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Urteil: OGH zum "außergewöhnlichen" Umstand nach der Fluggastrechte -VO

In einem im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums geführten Musterprozess des VKI hat der OGH die Rechte der Flugreisenden gestärkt.

Will sich eine Fluglinie auf einen "außergewöhnlichen" Umstand berufen und damit von der Zahlung der Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechte-VO befreien, dann muss sie nachweisen, dass sich eine Flugannullierung auch dann nicht hätte vermeiden lassen, obwohl sie alle nach der Situation zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. 

Die Konsumentin buchte für den 20.12.2010 einen Flug von London Heathrow nach Wien, den die Beklagte ausführen sollte. Weil an diesem Tag zu wenig Enteisungsmittel vorhanden war, hat der Flughafenbetreiber nur eine Rollbahn betrieben, sodass der Flugverkehr um 2/3 reduziert wurde. Fluglinien mit mehr als drei Flügen pro Tag mussten daher zwei Flüge ihrer Wahl annullieren. Daher wurde der Flug der Konsumentin annulliert. Am Flughafen wurde ihr keine Unterstützung angeboten, über ihre Fluggastrechte wurde sie nicht informiert. Sie verbrachte daher eine Nacht in der Abflughalle, eine Nacht in einem Hotel und organisierte sich - mangels Erreichbarkeit der Beklagten - schließlich am 22.12.2010 selbst einen Flug nach Wien. Die Kosten für die Hotelübernachtung und Taxikosten wurden von der Fluglinie ersetzt, nicht aber die Kosten für den selbst organisierten Flug in Höhe von Euro 640,86 und die Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechte-VO 261/2004 in Höhe von Euro 250,00. Unter Abtretung des Anspruches an den VKI wurden daher Euro 890,86 geltend gemacht.

Das Erst- und das Berufungsgericht gaben dem Klagebegehren statt. Der OGH bestätigte diese Entscheidungen, die außerordentliche Revision der Beklagten sei zur Klagstellung zulässig, aber nicht berechtigt. Weil sich die Beklagte in ihrer ao Revision nur auf die Entlastung nach Art 5 Abs 3 der VO 261/2004 stützte, hatte über die Mehrkosten für den Ersatzflug keine weitere Beurteilung durch das Höchstgericht zu erfolgen. 

Der OGH bestätigte, dass im Verfahren nicht festgestellt werden konnte, dass es in London zu heftigem Schneefall oder vergleichbaren schlechten Wetterverhältnissen gekommen war, ob und wie viel Schnee auf der Landebahn lag und dass der Flug auch bei Vorhandensein von ausreichendem Enteisungsmittel wetterbedingt hätte annulliert werden müssen. Für die Annullierung seien nach den Feststellungen nicht unbeherrschbare Wetterbedingungen ausschlaggebend gewesen, sondern das Unvermögen des Flughafenbetreibers, auf winterliche Verhältnisse zu reagieren. 

Zur Frage, ob im vorliegenden Fall ein "außergewöhnlicher" Umstand iSd Art 5 Abs 3 VO vorlag, der zur Befreiung der Zahlung der Ausgleichsleistung nach Art 7 VO führe, bezog sich der OGH auf die vom  EuGH (Rechtssache Wallentin-Hermann/Alitalia 22.11.2008, C-549/07) entwickelten Kriterien, weil eine nähere Bestimmung der außergewöhnlichen Umstände in der VO fehle. Demnach soll die VO ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherstellen,, weil Annullierungen für Fluggäste ein Ärgernis sind und ihnen große Unannehmlichkeiten verursacht. Demzufolge stellt Art 5 Abs 1 lit c der VO den Grundsatz auf, dass Fluggäste bei Annullierung einen Anspruch auf Ausgleichsleistung haben, Art 5 Abs 3 , der die Voraussetzungen für die Befreiung der Zahlung festlegt, ist als Ausnahme von diesem Grundsatz anzusehen und daher eng auszulegen. Weil nicht alle in den Erwägungsgründen beispielhaft aufgezählten außergewöhnlichen Umstände zu einer Befreiung führen, muss sich die Fluglinie, die sich darauf beruft, den Nachweis führen, dass es auch unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht möglich gewesen ist - ohne angesichts der Kapazitäten des Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbarer Opfer - die außergewöhnlichen Umstände zu vermeiden, mit denen sie konfrontiert gewesen ist und die zur Annullierung des Fluges haben. 

Diese Kriterien zur Auslegung des Art 5 Abs 3 VO sind nach dem OGH auf den Fall ungünstiger Wetterbedingungen zu übertragen. Das hieße vor allen, dass ungünstige Wetterbedingungen allein lediglich indikativ seien und die Fluglinie darlegen müsse, das trotz der ungünstigen Wetterbedingungen mit zumutbaren Maßnahmen eine Annullierung nicht zu vermeiden war. Beispielhaft nannte der OGH die Benutzung eines nahe gelegenen Flughafens oder allenfalls Warten auf günstigere Wetterbedingungen. 

Die Beklagte habe kein Vorbringen dazu erstattet, warum sich die Annullierung auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Sie habe nicht einmal dargetan, aus welchen Gründen die naheliegenste Maßnahme, nämlich die Umbuchung auf einen Flug der durchgeführt wurde, nicht möglich gewesen wäre. Die Beklagte ist daher ihrer Behauptungspflicht nach Art 5 Abs 3 VO nicht nachgekommen. 

Ob der Flughafenbetreiber Erfüllungsgehilfe der Beklagen sei könne daher dahingestellt bleiben. 

OGH 3.7.2013, 7 Ob 65/13d
 Klagevertreter: Dr. Gerhard Deinhofer, RA in Wien

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