Zum Inhalt

Urteil: Gesetzwidrige Klauseln in Teilschuldverschreibunge

Wie bereits im November letzten Jahres berichtet, ging der VKI im Auftrag des BMASK gegen die R-Quadrat Capital Gamma GmbH mit Verbandsklage vor. Die Gesellschaft emittierte Teilschuldverschreibungen, denen rechtswidrige Klauseln in ihren AGB zugrunde gelegt wurden. Der VKI klagte auf Unterlassung, der OGH bestätigte nun das Urteil des OLG Wien.

Der OGH bestätigt nun die Entscheidung des Berufungsgerichts betreffend rechtswidriger Klauseln, welche von der R-Quadrat Capital Gamma GmbH der Emission von Teilschuldverschreibungen zugrunde legte.

Folgende Klauseln sind demnach unzulässig:

1. Erfüllung: Die Emittentin wird durch Leistung von Zahlungen aus den Teilschuldverschreibungen an die Zahlstelle oder deren Order von ihrer Zahlungspflicht befreit. Eine Zahlung aus den Teilschuldverschreibungen gilt als rechtzeitig, wenn sie am Fälligkeitstag nicht später als 12 Uhr auf dem Konto der bestellten Zahlstelle einlangt. (§ 6 Abs 4 AGB)

Der OGH bestätigte unsere Rechtsansicht, dass darin eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB zu sehen ist: Die Zahlung des Schuldners an seinen eigenen Erfüllungsgehilfen hätte nach dieser Klausel schuldbefreiende Wirkung, während die Anleihegläubiger in keinem Rechtsverhältnis zur Zahlstelle stehen und daher auf deren Auszahlungswilligkeit angewiesen seien. Ebenso wenig könne es zulässig sein, für die Frage der Rechtzeitigkeit der Zahlung den Zeitpunkt des Einlangens beim Erfüllungsgehilfen des Schuldners anzusehen. Außerdem wurde mittels der Klausel das Insolvenzrisiko der Zahlstelle durch die Klausel auf den Anleihegläubiger übertragen. Auch die Behauptung der Beklagten, dass eine derartige Klausel Marktstandard sei, ließ der OGH nicht gelten. Da außerdem die Beklagte nicht darzulegen vermochte, warum es notwenig sein sollte, dass sich die Emittentin durch Zahlung an die Zahlstelle zur Gänze von ihrer Schuld befreien könne, während umgekehrt den Gläubigern überhaupt kein Recht gegenüber der Zahlstelle eingeräumt wird, bestätigte der OGH die Unzulässigkeit der Klausel wegen Verstoßes gegen § 879 Abs 3 ABGB. 

2. Jeder Anleihegläubiger ist jedoch berechtigt, seine Teilschuldverschreibungen zu kündigen und deren sofortige Rückzahlung zum Ausgabekurs gemäß § 4 Abs (1) dieser Bedingungen, zuzüglich aliquoter Verzinsung gemäß § 5 Abs (2), bis zum Tage der Kündigung zu verlangen, falls:
(i) die Emittentin ihre Zahlungen einstellt oder ihre Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung allgemein bekannt gibt, oder ihren Gläubigern eine allgemeine Regelung zur Bezahlung ihrer Schulden anbietet; oder
(ii) ein Gericht ein Insolvenzverfahren gegen die Emittentin eröffnet oder ein solches Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens abgelehnt wird.
Das Kündigungsrecht erlischt, falls der Kündigungsgrund vor wirksamer Ausübung des Rechts gemäß Abs (2) geheilt wurde. In den Fällen gemäß Abs (1) wird eine Kündigung erst wirksam, wenn bei der Zahlstelle Kündigungserklärungen von Anleihegläubigern im Nominale von mindestens 1/10 der dann ausstehenden Teilschuldverschreibungen eingegangen sind. (§ 7 Abs 1 und 2 AGB)

