In den letzten Wochen sind einige wesentliche Entscheidungen des OGH im Zinsenstreit mit den Banken ergangen. Zusammen mit den Entscheidungen aus der zweiten Hälfte das Jahres 2003 liegen eine Fülle von Entscheidungen zu den relevanten Rechtsfragen vor.
1) Zinsanpassungsklauseln der Banken (aus der Zeit vor 1997) waren gesetzwidrig
In nunmehr ständiger Judikatur geht der OGH davon aus, dass die Zinsanpassungsklauseln der Banken aus der Zeit vor dem 1.3.1997 zu unbestimmt waren. Dieser Gesetzesverstoß führt zur Teilnichtigkeit der Klausel (siehe OGH 24.6.2003, 4 Ob 73/03v in VRInfo 9/2003, OGH 6.4.2004, 9 Ob 62/04i, OGH 20.4.2005, 7 Ob 190/04y).
2) Varibale Zinsvereinbarungen können mittels Zinsgleitklauseln nachkontrolliert werden
Der Wegfall der gesetzwidrigen Klauseln führt nicht dazu, dass man nun von einem Fixzinssatz ausgehen müsste; es sind vielmehr in ergänzender Vertragsauslegung (nach dem hypothetischen Parteiwillen) jene objektiven Parameter zu ermitteln, anhand derer die Zinsänderungen bestimmt werden können. Dabei ist auf eine "Anpassungssymmetrie" zu achten. Es geht nicht an, dass die Bank durch Zinsanpassungen zunächst erstellte "Lockangebote" mit betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigten Zinsen quasi selbstständig zu Ihren Gunsten "korregiert" (siehe OGH 24.6.2003, 4 Ob 73/03v in VRInfo 9/2003, OGH 6.4.2004, 9 Ob 62/04i).
Während der OGH 2003 noch - vorschnell - vermeint hat, man könne eine Zinsanpassungsklausel nicht durch eine Zinsgleitklausel ersetzen (OGH 24.6.2003, 4 Ob 73/03v in VRInfo 9/2003), geht der OGH nunmehr davon aus, dass sehr wohl auch eine Gleitklausel zu einer "vernünftigen Mitte" führen könne. Für die Heranziehung einer Zinsgleitklausel auf Basis des ungewichteten Mittels aus SMR und VIBOR (EURIBOR) spreche, dass schon in der seinerzeitigen Klausel Elemente des Geld- und Kapitalmarktes angedeutet wurden (OGH 6.4.2004, 9 Ob 62/04i).
Seit nunmehr fast 2 ½ Jahren wartet der VKI auf die Entscheidung eines Musterprozesses durch den OGH; diese Entscheidung könnte letzte Klarheit bringen. In diesem Akt hat das Erstgericht - auf Basis eines Sachverständigengutachtens - den Klagsbetrag (berechnet nach SMR/VIBOR/Halbe) zugesprochen.
3) Anspruchsgrundlagen
a) Bereicherung
Bislang hatte der OGH die geltend gemachten Ansprüche - auch wenn ausdrücklich auch auf Schadenersatz gestützt (OGH 26.6.2003 2 Ob 106/03g in VRInfo 9/2003) - nur als Rückforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung abgehandelt.
aa) Verjährungsfrist - (dzt ?) 3 Jahre
Bereicherungsansprüche verjähren gemäß § 1478 ABGB generell binnen 30 Jahren. Im Sommer 2003 hat der OGH die Fachwelt mit einer gewagten Analogie zum Wohnrecht überrascht und vertreten, dass Ansprüche auf Rückforderung zuviel bezahlter Kreditzinsen ebenso wie die Rückforderung überhöhter Mietzinse binnen 3 Jahren verjähren würden (siehe OGH 24.6.2003, 4 Ob 73/03v in VRInfo 9/2003; OGH 26.6.2003 2 Ob 106/03g in VRInfo 9/2003).
Gegen diese Rechtsansicht gab es viel Kritik in der Lehre und von Untergerichten. In den aktuellen Entscheidungen musste sich der OGH mit der Frage der Dauer der Frist (3 Jahre oder 30 Jahre) noch nicht wieder auseinandersetzen. Eine aktuelle Bestätigung der Judikatur aus 2003 gibt es aber nicht.
ab) Verjährungsfristbeginn - "Überzahlung"
Die (Prozesse führenden) Banken haben in die Entscheidungen aus Sommer 2003 hineininterpretiert, der OGH habe vertreten, dass die Verjährungsfrist mit Zahlung jeder einzelnen Rate beginne. Darüber gab es auch literarische Kontroversen.
