Die Beklagte vertreibt die von ihren Schwestergesellschaften hergestellten Produkte. Sie stellt selbst keine Produkte her und ist auch nicht in den Herstellungsprozess eingebunden. Die beim Kläger in einem Klinikum implantierte Hüfttotalendoprothese setzt sich aus vier Komponenten (ua Keramikhüftkopf) zusammen. Diese wurden von der Beklagten einzeln verpackt an ihr Konsignationslager beim Klinikum geliefert. Von dort wurden sie vom operierenden Arzt entnommen.
In der beiliegenden Gebrauchsanleitung, auf der Rückseite der Kartonverpackung und auf mitgelieferten Klebeetiketten schien als Hersteller ausschließlich die französische Schwestergesellschaft auf. Der Kläger erhielt nur einen Implantate-Pass ausgefolgt. Dies ist ein von der Beklagten an das Klinikum geliefertes Heft, auf dessen Vorderseite die Beklagte samt Adresse mit dem Zusatz "Total Orthopaedic Solutions" (sinngemäß übersetzt: "Gesamtlösungen in orthopädischer Hinsicht") angeführt ist.
Der Implantate-Pass enthielt die mitgelieferten Klebeetiketten von den einzelnen Komponenten. Der implantierte Keramikhüftkopf zerbrach. Der Kläger begehrte vom Beklagten Schadenersatz nach dem PHG.
Die Klage wurde abgewiesen: Gem § 3 PHG ist auch jeder "Hersteller", der als solcher auftritt, indem er seinen Namen, seine Marke oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt (Anscheinshersteller, Scheinhersteller, Quasi-Hersteller). Entscheidend ist, dass dabei in der Öffentlichkeit der objektive Anschein der Herstellereigenschaft erweckt wird. Auf ein spezifisches Vertrauen des Erwerbers des Produkts kommt es nicht an. Der Anschein muss im Zeitpunkt des Inverkehrbringens vorliegen; später angebrachte Zeichen bleiben außer Betracht. Nach § 6 PHG ist ein Produkt in den Verkehr gebracht, sobald es der Unternehmer, gleich auf Grund welchen Titels, einem anderen in dessen Verfügungsmacht oder zu dessen Gebrauch übergeben hat.
Die Beklagte hat schon nach dem Wortlaut des § 6 PHG das Implantat in Verkehr gebracht hat: Der operierende Arzt entnahm den Keramikhüftkopf dem Konsignationslager der Beklagten. Dadurch gelangte ua der Keramikhüftkopf in die Gewahrsame des Krankenhauses und wurde jedenfalls zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten in Verkehr gebracht. In diesem Zeitpunkt befanden sich die Klebeetiketten noch in der Verpackung; sie wurden erst nach der Entnahme vom Klinikpersonal in den Implantate-Pass eingeklebt. Damit wurde im maßgeblichen Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Keramikhüftkopfs kein Bezug auf die Beklagten gemacht. Diese schien weder auf dem Produkt selbst noch auf der Verpackung oder auf den beigefügten Unterlagen (Gebrauchsanleitung, Klebeetiketten) in irgendeiner Form auf. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Beklagten als Anscheinsherstellerin nach § 3 PHG liegen nicht vor.
OGH 10.6.2015, 7 Ob 82/15g