Der VKI hatte argumentiert, dass das bei allen Dauerschuldverhältnissen bestehende unabdingbare Kündigungsrecht aus wichtigem Grund durch die Klausel eingeschränkt werde. Zum einen soll dem Anleihegläubiger ein außerordentliches Kündigungsrecht erst und ausschließlich dann zustehen, wenn die Emittentin bereits zahlungsunfähig geworden ist. Zum anderen soll eine außerordentliche Kündigung selbst im Fall einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Emittentin erst und nur dann wirksam werden, wenn bei der Zahlstelle Kündigungserklärungen von Anleihegläubigern im Nominale von mindestens 1/10 der dann ausstehenden Teilschuldverschreibungen eingegangen sind. Der OGH bestätigte nun die Rechtsansicht des Berufungsgerichts: Im Verbandsklageverfahren sei die kundenfeindlichste Auslegung für die Beurteilung maßgeblich. Danach werde im Kontext tatsächlich der Eindruck vermittelt, dass nicht nur ordentliche Kündigungen ausgeschlossen, sondern überdies auch die außerordentliche Kündigung nur aus den ausdrücklich genannten Fällen zulässig sei. Dies stelle eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB dar, die Klausel ist demnach unzulässig.

3. Alle Mitteilungen der Anleihegläubiger an die Zahlstelle, insbesondere eine Kündigung der Teilschuldverschreibungen gemäß Abs (1), sind schriftlich in deutscher Sprache per Einschreiben an die Zahlstelle zu übermitteln. Mitteilungen werden (vorbehaltlich Abs (2)) mit Zugang an die Zahlstelle wirksam. Der Mitteilung ist ein Nachweis darüber beizufügen, dass der betreffende Anleihegläubiger zum Zeitpunkt der Mitteilung Inhaber der betreffenden Teilschuldverschreibungen ist. Der Nachweis kann durch eine Bescheinigung der Depotbank oder auf andere geeignete Weise erbracht werden. (§ 7 Abs 3 AGB)

Die Klausel widerspricht eindeutig dem Wortlaut von § 6 Abs 1 Z 4 KSchG. Eine strengere als die Schriftform darf durch Vereinbarung mit Konsumenten nicht statuiert werden. Die Klausel wurde daher für rechtswidrig erklärt.

4. Kündigung durch die Emittentin: Die Emittentin ist berechtigt, die Teilschuldverschreibungen während der Laufzeit jeweils zum 30. Juni eines jeden Kalenderjahres, erstmalig jedoch zum 30. Juni 2009, mit Wirkung und Fälligkeit jeweils zum 1. August desselben Kalenderjahres durch Bekanntmachung gemäß § 11 der Bedingungen zu dem sich aus § 7 Abs (5) der Bedingungen ergebenden Kurs zu kündigen, mit welchem sämtliche Ansprüche des Anleihegläubigers abgefunden sind. (§ 7 Abs 4 AGB)

Der OGH bestätigte eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB: Es treffe zwar zu, dass die Emittentin durch vorzeitige Kündigung auch mögliche Risken einer Weiterveranlagung abfangen könne (wie dies von der Beklagten vorgebracht worden war). Trotzdem liege es aber im Belieben der Emittentin, auf den Erfolg eigener Investitionen zu ihren eigenen Gunsten zu reagieren. Den Anleihegläubigern hingegen stehe eine solche Möglichkeit nicht zu. Kein Äquivalent zur Kündigungsmöglichkeit der Emittentin stelle das Weiterverkaufsrecht der Anleihegläubiger (an Dritte!) dar. Die Klausel sei demnach unzulässig.

5. Änderung der Bedingungen: Die Versammlung der Anleihegläubiger fasst ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit des anwesenden oder gültig vertretenen Nominales, wobei Nominale EUR 100,-- jeweils eine Stimme gewähren. Beschlüsse, die eine Änderung der Bedingungen zum Gegenstand haben, können nur auf Vorschlag der Geschäftsführung der Emittentin und nur mit einer Mehrheit von 75 % des anwesenden oder gültig vertretenen Nominales gefasst werden, wobei Nominale EUR 100,-- jeweils eine Stimme gewähren. (§ 12 Abs 5 AGB)

