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Beförderungsbedingungen eines Luftverkehrsunternehmens

In einem Verbandsverfahren der Bundesarbeiterkammer gegen die Austrian Airlines AG wurden fünf Klauseln  aus deren Allgemeinen Beförderungsbedingungen für Passagiere und Gepäck („ABB“) für unwirksam erklärt.

Klausel 1; Pkt 2.3 Code Share (Abs 2 und 3 ABB)

Bitte beachten Sie, dass jeder unserer Code Share Partner für die von ihm durchgeführten Flüge/Transporte eigene Bestimmungen vorsieht, die Sie als Passagier betreffen und die von den Bestimmungen für von uns durchgeführte Flüge/Transporte abweichen können – dies betrifft insbesondere Check-in-Zeitbegrenzungen, Gepäckfreimengen/-annahme, Alleinreisende Minderjährige, Beförderung von Tieren, Beförderungsverweigerung, Sauerstoffversorgung, Betriebsunregelmäßigkeiten sowie Ausgleichsleistung im Fall einer Nichtbeförderung. Sie sollten die Bestimmungen unseres jeweiligen Code Share Partners daher vorab aufmerksam lesen und sich mit diesen vertraut machen. Sie finden hier Links zu den Websites unserer Code Share Partner.

Die Bestimmungen unseres jeweiligen Code Share Partners für die von ihm durchgeführten Flüge/Transporte werden in unsere Allgemeinen Beförderungsbedingungen einbezogen und damit Bestandteil des Beförderungsvertrages (′integrierte Bestimmungen′). Soweit die Durchführung von Flügen/Transporten durch unseren Code Share Partner erfolgt, gelangen im Rahmen unserer Allgemeinen Beförderungsbedingungen dessen integrierte Bestimmungen vorrangig zur Anwendung.“

Die Klausel ist intransparent. Fremdsprachige AGB sind trotz Sprachunkenntnis des Vertragspartners nach der Rechtsprechung wirksam vereinbart, wenn in der Verhandlungssprache und Vertragssprache auf sie hingewiesen wurde und der Vertragspartner eine uneingeschränkte Annahmeerklärung abgegeben hat. Einen solchen Hinweis enthält die Klausel nicht.

Die Anforderungen an die Klarheit und Verständlichkeit dürfen nicht überspannt werden, zumal branchenbedingt bei schwierigen Ordnungsproblemen, wie sie zB im Recht der Finanzdienstleistungen oder im Bauvertragsrecht auftreten können, zwangsläufig eine gewisse Mindestkundigkeit des Verbrauchers unterstellt werden muss, sollen nicht ganze Branchen ihre juristische Kommunikationsfähigkeit verlieren. Angeboten werden hier – auch bei Zusammenarbeit mit den Code Share Partnern – immer nur Flüge.

Klausel 2; Pkt 2.5 Entgegenstehendes Recht (Abs 1 ABB)

Im Falle des Widerspruchs zwischen diesen Allgemeinen Beförderungsbedingungen und unseren Tarifen oder dem anwendbaren Recht, gehen diese Tarife bzw. das anwendbare Recht den Allgemeinen Beförderungsbedingungen vor.“

Die in der Klausel enthaltene Vorrangregelung zwingt den Kunden dazu, im Einzelfall erstens zu beurteilen, ob die ABB der Beklagten mit deren Tarifen oder dem anwendbaren Recht in Widerspruch stehen, und zweitens zu beurteilen, ob im Fall eines solchen Widerspruchs die Tarife der Beklagten und/oder das anwendbare Recht – das in der Klausel verwendete Wort „bzw“ lässt dies offen – vorrangig sind. Darüber hinaus bleibt vor dem Hintergrund der Klausel 1 auch unklar, ob die Tarife der Beklagten den ABB ihrer Code Share Partner vorgehen, oder die – umgekehrte – Vorrangregelung der Klausel 1 zur Anwendung kommt, falls deren ABB im Widerspruch zu den ABB der Beklagten, nicht aber zu deren Tarifen stehen sollte. Der durchschnittliche Kunde kann sich aufgrund der Klausel kein klares Bild von seiner Rechtsposition verschaffen. Sie bürdet ihm das Risiko auf, seine Rechte selbst zu ermitteln (vgl 4 Ob 63/21z und 9 Ob 27/21t)

Klausel 3; Pkt 2.6 Bestimmungen des Luftfrachtführers (Abs 1 der ABB)

