Zum Inhalt

Urteil: OGH zu Schrems vs facebook

Nach der EuGH-Vorabentscheidung (C-498/16) erging nun auch das entsprechende OGH-Urteil in der Rechtssache Max Schrems gegen Facebook.

Der Kläger Max Schrems hatte sich von anderen Facebook-Nutzer aus Österreich, Indien und Deutschland Ansprüche gegen Facebook Ireland (Limited mit Sitz in Irland) abtreten lassen und das soziale Netzwerk wegen Verletzungen der Rechte auf Achtung der Privatsphäre und auf Datenschutz vor österreichischen Gerichten gesammelt geklagt.

Er brachte bereits im August 2011 sechzehn und im September 2011 sechs weitere Beschwerden gegen die Beklagte bei der irischen Datenschutzkommission ein. Diese erstellte einen Prüfbericht, der Empfehlungen an die Beklagte enthielt und in weiterer Folge einen Nachprüfungsbericht.

Gerichtsstand

Der EuGH hatte bereits ausgeprochen, dass sich der Kläger hinsichtlich seiner persönlichen Ansprüche auf den Verbrauchergerichtsstand stützen kann, nicht jedoch hinsichtlich der ihm abgetretenen Ansprüche. Dass sich unter den abgetretenen Ansprüchen auch die Ansprüche solcher Personen befänden, die ihren Wohnsitz gleichfalls im Sprengel des Erstgerichts haben, sodass sich aus der gemeinsamen Geltendmachung der Ansprüche keine Zuständigkeitsverschiebung im Vergleich zu gesonderter Geltendmachung durch den ursprünglich Berechtigten ergäbe, hat der Kläger nicht behauptet.


Keine Streitangängigkeit

Nach der - aufgrund der Klagseinbringung vor dem 10. 1. 2015 (vgl Art 81 EuGVVO 2012) - noch anzuwendenden "alten" EuGVVO ("Brüssel-I-Verordnung", VO 44/2001) gilt für den Fall, dass bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, dass das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aussetzt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig; diesfalls ist die zweite Klage wegen internationaler Unzuständigkeit zurückzuweisen. Diese Regelung findet sich nunmehr in Art 29 EuGVVO 2012 (VO [EU] 1215/2012).

Der EuGH vertritt im Zusammenhang mit Art 27 (nunmehr Art 29) EuGVVO einen weiten Verfahrensgegenstandsbegriff: Identität der Streitgegenstände ist gegeben, wenn beide Klagen dieselbe Grundlage und denselben Gegenstand betreffen. Die "Grundlage" des Anspruchs umfasst den Sachverhalt und die Rechtsvorschriften, auf die die Klage gestützt wird. Dieselbe Grundlage haben unter anderem zwei auf demselben Vertragsverhältnis beruhende Rechtsstreitigkeiten. Derselbe Gegenstand liegt im gemeinsamen Zweck, im Kernpunkt beider Rechtsstreitigkeiten und bestimmt sich danach, welche Begehren im Mittelpunkt beider Verfahren stehen. Der Streitgegenstandsbegriff des EuGH ist damit weiter als derjenige nach innerstaatlichem Recht.

Die Verordnung enthält zwar keine Definition des Begriffs "Gericht", setzt aber stillschweigend ein hoheitlich tätiges, unabhängiges Rechtsprechungsorgan voraus. Der EuGH hat in diesem Zusammenhang die Formulierung verwendet, eine Entscheidung müsse von einem Rechtsprechungsorgan eines Vertragsstaats erlassen worden sein, das kraft seines Auftrags selbst über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet.

Der Irish Data Protection Commissioner kann von Amts wegen, aber auch über Beschwerde einer Person tätig werden, wobei die Rechtsstellung des Beschwerdeführers über die eines bloßen Anzeigers hinausgeht, weil ihm ein Rechtsmittel an das Gericht gegen die Entscheidungen des Commissioners zukommt. Der Commissioner kann jedoch den Auftraggeber im Wesentlichen (bloß) anweisen, Daten zu löschen, aber dem Beschwerdeführer nichts unmittelbar zusprechen. Es handelt sich daher im Kern um ein Verwaltungsverfahren, in dem die Behörde den Auftraggeber dazu verpflichtet, bestimmte Gesetzesverstöße abzustellen und einen gesetzmäßigen Zustand herzustellen, aber nicht über zivilrechtliche Ansprüche entscheidet.

Aufgrund seiner Ausgestaltung dient das irische Verfahren damit in erster Linie öffentlichen Interessen, während der Kläger im vorliegenden Verfahren einen zivilrechtlichen Unterlassungstitel begehrt. Insofern hat das irische Verfahren auch keine Zivil- oder Handelssache iSd EuGVVO zum Gegenstand, sodass der Data Protection Commissioner idZ auch nicht als Gericht tätig wird. Die "Enforcement Notices" wären daher auch nicht als "Entscheidungen" iSd Art 32 EuGVVO aF bzw Art 2 lit a und Art 36 EuGVVO 2012 anzusehen, zumal darin nicht dem Kläger unmittelbar etwas zugesprochen würde. Zusammenfassend liegt daher bei dem Verfahren vor dem Irish Data Protection Commissioner und dem hier vorliegenden Verfahren keine Identität des Streitgegenstands vor.

OGH 28.2.2018, 6 Ob 23/18b

Das Urteil im Volltext.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Vergleichsangebot von Aurena beseitigt laut OLG Graz die Wiederholungsgefahr

Vergleichsangebot von Aurena beseitigt laut OLG Graz die Wiederholungsgefahr

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums insgesamt 27 Klauseln aus den AGB der Aurena GmbH – einem Veranstalter von Online-Versteigerungen – abgemahnt. Die Aurena GmbH war in Folge bereit, zu 22 Klauseln eine Unterlassungserklärung abzugeben, bestritt aber die Gesetzwidrigkeit der übrigen fünf Klauseln, woraufhin der VKI eine Verbandsklage einbrachte. Zentrales Thema im Verfahren um diese Klauseln war die Frage, ob Verbraucher:innen bei einem Kauf im Rahmen einer Auktion der Aurena GmbH ein Rücktrittsrecht haben. In den AGB wurde ein solches Rücktrittsrecht ausgeschlossen. Während das LG Leoben dem VKI zur Gänze recht gab und die fünf eingeklagten Klauseln für gesetzwidrig erklärte, war das OLG Graz als Berufungsgericht der Ansicht, dass die von der Aurena GmbH angebotene Unterlassungsverpflichtung trotz der vorgenommenen Einschränkung die Wiederholungsgefahr beseitigen würde. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist rechtskräftig.

„Zufriedenheits“-Garantie

„Zufriedenheits“-Garantie

Eine „gewerbliche Garantie“ kann sich auch auf subjektive Umstände der Verbraucher:innen wie die in ihr Belieben gestellte Zufriedenheit mit der erworbenen Ware beziehen, ohne dass das Vorliegen dieser Umstände für die Geltendmachung der Garantie objektiv geprüft werden müsste.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang