Dem EuGH wurde ein ungarischer Fall vorgelegt, in dem eine Konsumentin 2007 mit einer Bank einen auf Schweizer Franken (CHF) laufenden Darlehensvertrag abgeschlossen hatte. Die Aus- und Rückzahlung des Darlehens war nach den Vertragsklauseln in ungarischen Forint (HUF) unter Anwendung des von der Bank für diesen Tag vorgesehen An- bzw. Verkaufskurses festgelegt. Das Wechselkursrisiko, das sich bei Abwertung des HUF gegenüber dem CHF ergab, ging damit allein zulasten der Konsumentin.
In Reaktion auf die EuGH-Entscheidung vom 30.04.2014, C-26/13, Kásler zu einem vergleichbaren Sachverhalt hatte der ungarische Gesetzgeber Rechtsvorschriften erlassen (im Folgenden: Devisenkredit-Gesetze), nach denen Klauseln über die anzuwendenden Wechselkurse wegfallen sollten und durch den amtlichen Devisenkurs ersetzt werden sollten. Das vorlegende Gericht führte aus, dass durch dieses Gesetz keine missbräuchlichen Klauseln mehr vorliegen würden und der Vertrag dadurch wirksam bleibe und fragte, ob dies mit der Auslegung des Art. 6 Abs 1 Klausel-RL 93/13/EWG vereinbar sei.
Prüfung der ungarischen Devisenkredit-Gesetze nach der Klausel-RL?
Nach Art 1 Abs Klausel-RL ist die RL nicht auf Klauseln anwendbar, die durch eine nationale Regelung festgelegt sind. Das bedeutet, dass die durch die ungarischen Devisenkredit-Gesetze festgelegten Klauseln über die Anwendung des amtlichen Devisenkurses grundsätzlich nicht nach der Klausel-RL auf ihre Missbräuchlichkeit überprüft werden können. Wie der EuGH jedoch klarstellt, geht es im vorliegenden Fall nicht um die Prüfung der auf den Devisenkredit-Gesetzen basierenden Klauseln als solche, sondern um die Auswirkung dieser Rechtsvorschriften auf den durch Art 6 Abs 1 Klausel-RL gewährten Schutz im Zusammenhang mit der ursprünglich enthaltenen Klausel über das Wechselkursrisiko. Auch der Gesetzgeber muss daher in diesem Zusammenhang die EuGH-Rechtsprechung zu Art 6 Abs 1 Klausel-RL zum Gebot der Unverbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln und zur (Un-)Zulässigkeit des Ersatzes solcher Klauseln beachten.
Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel für die einzelne Klausel und den Gesamtvertrag
Entsprechend dieser Rechtsprechung zu Art 6 Abs 1 Klausel-RL, die der EuGH in der vorliegenden Entscheidung erneut bestätigt und präzisiert, muss es möglich sein, dass bei Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel, die entsprechende Klausel unverbindlich ist und die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte. Das bedeutet es müssten nach nationalem Recht beispielsweise auf Grundlage der missbräuchlichen Klausel bezahlte Beträge zurückgezahlt werden können.
Was die Zulässigkeit einer nationalen Regelung angeht, die den Gesamtwegfall eines Vertrages als Folge der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel vorschreibt oder verhindert, so verweist der EuGH ebenso auf bereits aus seiner Rechtsprechung Bekanntes. Der Gesamtwegfall des Vertrags ist grundsätzlich nicht das Ziel des Art 6 Abs 1 Klausel-RL, wenn der Vertrag ohne die Klausel fortbestehen kann. Ermöglicht es also bereits die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte, so ist es nach der Klausel-RL erlaubt, dass das nationale Recht einen Gesamtwegfall des Vertrages nicht zulässt.
Anders stellt sich der Fall dar, wenn die Aufrechterhaltung des Vertrags ohne die missbräuchliche Klausel rechtlich nicht mehr möglich ist. Bei Klauseln, die zum Hauptgegenstand des Vertrags gehören, wie eine Klausel über das Wechselkursrisiko - und die nach Art 4 Abs 2 Klausel-RL nur auf Missbräuchlichkeit zu prüfen ist, wenn sie nicht klar und verständlich formuliert ist - wird dies nach dem EuGH die Regel sein, ist aber natürlich vom nationalen Gericht zu beurteilen. Kann der Vertrag ohne die missbräuchliche Klausel nicht weiterbestehen, so zeigt der EuGH in seiner Entscheidung zwei Möglichkeiten auf: Ist der Gesamtwegfall des Vertrages für den Verbraucher von Nachteil, so kann die Klausel durch eine dispositive gesetzliche Regelung ersetzt werden. Ist der Gesamtwegfall des Vertrages dagegen im Interesse des Verbrauchers, was der EuGH nach den ihm vorliegenden Information im Ausgangsverfahren annimmt, so ist die Rechtsprechung zum Ersatz der Klausel mit dispositivem Recht nicht anwendbar und der Gesamtwegfall des Vertrages ist daher zulässig und geboten.
EuGH 14.3.2019, C-118/17 (Dunai/Erste Bank Hungary)