Beanstandet wurde, dass die Klausel für jene Anleger, die nicht an der Versammlung teilnehmen oder gegen eine Änderung stimmen, eine einseitige Vertrags- bzw. Leistungsänderung bewirke und der Änderungsvorbehalt nicht auf zumutbare Vertragsänderungen eingeschränkt sei. Der OGH bestätigte die Unzulässigkeit der Klausel wegen gröblicher Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB: Die von der Beklagten ins Treffen "ähnliche Regelung" in Deutschland ("Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen" in der bis vor kurzem geltenden Fassung) könne die Verwendung einer solchen Klausel ebensowenig rechtfertigen, zumal das deutsche Gesetz eine derartige Beschränkung von Rechten der Gläubiger ausdrücklich höchstens für die Dauer von drei Jahren oder nur zur Abwendung einer Zahlungseinstellung oder eines Insolvenzverfahrens ermögliche. Außerdem wurde das deutsche Schuldverschreibungsgesetz vor kurzem wegen erkannter Unzulänglichkeiten im Bereich der Gläubigerrechte einer Änderung unterworfen.

Der OGH stellte überdies fest, dass eine mögliche Einflussnahme auf derartige Beschlussfassungen durch die Emittentin selbst keinesfalls unrealistisch sei: könne doch die Emittentin selbst Teilschuldverschreibungen erwerben und selbst halten. Da den Anleihegläubigern kein Äquivalent zu dem alleinigen Initiativ- und Vorschlagsrecht der Emittentin zustehe, liege eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB vor. 

6. Teilnichtigkeit: Sollten irgendwelche Bestimmungen dieser Bedingungen ganz oder teilweise rechtsunwirksam sein oder werden, so bleiben die übrigen Bestimmungen dieser Bedingungen in Kraft. Unwirksame Bestimmungen sind dem Sinn und Zweck dieser Bedingungen entsprechend durch wirksame Bestimmungen zu ersetzen, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen denjenigen der unwirksamen Bestimmungen so nahe kommen wie rechtlich möglich. (§ 13 Abs 3 AGB)

Das Berufungsgericht hatte das Klagebegehren hinsichtlich des 1.Satzes der Klausel abgeabgewiesen. Die Begründung lautete, dass der 1. Satz dieser Klausel nicht den Erhalt der unwirksamen Bedingungen durch Umdeutung derselben auf ihr rechtlich zulässiges Verständnis vorsehe sondern lediglich den Erhalt der übrigen Bestimmungen. Die Bestimmung einer quantitativen Teilnichtigkeit der Bedingungen würde weder gegen § 879 Abs 3 ABGB noch gegen § 6 Abs 3 KSchG verstoßen.

Der OGH bestätigte nun die Ansicht des Berufungsgerichts hinsichtlich des 2.Satzes der Bestimmung: Das Vorbringen der Beklagten, dass es sich um eine hochspekulative Anlage handle, bei welcher nicht jene Maßstäbe von Versicherungs- und Mietverträgen herangezogen werden könnte, schmetterte das Höchstgericht ab. Die Schutzwirkung des Konsumentenschutzgesetzes erstrecke sich eben auch auf hochspekulative Papiere, sofern sich die Beklagte damit auch an Konsumenten wende. Für den Kosumenten sei die für den Fall der Teilnichtigkeit angekündigte Vertragsänderung nicht vorhersehbar. Auch durch die Formulierung "so nahe … wie rechtlich möglich" werde keine genauere Spezifikation der Rechtslage im Fall einer Teilunmöglichkeit vorgenommen. Erst vor kurzem hatte der OGH eine ähnliche Klausel als gegen das Transparenzverbot des § 6 Abs 3 KSchG verstoßend beurteilt.

Der ordentlichen Revision wurde daher keine Folge gegeben.

OGH 30.09.2009, 9 Ob 81/08i
Volltextservice
Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Grazer Wechselseitige Versicherung AG wegen deren „Dauerrabattklausel“. Das OLG Graz gab dem VKI Recht und erklärte die Klausel – wie auch schon das Erstgericht – für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Laufzeitrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang