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BGH: Zuwarten bei sporadisch auftretendem sicherheitsrelevantem Mangel ("Vorführeffekt") ist unzumutbar

Rücktritt vom Kaufvertrag auch ohne Fristsetzung zur Nachbesserung ist zulässig.

Der Kläger hatte einen Gebrauchtwagen erworben, bei dem schon nach kurzer Zeit das Kupplungspedal dergestalt am Fahrzeugboden "hängen blieb", dass es in die Ausgangsposition zurückgezogen werden musste. Bei einer daraufhin von der Beklagten durchgeführten Überprüfung trat das Problem jedoch trotz mehrmaliger Betätigung der Kupplung nicht auf.

Der Kläger begehrte die umgehende Mängelbehebung, die Beklagte teilte ihm jedoch mit, dass derzeit keine Annahme einer Mangelhaftigkeit bestehe, der Kläger solle bei erneutem Auftreten des Mangels das Fahrzeug wiederum vorbeibringen. Nachdem der Kläger in den folgenden Tagen unter Hinweis auf ein erneutes Hängenbleiben des Pedals vergeblich versucht hatte, die Beklagte zu einer Äußerung über ihre Reparaturbereitschaft zu bewegen, trat er vom Kaufvertrag zurück.

Während die Erstinstanz das Klagebegehren ab wies, wurde es vom Revisionsgericht bejaht. Der Bundesgerichtshof entschied schließlich, dass der Kläger auch ohne Fristsetzung zur Nachbesserung wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten konnte, weil es ihm trotz des nur sporadischen Auftreten des Mangels aufgrund dessen Relevanz für die Verkehrssicherheit des Kraftfahrzeugs nicht im Sinne von § 440 Satz 1 BGB zumutbar war, ein weiteres Auftreten der Mangelsymptome abzuwarten.

Der Kläger hätte den Anforderungen an ein hinreichendes Nacherfüllungsverlangen bereits dadurch genügt, dass er der Beklagten neben der Einräumung einer Untersuchungsmöglichkeit die Mangelsymptome hinreichend genau bezeichnet hatte.

Das sporadischen Hängenbleiben des Kupplungspedals sei kein bloßer "Komfortmangel" , sondern vielmehr ein durchaus sicherheitsrelevanter Mangel. Mit ihrer Erklärung, es bestünde kein Grund für die Annahme einer Mangelhaftigkeit und damit eines Tätigwerdens, solange der behauptete Mangel nicht (erneut) auftrete und der Kläger damit nochmals vorstellig werde, ist die Beklagte dem Nacherfüllungsverlangen nicht gerecht geworden.

Dem Fahrzeughalter wiederum wäre nicht zuzumuten, das Risiko der Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr auf sich zu nehmen, eine verantwortungsvolle Benutzbarkeit des Fahrzeugs ohne Abklärung des Mangels wäre nicht gegeben.

Ein Rücktritt war im vorliegenden Fall auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB***) ausgeschlossen, auch wenn dieser schließlich mit geringem Aufwand (nach dem Rücktritt des Klägers) beseitigt werden konnte: Solange die Ursache eines aufgetretenen Mangelsymptoms unklar ist, kann die Erheblichkeit des Mangels regelmäßig nur an der hiervon ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung gemessen werden, die vorliegend aufgrund der Gefahren für Verkehrssicherheit des Fahrzeugs jedenfalls als erheblich anzusehen war.

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