Zum Inhalt

Urteil: OGH: Praxis der Klauselersetzung beim Dauerrabatt unzulässig

Alte gesetzwidrige Dauerrabattklauseln fallen gegenüber Verbrauchern ersatzlos weg. Die Praxis der Allianz Versicherung, in Versicherungsverträgen gegenüber Verbrauchern die alten gesetzwidrigen Dauerrabattklauseln einseitig durch andere neue Klauseln zu ersetzen und daraus Forderungen abzuleiten, ist unzulässig.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führt - im Auftrag des Sozialministeriums - seit Jahren Verbandsklagen gegen Vereinbarungen von Rückforderungsansprüchen von Versicherern auf gewährte "Dauerrabatte" gegenüber Verbrauchern, wenn diese einen Versicherungsvertrag nach Ablauf von drei Jahren zulässigerweise vorzeitig kündigen.

In bisherigen Verbandsverfahren wurde ua folgende früher verwendete Dauerrabatt-Klausel als unzulässig beurteilt: "Die angeführte Jahresprämie beinhaltet die Steuer und einen Rabatt von 20 % für eine 10-jährige Vertragsdauer, dessen Rückerstattung der Versicherer bei vorzeitiger Vertragsauflösung verlangen kann" (vgl. VR-Info 7/2010, OGH 21.4.2010, 7 Ob 266/09g).

Auch Klauseln zu einem "Treuebonus" oder zu Dauerrabatten, die ein Versicherer vom Vorversicherer übernommen wurden ("Ausspannungsklausel"), wurden als gesetzwidrig beurteilt (VR-Info 11/2013, OGH 4.9.2013, 7 Ob 117/13y).

Die Allianz Elementar Versicherungs AG verlangte in den letzten Jahren allerdings trotz Vorliegen der Entscheidung 7 Ob 266/09g bei Altverträgen mit alten gesetzwidrigen Dauerrabattklauseln im Fall einer vorzeitigen Auflösung von Versicherungsverträgen gegenüber Verbrauchern die Rückzahlung der gewährten Dauerrabatte auf Basis einer ergänzenden Vertragsauslegung. Es wurde dabei nicht jener Betrag zurückgefordert, der sich auf Basis der gesetzwidrigen alten Dauerrabattklausel errechnet hätte, sondern ein Betrag, der auf einer neuen Dauerrabattklausel basierte.

Der VKI ging im Rahmen einer Verbandsklage nach § 28a KSchG - im Auftrag des Sozialministeriums - auch gegen diese Praxis vor. Nach Ansicht des VKI fordert die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen nämlich den ersatzlosen Wegfall der nichtigen Klausel, eine ergänzende Vertragsauslegung hat - jedenfalls in der vorliegenden Konstellation bei Dauerrabatten - zu unterbleiben.

Bereits das OLG Wien hatte festgehalten, dass unzulässige Dauerrabattklauseln zur Gänze wegfallen, es gibt also keine "ergänzende Vertragsauslegung" zugunsten des Unternehmers. Der gänzliche Entfall einer gesetzwidrigen Klausel sei eine Strafe für jene Unternehmer, die missbräuchliche Klauseln mit Kunden vereinbaren. Dieser Strafzweck würde verloren gehen, wenn man eine "ergänzende Vertragsauslegung" zulasse.

Der OGH bestätigt die Entscheidung des OLG Wien und erteilt der von der Allianz vorgenommenen einseitigen Vertragsergänzung eine Absage. Die Versicherung hatte eingeräumt, dass sie den Verbrauchern gegenüber eine Forderung geltend macht, die die Allianz selbst für berechtigt, angemessen und rechtsrichtig hält. Dies erzeugte den Eindruck, als ob die Verbraucher ohne ihre Zustimmung zur Zahlung der Dauerrabattrückforderung verpflichtet wären.

Die Praxis der Allianz Versicherung, in Versicherungsverträgen gegenüber Verbrauchern die alten gesetzwidrigen Dauerrabattklauseln einseitig durch andere Klauseln zu ersetzen und daraus Forderungen abzuleiten, ist demnach für den OGH unzulässig. Eine derartige Praxis läuft im Ergebnis auf eine verbotene geltungserhaltende Reduktion hinaus.

Der OGH lässt aber offen, ob eine ergänzende Vertragsauslegung ansonsten grundsätzlich zulässig sein könnte. Dies müssten die Gerichte in einem Individualprozess beantworten.

Damit ist aber klargestellt, dass die bisherige Praxis einer einseitigen ergänzenden Vertragsauslegung unzulässig ist und die auf diesem Wege erfolgten Dauerrabatt-Rückzahlungen zu refundieren sind.

OGH 19.3.2014, 7 Ob 11/14i
Volltextservice
Klageverterter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Grazer Wechselseitige Versicherung AG wegen deren „Dauerrabattklausel“. Das OLG Graz gab dem VKI Recht und erklärte die Klausel – wie auch schon das Erstgericht – für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Laufzeitrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang