Die klagende Krankenkasse Sachsen machte gegen den Träger eines Pflegeheims den (ihr aufgrund Legalzession übertragenen) Schadensersatzanspruch einer bei einem Unfall schwer verletzten Heimbewohnerin geltend.
Die 1915 geborene Frau war vom Nachtdienst des Heimes dreimal nach einem Sturz in ihrem Zimmer aufgefunden worden. Diese Stürze waren ohne erkennbare Folgen geblieben. Das Angebot des Pflegepersonals, während der Nachtzeit das Bettgitter hochzuziehen, lehnte die Bewohnerin ab.
Sie machte zwar häufig von der Möglichkeit Gebrauch, die in ihrem Zimmer befindliche Klingel zu betätigen, um Hilfe zu erhalten. Sie war aber bemüht, bestimmte Dinge - wie etwa den Toilettengang - selbständig zu erledigen. Um die Gefährdung infolge nächtlichen Aufstehens zu kompensieren, stellte das Pflegepersonal einen Toilettenstuhl an das Bett der Bewohnerin und ließ das Licht im Bad an.
Im März 2000 kam es zu einem erneuten Sturz mit der Folge, daß die Frau querschnittsgelähmt drei Monate darauf verstarb.
Die Klägerin war der Auffassung, das Heimpersonal hätte den Sturz vermeiden müssen. Als mögliche Maßnahmen der Sturzprophylaxe seien neben einer Überwachung eine Sensormatratze, ein Lichtschrankensystem, Verstellungen des Bettes, Veränderungen des Bodenbelags oder Hüftschutzhosen in Betracht gekommen. Notfalls hätte das Pflegepersonal auch Entscheidungen gegen den Willen der Geschädigten treffen müssen.
Die Beklagte verteidigte sich im wesentlichen damit, daß die Geschädigte das angebotene Hochziehen von Bettgittern abgelehnt habe; der von der im Jahr 2000 eingetretenen Situation unterrichtete Arzt habe die Medikation geändert und weitere Maßnahmen nicht für erforderlich gehalten.
Der BGH verwies dabei auf seine Grundsatzentscheidung vom April 2005, in der er sich ebenfalls mit der Frage befaßt hatte, unter welchen Voraussetzungen ein Pflegeheim für Verletzungen einzustehen hat, die sich ein Heimbewohner während des Heimaufenthaltes zuzieht.
Dort hatte sich eine hochgradig sehbehinderte, zeitweise desorientierte und verwirrte Pensionistin (geb.1912) während der Mittagsruhe in ihrem Zimmer eine Oberschenkelhalsfraktur zugezogen. Auch hier klagte die für die Heilungskosten ersatzpflichtige Krankenkasse Berlin den Heimträger. Das Personal des Pflegeheimes habe es versäumt, die sturzgefährdete Bewohnerin in ihrem Bett zu fixieren, zumindest die Bettgitter hochzufahren. Außerdem hätte man der Bewohnerin Hüftschutzhosen (Protektorhosen) anlegen müssen, durch die die Gefahr eines Knochenbruchs bei einem Sturz gemindert worden wäre.
Der III. Zivilsenat des BGH wies die Revision der klagenden Krankenkasse zurück: Zwar seien der beklagten Heimträgerin aus den jeweiligen Heimverträgen Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihr anvertrauten Heimbewohner erwachsen.
Ebenso bestünde eine inhaltsgleiche allgemeine Verkehrssicherungspflicht zum Schutz der Bewohner vor Schädigungen, die diesen wegen Krankheit oder einer sonstigen körperlichen oder geistigen Einschränkung durch sie selbst oder durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung des Altenheims drohten.
Diese Pflichten sind allerdings begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Maßstab müssen das Erforderliche und das für die Heimbewohner und das Pflegepersonal Zumutbare sein, wobei insbesondere auch die Würde und die Selbständigkeit der Bewohner zu wahren sind.
Im aktuellen Fall hat das Berufungsgericht nun zu prüfen, ob die Frau geistig verwirrt und deshalb nicht mehr selbständig entscheidungsfähig war.
BGH vom 28. April 2005, III ZR 399/04 (LG Berlin, 28 O 336/02 /KG Berlin, 12 U 107/03)
BGH vom 14. Juli 2005, III ZR 391/04 (LG Dresden, 14 O 3013/03 /OLG Dresden, 7 U 753/04)