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Urteil: Datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch bei Gericht einklagbar

Der Oberste Gerichtshof führt in einer aktuellen Entscheidung aus, dass ein datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch auch im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden kann.

In einem Obsorgestreit geschiedener Ehepartner legte der Beklagte schriftliche Aufzeichnungen, Emails, Chat-Protokolle seiner Exfrau mit Dritten einem Sachverständigen und dem Pflegschaftsgericht vor.  Die Exfrau machte ua einen datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch gegen ihn geltend.

Zeitlicher Anwendungsbereich DSGVO
Die DSGVO gilt ab 25.5.2018. Für Österreich bestimmt § 69 Abs 4 DSG 2018, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des DSG (am 25.5.2018) bei der DSB oder bei den ordentlichen Gerichten zum Datenschutzgesetz 2000 anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der DSGVO fortzuführen sind, mit der Maßgabe, dass die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte aufrecht bleibt. Sowohl die DSGVO als auch das DSG 2018 sind somit im Revisionsverfahren bereits beachtlich, auch wenn die Vorinstanzen noch auf der Grundlage des DSG 2000 entschieden haben.

Sachlicher Anwendungsbereich DSGVO
Die DSGVO gilt gemäß ihrem Art 2 Abs 1 für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Eine automatisierte Verarbeitung liegt immer dann vor, wenn Datenverarbeitungsanlagen zum Einsatz kommen, wobei unerheblich ist, ob die Dateien in irgendeiner Weise strukturiert abgespeichert sind. Damit führt jede Benutzung von Computer, Internet oder E-Mail zur Anwendbarkeit der Verordnung, sobald personenbezogene Daten involviert sind.

Hier keine Ausnahme vom Anwendungsbereich
Die DSGVO  findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten (Art 2 Abs 2 lit c DSGVO, "household exemption"). Mit der Ausnahmebestimmung wird ein Bereich persönlicher Lebensführung von der beruflichen und geschäftlichen Sphäre abgegrenzt; entscheidend ist, dass der Datenumgang im privaten Aktionskreis stattfindet. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte dadurch, dass er Daten der Klägerin sowohl der Sachverständigen als auch dem Pflegschaftsgericht zur Verfügung stellte, den persönlich-familiären Bereich überschritten, sodass er sich nicht mehr auf den Ausnahmetatbestand des Art 2 Absatz 2 lit c DSGVO berufen kann.

Zivilrechtsweg für datenschutzrechtliche Klagen
Nach Art 17 Abs 1 lit a DSGVO und § 45 Abs 2 Z 1 DSG hat der Verantwortliche personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind.

Dieser Löschungsanspruch kann - unabhängig von der Übergangsbestimmung des § 69 Abs 4 DSG - auch im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden kann. Nach Art 79 Abs 1 DSGVO hat jede betroffene Person unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs einschließlich des Rechts auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde gemäß Art 77 DSGVO das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte infolge einer nicht im Einklang mit dieser Verordnung stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden. Dem steht § 29 Abs 1 DSG, der sich auf Schadenersatzansprüche bezieht, nicht entgegen; diese Bestimmung bezieht sich auf Art 82 DSGVO, der wiederum als Ergänzung zum nationalen Schadenersatzrecht, als eine Art lex specialis eines datenschutzrechtlichen Schadenersatzrechts zu sehen ist.

Aus Art 79 Abs 1 DSGVO ergibt sich somit die gerichtliche Zuständigkeit für den von der Klägerin geltend gemachten Löschungsanspruch nach Art 17 Abs 1 lit a DSGVO und § 45 Abs 2 Z 1 DSG.

Löschungsanspruch
Zu besondere Kategorien personenbezogener Daten nach Art 9 DSGVO legt Art 9 Abs 2 DSGVO Ausnahmen vom Verarbeitungsverbot fest. Zu den Ausnahmen zählt die Verarbeitung, die zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist.

Der Beklagte hat die personenbezogenen Daten der Klägerin in Form von Ausdrucken dem Pflegschaftsgericht übermittelt, um im Obsorge- und Kontaktrechtsstreit seine Kinder betreffend gegenüber der Klägerin (allenfalls) erfolgreich sein zu können. Damit hat sich aber ihr Zweck erfüllt. Gründe für eine weitere Aufbewahrung der Daten durch den Beklagten vermochte dieser nicht zu nennen, womit die Voraussetzungen von Art 17 Abs 1 lit a DSGVO und § 45 Abs 2 Z 1 DSG erfüllt sind. Der Beklagte hat die Daten zu löschen und die hergestellten Ausdrucke zu vernichten. Die beim Pflegschaftsgericht befindlichen Ausdrucke der Daten hat er unverzüglich nach deren (allfälliger) Rückstellung durch das Pflegschaftsgericht zu vernichten.


OGH 20.12.2018, 6 Ob 131/18k

Anmerkung:
Betroffene Personen haben daher weiterhin die Möglichkeit, ihre Ansprüche am Zivilrechtsweg mittels Klage geltend zu machen; Art 79 ist unmittelbar anwendbar. Eine Einschränkung der zivilgerichtlichen Geltendmachung von anderen als schadenersatzrechtlichen Ansprüchen nach der DSGVO kann aus § 29 DSG nicht abgeleitet werden und wäre unseres Erachtens VO-widrig.

Das Urteil im Volltext.

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