem § 9 KSchG dürfen Gewährleistungsrechte von Verbrauchern (§§ 922 bis 933 ABGB) nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.

Gewährleistungspflichten des Unternehmers bestehen verschuldensunabhängig und es können Gewährleistungsbehelfe (wie zB Anspruch auf Entgeltminderung, Vertragswandlung) auch wegen einer vorübergehenden nicht vom Unternehmer zu verantworteten Betriebssperre nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Die Regelung verstößt daher gegen § 9 KSchG iVm §§ 922 ff ABGB.

Die Klausel ist überdies intransparent, weil für Verbraucher völlig unklar bleibt, was unter vergleichbaren Unterbrechungen zu verstehen wäre.

16. Die/der Erziehungsberechtigter/r sind mit der Veröffentlichung von Bildern auf der Internetseite des Kinderhauses oder in Printmedien vom Kinderhaus und Printmedienartikeln, die das Kinderhaus betreffen einverstanden.

Die AGB-Klausel regelt die Vorab-Zustimmung der Eltern zur Veröffentlichung von Fotos ihrer Kinder auf der Kinderhaus-Webseite und in Printmedien, die das Kinderhaus betreffen. Das umfasst jegliche Printartikel, die das Medienhaus in irgendeiner Weise betreffen, was jedenfalls eine zu weit gehende Vorabzustimmung darstellt.

Das Recht am eigenen Bild ist ein Persönlichkeitsrecht, das naturgemäß auch Kindern zusteht.

Ob die Veröffentlichung eines Bildes zulässig ist, hängt davon ab, ob nach objektiven Gesichtspunkten schutzwürdige Interessen der Abgebildeten entgegenstehen, wobei nicht nur das Bild selbst, sondern auch Bildunterschriften, Begleittexte und der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen sind. Bei einer nicht-genehmigten Verwendung von Personenbildern für Werbezwecke liegt regelmäßig eine Verletzung von Interessen der Abgebildeten vor.

Nachdem die gegenständliche Klausel nicht soweit differenziert, ist sie zu weitgehend, und damit gröblich benachteiligend. Die Frage, ob die Obsorgeberechtigten einer Veröffentlichung von Bildern nicht einsichts- und urteilsfähiger Minderjähriger überhaupt wirksam zustimmen können, ist strittig und wird teilweise verneint (vgl. Dokalik, "mein Baby ist ein Star" - zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4).

Unterlassungserklärung vom 21.4.2016

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