Eine pensionierte Volksschullehrerin mit einem Nettomonatseinkommen von € 1.000,- hat auf Anraten einer Finanzberaterin, die für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Fundpromotor Investment AG tätig war, einen Fremdwährungskredit aufgenommen, um MEL-Zerifikate (nunmehr Atrium European Real Estate) kaufen zu können.
Die in Finanzangelegenheiten weitgehend unerfahrene Konsumentin wünschte eine sichere Veranlagung. Ihr war nicht klar, in welche Art von Wertpapieren sie investierte. Ihr wurde erläutert, dass es sich um eine direkte Investition in Immobilien handle. Der Ertrag liege bei 11 %. Der Konsumentin wurde das Gutachten überreicht, das den MEL-Zertifikaten Mündelsicherheit bescheinigt. Über die Risiken der Veranlagung wurde die Konsumentin mündlich nicht aufgeklärt. Im Gegenteil: Nur ein Weltkrieg könne die Sicherheit der Investition gefährden, sagte die Beraterin. Das Anlegerprofil wurde von der Beraterin ausgefüllt. Die Konsumentin las die Risikohinweise auf den zu unterschreibenden Formularen nicht durch. Die "speziellen Risikohinweise für MEL-Aktien" kannte die Beraterin selbst nicht, wie sich bei Gericht herausstellte.
Der Kurssturz der MEL-Zertifikate im Juli 2007 wirkte für die Pensionistin existenzbedrohend aus. Sie stand vor dem Dilemma, den Kredit nicht mehr bedienen zu können. Der Tilgungsträger - u.a. die MEL-Zertifikate- war entsprechend geschrumpft.
Der VKI klagte nun im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums das Wertpapierdienstleistungsunternehmen für das die Beraterin tätig war. Dieses hat nach den Grundsätzen der Gehilfenhaftung für das Verschulden der Personen, deren sie sich für die Erfüllung des Vertrages bedient hat einzustehen, wie für ihr eigenes (§ 1313a ABGB).
Das Handelsgericht Wien sprach der Konsumentin Schadenersatz nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz zu: Der Erbringer von Wertpapierdienstleistungen hat seinem Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist (§ 13 Z 4 WAG). Die Beraterin hat sich durch das Unterlassen der notwendigen Aufklärung einer gravierenden Fehlberatung schuldig gemacht. Das HG Wien warf der Beraterin grob sorgfaltswidriges Verhalten bei der Vermittlung der MEL-Zertifikate an die Klägerin vor.
Dass die Beraterin die genaue Konstruktion der MEL-Zertifikate nicht bekannt war, ändert nichts an der Haftung. Sie gilt als Sachverständige im Sinn des § 1299 ABGGB und hat für die erforderlichen Kenntnisse einzustehen. Fehlende Kenntnisse wären dem Kunden mitzuteilen.
Das HG Wien geht davon aus, dass der Schaden der Konsumentin bereits mit der ungewollten Vermögensverschiebung eingetreten ist, also bereits zu dem Zeitpunkt, wo sie aufgrund der Fehlberatung durch die Anlageberaterin ein Finanzprodukt erworben hat, das wesentlich risikoreicher ist, als es Ihren Anlagezielen und finanziellen Verhältnissen entsprach. Die fehlerhafte Beratung war auch kausal für den Schadenseintritt; wäre die Konsumentin richtig und vollständig aufgeklärt worden, hätte sie weder einen Kredit aufgenommen, noch MEL-Zertifikate gekauft.
Der beklagte Wertpapierdienstleister Fundpromotor Investment GmbH warf im Verfahren der Konsumentin vor, sie habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, weil sie die Meinl Bank AG als Verkäuferin der Wertpapiere nicht wegen Irrtums geklagt hätte.
Bei der vorliegenden problematischen Rechtslage ist eine riskante Klagsführung der Konsumentin aber nicht zuzumuten, so das HG Wien.
In dem Umstand, dass sich die Verbraucherin die umfangreichen Risikohinweise auf der Rückseite des Formulars "Erklärungen des Anlegers" nicht durchgelesen und hinterfragt hatte, sah das HG Wien eine auffallende Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten, die ebenso ursächlich für den Schadenseintritt war, wie die Fehlberatung. Das Gericht nahm daher ein Mitverschulden der Klägerin in der Höhe eines Drittels an.
Der Konsumentin sind zwei Drittel des angelegten Kapitals gegen Herausgabe von zwei Drittel der MEL-Zertifikate (Naturalrestitution), sowie zweit Drittel der Kreditkosten vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu ersetzen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
HG Wien, 11.8.2009, 17 Cg 47/08f
Klagevertreter: Dr. Benedikt Wallner, RA in Wien