Zum Inhalt

BGH zum Ausgleichsanspruch bei Annullierung des Zubringerfluges

Nach einer aktuellen Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes ist bei Annullierung des Zubringerfluges für die Bemessung der Ausgleichsleistung (zwischen € 250 und € 600 je nach Flugstrecke) nicht nur die Entfernung zum Zielort des annullierten Zubringerfluges maßgeblich, sondern der letzte Zielort des direkten Anschlussfluges.

Dem vorliegenden Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Ein Reisender hatte einen Flug von Berlin über Amsterdam nach Curacao (Karibik) gebucht. Ungefähr zwei Stunden vor Abflug des Zubringerflug von  Berlin nach Amsterdam zog die Fluglinie die Flugscheine ein und gab stattdessen Flugscheine für den nächsten Tag aus. Dadurch kamen die Fluggäste erst einen Tag später als geplant in Aruba an.

Zum Anspruch des Fluggastes auf Leistung der Ausgleichsleistung in Höhe von € 600,00 führte der BGH aus, dass dem Fluggast schon wegen der Annullierung des Fluges von Berlin nach Amsterdam ein Ausgleichsanspruch in Höhe von € 600 zusteht. Für die Bemessung der Ausgleichsleistung sei nämlich nicht nur die Entfernung zum Zielort des annullierten Zubringerfluges maßgeblich. Im Fall von direkten Anschlussflügen seien auch die weiteren Zielorte zu berücksichtigen, an denen der Fluggast infolge der Annullierung verspätet ankomme. Das ergebe sich aus Art 7 Abs 1 Satz 2 VO 261/2004.

Die Entscheidung des EuGH C-173/07 (Emirates/Schenkel) , wonach Hin- und Rückflug als gesonderte Flüge nach Art 3 VO anzusehen sind, spräche nicht gegen, sondern für diese Auslegung. Ferner werde dieses Ergebnis durch die Rechtsprechung des EuGH zum Ausgleichsanspruch wegen erheblicher Verspätung bestätigt, wonach dieser voraussetze, dass der Fluggast das Endziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreiche. Bei direkten Anschlussflügen iSv Art 2 lit h VO sei mithin nicht eine Verspätung am Zielort einer einzelnen Teilstrecke maßgeblich, sondern eine Verspätung am Endziel. Bei einer Annullierung könne nichts anderes gelten.

Den Einwand des außergewöhnlichen Umstandes wegen ungünstiger Wetterbedingungen in Amsterdam nach Art 5 Abs 3 VO, der eine Fluglinie von der Leistung der Ausgleichsleistung befreit, lies der BGH nicht gelten. Die Fluglinie hätte nicht im Einzelnen vorgetragen, welche personellen, materiellen und finanziellen Mittel ihr zur Verfügung gestanden seien, um den annullierten Flug zum geplanten Zeitpunkt dennoch durchführen zu können. Sie hätte auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen es ihr gegebenenfalls nicht zumutbar war, auf diese Ressourcen zurückzugreifen.

BGH 14.10.2010; Xa ZR 15/10

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

zupfdi.at: „Besitzschützer“-Geschäftsmodell laut OGH unzulässig

zupfdi.at: „Besitzschützer“-Geschäftsmodell laut OGH unzulässig

Eine Rechtsanwaltskanzlei hatte eine einstweilige Verfügung (eV) gegen die Zupf di Besitzschutz GmbH begehrt, wonach diese die von ihr kommerziell betriebene Abmahnpraxis bei behaupteten Besitzstörungen zu unterlassen habe. Die Antragsgegnerin hatte eine Website (zupfdi.at) betrieben, bei der Betroffene eine Besitzstörung durch das widerrechtliche Abstellen von Kfz melden und deren Ansprüche an die Antragsgegnerin abtreten konnten, woraufhin diese Abmahnschreiben an die (vermeintlichen) Besitzstörer versandte. Der OGH gab der Antragstellerin mit Beschluss vom 25.01.2024 recht und erließ die eV; das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin in der betriebenen Form ist somit unzulässig. Der Beschluss des OGH ist rechtskräftig.

Kostenfreier Rücktritt von Pauschalreise – Situation zum Rücktrittszeitpunkt maßgeblich

Kostenfreier Rücktritt von Pauschalreise – Situation zum Rücktrittszeitpunkt maßgeblich

Art 12 Abs 2 Pauschalreise-RL ist dahingehend auszulegen, dass für die Feststellung, ob „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ aufgetreten sind, die im Sinne dieser Bestimmung „die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen“, nur die Situation zu berücksichtigen ist, die zu dem Zeitpunkt bestand, zu dem der Reisende vom Reisevertrag zurückgetreten ist.

Ausgleichszahlung nur bei rechtzeitigem Einfinden am Flughafen

Ausgleichszahlung nur bei rechtzeitigem Einfinden am Flughafen

Voraussetzung für die in Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorgesehene Ausgleichszahlung im Fall einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der geplanten Ankunftszeit ist das rechtzeitige Eintreffen des Fluggastes zur Abfertigung bzw im Fall einer online Registrierung das rechtzeitige Einfinden am Flughafen bei einem Vertreter des ausführenden Luftfahrtunternehmens.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang