Die von den Klägerinnen gebuchte Pauschalreise nach Ägypten hätte am 27.1.2011 um 18.45 Uhr mit Flug von Wien nach Hurghada beginnen sollen. Zwischen 27.1. und 3.2.2011 wäre eine Nilkreuzfahrt Luxor-Assuan-Luxor vorgesehen gewesen, anschließend zwei Nächte in Kairo und danach ein Aufenthalt bis 10.2.2011 in Hurghada. Am 26.1. 2011 um 15.20 Uhr publizierte das österreichische Außenministerium auf seiner Homepage aufgrund der politischen Unruhen für Ägypten eine erhöhte Sicherheitsgefährdung mit weiteren Hinweisen. Ebenfalls am 26.1.2011 erschien auf www.orf.at ein Artikel, der die dramatische Situation in Ägypten beschrieb. Daher erklärten die Klägerinnen am geplanten Tag der Abreise am 27.1.2011 um 9.46 Uhr den Rücktritt vom Reisevertrag. Der beklagte deutsche Reiseveranstalter rechnete die Reise mit einer Stornogebühr in Höhe von 90% des Reisepreises ab, was von den Klägerinnen abgelehnt wurde.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Rückzahlung der einbehaltenen Stornogebühr statt. Nach österreichischem Recht sei die Frage des Rücktritts vom Pauschalreisevertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage anhand einer Ex-ante-Betrachtung zu beurteilen. Danach sei zu Fragen, wie ein durchschnittlicher, also weder besonders mutiger, noch ein besonders ängstlicher Reisender die künftige Entwicklung am Urlaubsziel beurteilt hätte, wobei die spätere reale Entwicklung unerheblich sei. Medienberichte und Informationssendungen in Rundfunk und Fernsehen sowie in anerkannten seriösen Zeitungen seien ernst zu nehmen. Ob ein Risiko noch zumutbar oder nicht mehr zumutbar sei, und daher zum Rücktritt vom Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtige, sei immer Einzelfall zu beurteilen. Eine eindeutige Reisewarnung durch das Außenamt müsse jedenfalls als stornofreier Rücktrittsgrund gewertet werden. (siehe 1 Ob 257/01b, 8 Ob 99/99p, RS 0111962).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist nach dem Gericht davon auszugehen, dass sowohl die Reiseinformation des Außenministeriums wie auch jene des ORF als seriöse Quellen anzusehen sind. Diese dürfen nicht als aus Sensationslust weit übertriebene Berichte, die nicht ernst zu nehmen sind, abgetan werden. Aus diesen Berichten geht eindeutig hervor, dass an verschiedenen Plätzen, insbesondere den Ballungszentren, jedoch auch in von Touristen frequentierten Orten bereits eine konkrete ernstzunehmende Gefahr für Leib und Leben herrschte, die auch zum Tod mehrerer Menschen geführt hatte.
Der Antritt der Reise war daher nach dem Gericht im Hinblick auf die bürgerkriegsähnlichen Zustände bereits am Vortag des geplanten Reiseantritts und erst recht am geplanten Reiseantrittstag unzumutbar. Der Rücktritt vom Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erfolgte daher zu Recht. Die Leistungen sind zur Gänze stornofrei rückabzuwickeln.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
BGHS Wien 22.12.2011, 9 C 418/11b
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Klagevertreter: Dr. Gerhard Deinhofer, RA in Wien