Die Konsumenten buchten einen Flug von Wien nach Athen. Der Abflug sollte am 30.7.2005 um 10.30 Uhr sein. Am Abflugtag fanden sich die Konsumenten um 8.50 Uhr am Flughafen Wien Schwechat ein. Aufgrund eines Defekts und Totalausfalls der Gepäcksortierungsanlage durch einen Computerdefekt kam es zu einer sehr langen Warteschlange bei den Check- in Schaltern.
Trotzdem die Konsumenten den Anweisungen eines Travelcoaches folgten, erreichten sie den Check-in Schalter erst um 10.20 Uhr, wo ihnen mitgeteilt wurde, dass der gebuchte Flug bereits geschlossen war. Ihnen wurde mitgeteilt, dass der nächste freie Flug in der Economy-class erst in einer Woche fliegen wurde. Um den Urlaub zu retten, buchten die Konsumenten daraufhin einen Business-class Flug für den nächsten Tag, wofür sie eine Umbuchungsgebühr von € 75,00 und einen Aufschlag von € 158,00 pro Person bezahlten.
Der VKI klagte - im Auftrag des BMASK - die Ausgleichleistung und die Kosten der Mehraufwendungen nach der Fluggastrechte-VO 261/2004 ein.
Das HG Wien als Berufungsgericht bestätigte nun die Ansicht des Erstgerichts.
Die Fluggastrechte-VO regelt die Mindestrechte für Fluggäste in Fällen der Nichtbeförderung gegen ihren Willen, der Annullierung des Fluges und der Verspätung des Fluges. Nichtbeförderung ist die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sich zur Abfertigung einfinden dh obwohl sie über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und sich, falls keine Zeit angegeben wurde, spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden. Die zu lösende Rechtsfrage war daher, was unter dem Begriff " zur Abfertigung einfinden" gemeint ist.
Das Erstgericht kam zur Ansicht, dass unter dem Begriff "zur Abfertigung einfinden" die Präsentation beim Check-in Schalter gemeint sei, wobei die gesamte Organisation der Abfertigung in den Verantwortungsbereich der Airline falle, sodass auch jene Passagiere als rechtzeitig zur Abfertigung eingetroffen zu gelten hätten, die unter Berücksichtigung der üblicherweise auftretenden Wartezeiten am Flughafen einträfen und sich bei den Check - in Schaltern anstellten. Außerdem seien Computerdefekte, ebenso wie fehlerhafte Datenübertragungen (die zum Ausfall der Gebäcksortierungsanlage führten), keine außergewöhnlichen Ereignisse, weshalb die Berufung auf höhere Gewalt in Leere ginge.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der beklagten Airline. Das Erstgericht habe zu Unrecht eine Nichtbeförderung iSd der Art 2 lit j und Art 3 Abs 2 der VO angenommen. Zur "Abfertigung einfinden" bedeute nach dem Wortlaut der VO, dass sich die Passagiere spätestens 45 Minuten vor der geplanten Ablugzeit beim Check-In-Schalter präsentieren müssen. Es reiche daher nicht, wenn sie 45 Minuten vor der geplanten Abflugzeit am Flughafen ankämen und sich zu diesem Zeitpunkt bei der Check-In-Warteschlange anstellten. Nach dem Zweck der VO bedeute Nichtbeförderung vorrangig Nichtbeförderung wegen Überbuchung. Ein Anspruch aus der VO auf Ausgleichsleistung und eine Umbuchung auf den nächstmöglichen Flug bestehe daher mangels Anwendbarkeit der VO nicht. Darüber hinaus hätte das Erstgericht zu Unrecht angenommen, dass der Datenübertragungsfehler an der Gepäcksortierungsanlage kein außergewöhnlicher Umstand sei. Technische Defekte könnten durchaus außergewöhnliche Umstände iSd VO sein, zumal schon die Präambel der VO darauf Bezug nähme.
Das Berufungsgericht teilte jedoch die Argumentation des Erstgerichtes zum Verständnis des Begriffes "zur Abfertigung einfinden". Es erscheine nicht nachvollziehbar, warum vom Wortlaut "zur Abfertigung einfinden" ein in der Warteschlange vor dem Check-In-Schalter rechtzeitig eingetroffener Passagier nicht umfasst sein solle. Auch die Argumentation der Beklagten, dass von der VO lediglich Fälle von Nichtbeförderung wegen Überbuchung erfasst seien, überzeuge nicht. Aus der Prämbel der VO folge, dass ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung geschaffen werden solle. Die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen sollten nur in jenen Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch nicht vermeiden hätten lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Es sei auch festzuhalten, das der Wortlaut der VO nicht zwingend festlege, dass sich das Luftfahrtunternehmen auch im Fall der Nichtbeförderung auf außergewöhnliche Umstände berufen könne. Art 5 Abs 3 VO spreche ausdrücklich nur von "Annullierung". Aber selbst bei gegenteiliger Annahme ließe sich für die Beklagte nichts gewinnen.
In dem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH, C-549/07, (Frederike Wallentin-Hermann gegen Alitalia-Linee Aeree Italiane SpA), habe der Gerichtshof zur Frage ob ein technisches Problem eines Flugzeugs, dass zur Anullierung des Fluges führt, unter den Begriff der "außergewöhnlichen Umstände" falle Folgendes ausgeführt. Nach ständiger Rspr seien Bedeutung und Tragweite von im Gemeinschaftsrecht nicht definierten Begriffen nach ihrem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet würden und nach dem Ziel der Regelung zu bestimmen. Zudem sei ein Begriff, der eine Ausnahme von einem Grundsatz einer gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften darstelle, eng auszulegen. Aus dem Ziel der VO, nämlich ein hohes Schutzniveau für Fluggäste zu erreichen (erster, zweiter und zwölfter Erwägungsgrund) ergäbe sich, dass, wenn Art 5 Abs 1 lit c der VO den Grundsatz aufstelle, dass Fluggäste bei der Anullierung eines Fluges einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, so sei Art 5 Abs 3, der die Voraussetzungen festlege, unter denen das ausführende Luftfahrtunternehmen von der Zahlung eines entsprechenden Ausgleichs befreit sei, als Ausnahme von diesem Grundatz zusehen. Demzufolge sei diese letztgenannte Bestimmung eng auszulegen. Selbst wenn ein technisches Problem unter "unerwartete Flugsicherheitsmängel" (Erwägungsgrund 14) subsumiert werden könne, dann könnten die Umstände im Zusammenhang mit einem solchen Vorkommnis nur dann als "außergewöhnlich" qualifiziert werden, wenn sie nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens sei und aufgrund seiner Natur oder Sache tatsächlich nicht zu beherrschen sei. Die Behebung eines technischen Problems, dass auf die fehlerhafte Wartung einer Maschine zurückzuführen sei, sei Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens und daher keine "außergewöhnlichen Umstände" im Sinne von Art 5 Abs 3 VO. Ein "außergewöhnlicher Umstand", der auf ein nicht beherrschbares Vorkommnis zurückzuführen sei, sei hingegen ein die Flugsicherheit beeintächtigender versteckter Fabrikationsfehler.
Computerdefekte sowie fehlerhafte Datenübertragungen seinen aber in der heutigen Zeit keine außergewöhnlichen Ereignisse, sondern Probleme, mit denen in technisierten Bereichen durchaus zu rechnen sei. Es sei notorisch, dass Datenübertragungssysteme üblicherweise mit diversen Backup-Systemen und Sicherungssystemen ausgerüstet seien, weil jederzeit damit gerechnet werde, dass eine Datenübertragung fehlerhaft oder nicht erfolgreich sei. Diese Rechtsansicht decke sich auch mit den Erwägungen des EuGH in der Rechtssache C-549/07. Der durch ein Computerproblem hervorgerufene Defekt an der Gepächsortierungsanlage sei ein typisches Risiko, das dem üblichen Flugbetrieb zuzuordnen sei.
Die vom EuGH angeführten Beispiele zeigten deutlich, dass wohl nur Umstände als außergewöhnlich anzusehen sind, die außerhalb jeglicher Ingerenz des Luftfahrtunternehmens lägen.
Auch der Rückerstattung der Umbuchungskosten sei gemäß § 1298 ABGB gerechtfertigt, zumal Art 12 der VO darauf verweise, dass die VO unbeschadet eines weitergehenden Schadenersatzanspruches gelte und aus Art 8 und 10 Abs 1 VO das Ziel ersichtlich sei, dass Zusatzkosten für den Fluggast vermieden werden sollten.
Die Beklagte hat die eingebrachte Revision zurückgezogen, die Entscheidung ist rechtskräftig.
HG Wien 16.1.2009, 60 R 44/08p
Klagevertreter: Dr. Gerhard Deinhofer, RA in Wien