Sofern in diesen Allgemeinen Beförderungsbedingungen nicht anders geregelt, gehen im Falle des Widerspruchs zwischen diesen Allgemeinen Beförderungsbedingungen und anderen Bestimmungen, diese Allgemeinen Beförderungsbedingungen vor.“

Es ist nicht klar, was „andere Bestimmungen“ sein sollen, sodass der durchschnittliche Verbraucher darunter sehr wohl auch zwingendes Recht verstehen könne. „Andere Bestimmungen“ könnten aber etwa auch Bestimmungen aus den AGB der Code Share Partner der Beklagten sein, die jedoch nach Klausel 1 – insofern im Widerspruch zu Klausel 3 – vorrangig wären. Auch in diesem Zusammenhang ist auf die bereits zitierte Rechtsprechung zu verweisen, wonach die in der Klausel enthaltene Vorrangregelung nichts an der Intransparenz ändert, zwingt sie den Kunden doch dazu, im Einzelfall zu beurteilen, ob die ABB der Beklagten zu „anderen Bestimmungen“ in Widerspruch stehen oder nicht.

Klausel 4; Pkt 8.6.2 (Aufgegebenes Gepäck) der ABB

Ihr aufgegebenes Gepäckstück wird, soweit möglich, immer auf demselben Flugzeug wie Sie befördert, es sei denn, dass wir entscheiden, die Beförderung aus Sicherheitsgründen auf einem anderen Flug durchzuführen. Sollte Ihr aufgegebenes Gepäck auf einem unserer folgenden Flüge befördert werden, werden wir es Ihnen nach der Ankunft am Bestimmungsort zustellen, ausgenommen das anwendbare Recht erfordert Ihre Anwesenheit bei den Zollformalitäten.“

Die Wendung „soweit möglich“ ermöglicht die Lesart, dass ein Gepäckstück auch aus anderen Gründen als Sicherheitsgründen nicht auf einem Flug mitgenommen wird. Da andere Gründe in der Klausel nicht genannt sind, bleibt es bei kundenfeindlichster Auslegung der Willkür der Bekl überlassen, in welchen Fällen sie das Gepäck getrennt transportiert. Bereits aus diesem Grund ist die Klausel gröblich benachteiligend, aber auch intransparent, weil nicht klar ist, in welchen Fällen die Bekl das Gepäck getrennt transportiert. Der durch die Formulierung „soweit möglich“ unbegrenzte und daher sachlich nicht gerechtfertigte Entscheidungsspielraum der Beklagten stellt keine bloß geringfügige einseitige Einschränkung der Leistungsverpflichtung dar, sodass die Klausel auch gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstößt. Nach dem 2.Satz ist die Bekl nach dem Wortlaut der Klausel berechtigt, das Gepäck auf einem Flug eines Dritten befördern zu lassen. In einem solchen Fall ist sie jedoch nicht verpflichtet, es dem Kunden an den Bestimmungsort nachzutransportieren.

Klausel 5; Pkt 10.2 Erstattungsbetrag bei freiwilliger Erstattung (10.2.1.1 und 10.2.1.2 der ABB)

10.2 Erstattungsbetrag bei freiwilliger Erstattung

         10.2.1.1 - wurde kein Teil des Tickets abgeflogen, wird der bezahlte Flugpreis abzüglich anwendbarer Bearbeitungs- und Stornogebühren ersetzt;

         10.2.1.2 - wurde ein Teil des Tickets abgeflogen, wird die Differenz zwischen dem bezahlten Flugpreis und dem Preis für den Teil der Strecke, der abgeflogen wurde, abzüglich anwendbarer Bearbeitungs- und Stornogebühren ersetzt.“

Die Höhe der Bearbeitungsgebühr ergibt sich weder aus der Klausel selbst noch aus einem in dieser enthaltenen Hinweis. Dazu kommt, dass sich den Ausführungen der Beklagten nicht entnehmen lässt, wo der Kunde Höhe und Anwendungsfälle der Stornogebühren recherchieren könnte. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass sich aus der Formulierung „Bearbeitungs- und Stornogebühren“ für den Kunden der Eindruck ergeben kann, dass Stornogebühren zusätzlich zu Bearbeitungsgebühren zu entrichten seien. Selbst wenn der Kunde die sich aus dem Vorbringen der Beklagten ergebenden Quellen liest, verbliebe eine Unsicherheit über mögliche zusätzliche Stornogebühren. Der Kunde hat keine Möglichkeit, Inhalt und Tragweite der Klausel zu durchschauen, sodass sie das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG verletzt.

Klagsvertreter: Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien

OGH 14.12.2021, 10 Ob 19/21y

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