Nun hat der OGH jüngst klargestellt, dass eine Verjährungsfrist für bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche erst mit "Überzahlung" - also mit jener Ratenzahlung, die bei richtiger Berechnung nicht mehr hätte erbracht werden müssen - zu laufen beginne (OGH 26.1.2005, 3 Ob 234/04i und OGH 20.4.2005, 7 Ob 190/04y).
b) Schadenersatz
Die Klagen des VKI stützen sich aber immer auch auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes. Zum einen wegen der Verwendung gesetzwidriger Klauseln, zum anderen wegen Kartellverstosses ("Lombard-Kartell" - EuGH 13.4.2005, Rs T-2/03).
Zur Frage des Schadenersatzes wegen Verwendung gesetzwidriger Klauseln hat der OGH jüngst klar Stellung genommen: Die Verwendung gesetzwidriger Klauseln ist eine Verletzung einer vorvertraglichen Verhaltenspflicht. Für das Verschulden gilt der objektivierte Maßstab des § 1299 ABGB; die Beweislast für fehlendes Verschulden trägt die Bank.
Sowohl die Vereinbarung einer gesetzwidrigen Klausel aber insbesondere auch die weitere Berufung auf eine solche ab einem Zeitpunkt, zu dem die Unwirksamkeit erkannt werden musste, ist ein schuldhaftes Verhalten der Bank. Am Bestimmtheitsgebot des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG gab es auch Anfang der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts keine Zweifel. Es war die Gesetzwidrigkeit der unbestimmten Zinsanpassungsklauseln daher der Bank erkennbar. Der OGH schließt sich der - bankenfeundlichen - Haltung von Dullinger ausdrücklich nicht an (OGH 20.4.2005, 7 Ob 190/04y).
Dagegen gibt es in Sachen "Lombard-Kartell" noch keine Aussagen des OGH; Untergerichte sehen unsere Vorbringen bislang häufig als nicht ausreichend an. Das liegt jedoch daran, dass dem VKI in die Lombard-Akte der EU-Kommission bislang noch immer nicht Akteneinsicht gewährt wurde.
ba) Verjährungsfrist - 3 Jahre
Es ist unstrittig, dass die Verjährungsfrist bei Schadenersatzansprüchen aus Vertragsverletzung drei Jahre beträgt.
bb) Beginn der Verjährungsfrist - mit Kenntnis von Schaden und Schädiger
Grundsätzlich beginnt die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche gemäß § 1489 ABGB erst in dem Augenblick, wenn der Geschädigten sowohl den Schaden als auch den Schädiger soweit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann.
Die Banken haben in die Entscheidung aus dem Sommer 2003 (siehe OGH 24.6.2003, 4 Ob 73/03v in VRInfo 9/2003) hineininterpretiert, dass der OGH damit auch für Schadenersatzansprüche festgehalten habe, dass diese binnen drei Jahren ab Ratenzahlung evrjähren würden. Dem ist der OGH nun deutlich entgegengetreten: Der OGH hat sich in 4 Ob 73/03v nicht damit auseinandergesetzt, wann die Verjährung für Schadenersatzansprüche zu laufen beginnt (OGH 20.4.2005, 7 Ob 190/04y).
Der OGH geht davon aus, dass eine Verjährung von Schadenersatzansprüchen nicht beginnen kann, solange der Geschädigte nur Mutmaßungen über mögliche Schädigungen anstellen kann und als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Umstände hatte (OGH 10 Ob 23/04m).
Man wird also davon ausgehen müssen, wann die jeweiligen Kreditnehmer erstmals davon erfahren haben, dass die Banken allenfalls zu viele Kreditzinsen berechnet haben. Ob eine Erkundigungspflicht bestehe lässt der OGH dahingestellt (OGH 20.4.2005, 7 Ob 190/04y).
Der Überblick zeigt, dass die wesentlichen Rechtsfragen im "Zinsenstreit" überwiegend zugunsten der Kreditnehmer entschieden sind und es nicht einsehbar wäre, wenn die betroffenen Banken weiter Zahlungen verweigern.