Zum Inhalt

Urteil: OGH gibt Anlegerin Recht - Schadenersatz nach falscher Anlageberatung durch eine Bank

Die beklagte Bank, bei welcher die Konsumentin langjährige Kundin gewesen ist, hatte im September 2001 der 79jährigen Konsumentin Investitionen bei AVD nahe gelegt. Die Konsumentin wollte ihr Kapital als langfristige Rentenanlage investieren, also sicher anlegen, um das Kapital letztlich ihrem Cousin zu hinterlassen.

Diese empfahl ihr, in das sog AVD-Rentenmodell zu investieren: Dabei handelt es sich um Portfolios bestehend aus gebrauchten, britischen Lebensversicherungen. Unter dem Hinweis darauf, dass beim AVD-Rentenmodell nach Ablauf der Gesamtlaufzeit das veranlagte Kapital erhalten bleibe und die Anlegerin während der Laufzeit die von ihr gewünschte Rente beziehen werde, wurde diese Anlageform als geeignete angesehen. Als "worst-case-Szenario" wurde der Anlegerin eine Rendite von nur 0-1% bei Verbleib des eingesetzten Kapitals in Aussicht gestellt. Mit den ersten beiden Portfolios erzielte die Konsumentin nicht nur keine Rendite, vielmehr erlitt sie einen Kapitalverlust von ca 30%. Gegen die Bank machte die Klägerin Schadenersatzansprüche geltend.

Das Erstgericht hatte die Klage trotzdem abgewiesen, weil es von einer ordnungsgemäßen Anlageberatung durch die Bank ausgegangen war. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das zweitinstanzliche Urteil, das der Klägerin Recht gab, wurde von der Beklagten mittels Rekurs bekämpft. Der OGH schloss sich inhaltlich den Ausführungen des Berufungsgerichtes an, und wies den Rekurs mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurück. Zu den Entscheidungsgründen:

1. Wenn auch im gegenständlichen Fall die Wohlverhaltensregeln bei der Anlageberatung des WAG 1996 noch nicht zur Anwendung zu bringen waren, trafen die Bank bereits nach stRspr bei Abschluss eines Effektengeschäfts auch ohne Bestehen eines besonderen Beratungsvertrags Aufklärungs- und Beratungspflichten.Das Berufungsgericht - so der OGH - befand sich mit seinen Rechtsausführungen zu den Wohlverhaltensregeln daher auf dem Boden der stRspr. § 13 Z 3 und 4 WAG konkretisieren insofern die bereits bis dahin von der Rspr verlangten Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Anlageberatungen.

2. Die konkrete Ausgestaltung dieser Beratungspflichten hänge von einer Reihe von Faktoren ab, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprodukt beziehen, und wird demnach entscheidend von den Umständen des Einzelfalles bestimmt. Diese begründen - außer bei grober Fehlbeurteilung - grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

3. Im gegenständlichen Fall sei eine Befragung der Anlegerin über ihre subjektive Risikobereitschaft unterblieben, "obwohl es die von der Anlegerin genannten Anlageziele ("Vermögen hinterlassen", "aus der Veranlagung eine Rente zu beziehen, um den Unterhalt zu bestreiten", "Vermögen soll höchstmöglich verzinst liegenbleiben") dringend nahegelegt hätten, zu hinterfragen", ob die Anlegerin das Risiko eines Teilverlustes ihres Kapitals in Kauf genommen hätte. Die beklagte Bank habe demnach kein ausreichendes Anlegerprofil erstellt. Außerdem entsprach das von der Bank gegenüber der Kundin dargestellte "worst-case-Szenario" (eine Rendite von nur 0-1% und Verbleib des eingesetzten Kapitals) nicht den Tatsachen.

4. Die Einwände der Bank, sie wäre ua nicht verpflichtet gewesen, neuerlich für die Kundin aufgrund der langjährigen Geschäftsbeziehung mit der Bank und deren früherem Anlageverhalten, erneut ein Anlegerprofil zu erstellen und damit die subjektive Risikobereitschaft zu ermitteln, ließ das Gericht nicht gelten. Vielmehr seien diese Informationen über den Anleger nicht dauerhaft gültig, sondern müssten - je nach Anlageziel und möglichen Veränderungen im Bereich des Kunden, z.B. dessen finanzieller Situation - neu überprüft werden. Das Berufungsgericht hätte daher zu Recht - so der OGH - dazu ausgeführt, dass die Risikobereitschaft eines Anlegers iZm der Sicherung seiner Altersvorsorge oder seines Lebensunterhalts völlig anders sein kann, als iZm Anlagen, die andere Zwecke verfolgen.
Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflichten betr dem Risiko der Anlage sei außerdem je nach Einzelfall zu beurteilen, und hänge dann von vielen Faktoren ab. Besteht der Zweck der Anlage - wie im gegenständlichen Fall - darin, eine Rente zur Deckung des Lebensunterhaltes zu sichern, treffe das beratende Institut jedenfalls eine umfassende Risikoaufklärung.
 

OGH 8.10.2008, 9 Ob 32/08h
Volltextservice
RA Dr. Josef Hofer/Dr. Thomas Humer

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Grazer Wechselseitige Versicherung AG wegen deren „Dauerrabattklausel“. Das OLG Graz gab dem VKI Recht und erklärte die Klausel – wie auch schon das Erstgericht – für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Laufzeitrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang