Nach dem OLG Wien hat es Austrian Airlines zu unterlassen, folgende Klausel zu verwenden:
"3.3.1.Wenn Sie die Flugcoupons nicht in der angegebenen Reihenfolge verwenden, werden wir den anwendbaren Preis für die tatsächlich von Ihnen beabsichtigte Reiseroute verrechnen. Bei einer Änderung der vereinbarten Flugstrecken bzw. deren Reihenfolge können Sie unbenutzte Coupons nur dann in Anspruch nehmen, wenn Sie die Differenz ("Aufpreis") zwischen dem von Ihnen bereits bezahlten Preis und dem Preis für die tatsächlich gewählte Beförderung zum Buchungszeitpunkt bezahlen.
Sollten Sie den Aufpreis vor Flugantritt nicht bezahlen, wird Ihr Ticket entsprechend den anwendbaren Tarifbedingungen refundiert. Wir haften in solchen Fällen nicht für eine allfällige Nichtbeförderung und sonstige daraus resultierende Schäden."
Das Erstgericht hat die Klausel noch als zulässig beurteilt. Das Tarifsystem sähe vor, dass sich der Fluggast für günstige Paketleistungen mit geringerer Flexibilität oder für teurere Hin- und Rückflüge bzw Flüge in eine Richtung mit höherer Flexibilität entscheiden könne. Nach dem Willen der Vertragsparteien handle es sich beim Kauf eines Hin- und Rückfluges um eine unteilbare Leistung. Dem Verbraucher könne zugemutet werden, bei Abschluss des Vertrages die Preise für alternative Reiserouten zu überprüfen. Eine Benachteiligung des Verbrauchers sei nicht ersichtlich. Außerdem seien die Klauseln in einer für einen Durchschnittsverbraucher verständlichen Art und Weise abgefasst, sodass keine Intransparenz vorliege. Ein durchschnittlicher Verbraucher müsse damit rechnen, dass der Vertragspartner beim Verkauf einer unteilbaren Leistung ein Interesse daran habe, dass die gesamte Leistung in Anspruch genommen werde, insbesondere, wenn diese mit einem günstigeren Preis verknüpft sei.
Das Berufungsgericht kam nun zu gegenteiliger Auffassung. In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht aus, dass vorweg klarzustellen sei, dass Klauseln im Rahmen einer Verbandsklage im "kundenfeindlichsten" Sinn auszulegen sind und eine geltungserhaltende Reduktion nicht stattfinde. Nach ständiger Rechtsprechung gehe die Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB der Geltungskontrolle nach § 864a ABGB nach. Zu § 864a ABGB führte das Gericht einleitend aus, dass die Ungewöhnlichkeit des Inhalts objektiv zu verstehen sei, wobei sich die Subsumtion an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren habe. Ein Abstellen auf die subjektive Erkennbarkeit sei daher ausgeschlossen (RS 0014627). Objektiv ungewöhnlich sei eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweiche, mit der er also nach dem Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauche. Einer ungewöhnlichen Klausel müsse weiters ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen. Eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB sei nicht erforderlich.
Im ersten Schritt bejahte das Gericht die Teilbarkeit der Leistung. Unteilbar sei eine Leistung dann, wenn die Einzelleistung für sich alleine für den Leistungsempfänger nicht von Wert wäre (RS0051685). Es sei objektiv kein Grund ersichtlich, warum die Leistungen (Hin-und Rückflug) nach dem dem Reisenden erkennbaren Willen der Beklagten unteilbar sein sollen, weil sich die Gesamtleistung (Hin- und Rückflug) in der Beschaffenheit nicht von den einzelnen (Teil)-Flügen unterscheide. Bei einem Verzicht auf eine Teilleistung liege ein (teilweiser) Gläubigerverzug vor. Den Gläubiger treffe zur Abnahme der Leistung nur eine Obliegenheit, jedoch keine Verpflichtung. Als Zwischenergebnis sei daher festzuhalten, dass der Fluggast berechtigt ist, nur einen Teil der vereinbarten Beförderungsleistung in Anspruch zu nehmen.
Zu den im Verfahren vorgebrachten Entscheidungen des BGH (BGH 29.4.2010, Xa ZR 5/09 und Xa ZR 101/09) führte das OLG Wien aus, dass dahingestellt bleiben könne, ob die durch den BGH vorgenommene Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB auch auf die österreichische Rechtslage übertragbar sei, weil in den zitierten Entscheidungen die Frage einer überraschenden oder mehrdeutigen Klausel (im Sinne der mit § 864a ABGB vergleichbaren Regelung des § 305c BGB) nicht zu beurteilen war. Nach österreichischem Recht gehe die Geltungskontrolle vor, sodass bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 864a ABGB keine weitere Inhaltskontrolle erforderlich sei.
Die Klausel selbst erfasse nur Fälle, in denen die Preise für die einzelnen verrechneten (Teil)Flüge insgesamt höher lägen als jener für die Buchung der Gesamtstrecke. Würde beispielsweise separater Hin- und Rückflug jeweils € 400,00 kosten, der gemeinsam gebuchte Flug jedoch nur € 300,00, so müsste der Kunde weitere € 100,00 zahlen um den Preis für die gesonderte Buchung nur eines Fluges von € 400,00 auszugleichen. Würde der gemeinsam gebuchte Flug allerdings € 600,00 kosten, dann wäre kein Aufpreis zu zahlen, weil sich für die konsumierte Einzelleistung (die € 400,00) koste kein "Aufpreis" errechne.
Es sei grundsätzlich nicht objektiv ungewöhnlich, dass im Fall einer nachträglichen (einseitigen) Leistungsänderung wie einer Umbuchung eine Aufzahlung fällig werden könne. Das gelte allerdings nicht bei einem Verzicht auf einen Teil der vereinbarten Beförderungsleistung. Hier müsse der Reisende nicht mit einer Nachzahlung rechnen, obwohl er bereits für die Gesamtleistung durch die Beklagte einen nach marktwirtschaftlichen Erwägungen gestalteten Preis bezahlt habe. In diesem Fall sei nur erkennbar, dass die Beklagte in diesem Umfang keine Leistung erbringen müsse. Die Beklagte habe keine zusätzlichen oder anderen Leistungen zu erbringen, sondern ziehe daraus sogar eine Reihe von Vorteilen bzw entstehe ihr kein Schaden. So würde auch niemand bei einem vergleichbaren Beförderungsvertrag mit einem Bahn- oder Busunternehmen annehmen, dass er ein weiteres Entgelt leisten müsse, wenn er bereits einen (geringeren) Gesamtpreis für die Hin- und Retourfahrt beglichen habe, wovon er jedoch nur eine Fahrt antrete.
Bei vernünftiger Betrachtung weiche die Klausel daher deutlich von den Erwartungen eines durchschnittlichen Fluggastes ab, sodass die Voraussetzungen des § 864a ABGB vorlägen und die Klausel aus diesem Grund rechtswidrig sei. Die Frage, ob auch eine gröbliche Benachteiligung bzw ein Verstoß nach § 6 Abs 3 KSchG, § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, § 6 Abs 2 Z 1 KSchG oder § 6 Abs 1 Z 9 KSchG vorliege, prüfte das Gericht daher nicht mehr.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit einer Revision der Beklagten ist zu rechnen.
OLG Wien, 23.5.2012, 15 R 203/11z
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien