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Urteil: Unzulässige No-Show-Klauseln bei Brussels Airlines

Das Handelsgericht (HG) Wien erklärte mehrere Klauseln der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der belgischen Brussels Airlines für unzulässig.

 Eine der beanstandeten Klauseln legt fest, dass Brussels Airlines den Rückflug stornieren kann, falls ein Kunde den Hinflug nicht in Anspruch nimmt und der Airline nicht rechtzeitig Bescheid gibt. Eine andere Bestimmung ermöglicht es der Fluglinie, eine Aufzahlung zu verlangen, sofern ein Kunde die Flugreise nicht in der vorgesehenen Reihenfolge antritt. Ebenfalls angefochten wurde eine Klausel mit der Regelung, dass Kunden für die Herausgabe ihres Gepäcks 150,- Euro bezahlen müssen, wenn sie ihren Flug an einem Zwischenlandeort abbrechen.

Im Detail erklärte das HG folgende Klauseln für unzulässig:

1. (...) Zurückerstattet gegen eine Gebühr von 65 EUR / 75 CHF pro einzelne Strecke.

Da nach der Klausel eine Rückerstattung nur gegen Gebühr erfolgen kann, ohne darauf abzustellen, aus welchem Grund es zur Stornierung kam, ist diese Klausel unzulässig. Sie erfasst bei kundenfeindlichster Auslegung auch Fälle auf denen die Stornierung auf Gründen beruht, die in der Sphäre der Airline liegen. Sie ist daher überraschend nach § 864a ABGB und gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB.

2. Brussels Airlines leistet keine Erstattung für stornierte (...) Strecken (...). Im Falle dass, Steuern erstattet werden können erheben wir eine Gebühr von EUR 35.

Da auch diese Klausel nicht differenziert, aus welchem Grund eine Stornierung erfolgt und ob dieser Grund eventuell in der Sphäre der Airline liegt, ist diese Klausel ebenso unzulässig weil überraschend nach § 864a ABGB. Zudem ist sie gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB, da sie zum Nachteil des Verbrauchers vom dispositiven Recht nach § 1168 Abs 1 ABGB abweicht. Nach dieser Norm kann der leistungsbereite Unternehmer, wenn der Grund für die Hinderung an der Leistungserbringung nicht in seiner Sphäre liegt, zwar das vereinbarte Entgelt fordern, er muss sich aber das anrechnen lasse, was er sich erspart hat.

3. Keine Erstattung von Servicegebühren, Kreditkartengebühren und Versicherungen. Internationale Zuschläge für nicht erstattbare Tarifen [sic!] (...) sind nicht erstattbar.

Diese Klausel ist unzulässig, da gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB, weil sie bei gebotener kundenfeindlichster Auslegung auch Fälle erfasst, in denen eine Buchung beispielsweise aufgrund eines Systemfehlers doppelt erfolgte. Auch in diesem Fall könnte der Verbraucher nach der Klausel keine Erstattung bekommen. Sie ist weiters intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG, weil nicht klar ist, was unter dem Begriff "Servicegebühren" zu verstehen ist. Da der Unternehmer entsprechend beliebige Kostenbestandteile als Servicegebühren benennen könnte, ist sie darüber hinaus auch in diesem Punkt gröblich benachteiligend.

4. Sollte die Stornogebühr höher als der Basistarif sein, können nur die internationalen Zuschläge und die Flughafengebühren erstattet werden. Sollte die Stornogebühr niedriger als der Basistarif sein, kann die Differenz zwischen dem Basistarif und der Gebühr, plus die internationalen Zuschläge und Flughafengebühren erstattet werden.

Auch diese Klausel ist, da sie wie die 2. Klausel ohne sachliche Rechtfertigung zum Nachteil des Verbrauchers von § 1168 Abs 1 ABGB abweicht gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB. Daneben ist die Klausel intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG, da die verwendeten Begriffe (insbesondere "internationale Zuschläge") nicht erklärt werden.

5. Bitte beachten Sie, dass wir Ihren Rückflug bzw. Ihre Anschlussflüge stornieren, wenn Sie nicht zum gebuchten Flug erscheinen, ohne uns vorher entsprechend zu informieren. Wenn Sie uns jedoch vorgängig oder innerhalb von 24 Stunden nach flugplanmässiger Abflugszeit des Fluges, für welchen Sie nicht erschienen sind, entsprechend informieren, werden wir Ihre verbleibenden Buchungen nicht stornieren.


Da das dispositive Recht keine Verpflichtung zur Leistungsannahme beim Gläubigerverzug kennt, ist die Klausel gröblich benachteiligen für den Verbraucher nach § 879 Abs 3 ABGB. Zusätzliche Verpflichtungen des Verbrauchers wären in diesem Fall nur zulässig, wenn die Buchung bereits zu dem Zweck erfolgte, die Tarifstruktur eines Luftfahrtunternehmens auszunutzen. Da die Klausel darauf keinen Bezug nimmt, ist sie auch überraschend nach § 864a ABGB.

6.
(...) Sofern Sie sich für einen Tarif entschieden haben, der die Einhaltung einer festen Flugscheinreihenfolge vorsieht, beachten Sie bitte: wird die Beförderung nicht auf allen oder nicht in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge der einzelnen Teilstrecken bei ansonsten unveränderten Reisedaten angetreten, werden wir den Flugpreis entsprechend Ihrer geänderten Streckenführung nachkalkulieren. Dabei wird der Flugpreis ermittelt, den Sie in Ihrer Preisgruppe am Tag, an dem der ursprüngliche Flugschein ausgestellt wurde, für Ihre tatsächliche Streckenführung zu entrichten gehabt hätten. Dieser kann höher oder niedriger sein als der ursprünglich bezahlte Flugpreis. War die von Ihnen ursprünglich gebuchte Preisgruppe für die geänderte Streckenführung am Tag der Buchung nicht verfügbar, wird für die Nachkalkulation die günstigste verfügbar gewesene Preisgruppe für Ihre geänderte Streckenführung zugrunde gelegt. Sofern am Tag der Buchung für Ihre geänderte Streckenführung ein höherer Flugpreis zu entrichten gewesen wäre, werden wir unter Anrechnung des bereits gezahlten Flugpreises die Differenz nacherheben. Bitte beachten Sie, dass wir die Beförderung davon abhängig machen können, dass Sie den Differenzbetrag gezahlt haben.

Auch in dieser Klausel liegt die Problematik darin, dass sie wie die 5. Klausel jeglicher Differenzierung entbehrt. In ihrer allgemeinen Formulierung unterscheidet sie nicht zwischen jenen Fluggästen, die schon bei der Buchung gezielt die Tarifstruktur des Unternehmens ausnutzen und daher von vornherein nicht alle Flüge antreten wollen und jenen, die etwa aufgrund einer plötzlichen schweren Erkrankung einen Flug nicht antreten können. Durch die sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung der Verbraucher in Fällen wie einer plötzlichen Erkrankung ist die Klausel gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB.

7. Wenn Sie sich entgegen der Bestimmungen in Artikel 3.3.2. und ohne dass ein Fehler unsererseits oder höhere Gewalt vorliegt, entscheiden, Ihre Reise am vereinbarten Zwischenlandeort abzubrechen und den Anschlussflug zu Ihrem Zielort, der im Flugschein angegeben ist, nicht in Anspruch nehmen, gilt dies als Vertragsbruch. In diesem Fall dürfen Sie Ihr aufgegebenes Gepäck erst nach Zahlung einer Vertragsstrafe von 150 EUR am vereinbarten Zwischenlandeort entgegennehmen.

Bei dieser Klausel fehlt ebenso eine Differenzierung nach den Umständen, die dazu führen, dass der Anschlussflug nicht planmäßig angetreten werden kann. Im Fall eines etwa plötzlich schwer erkrankten Verbrauchers ist die Ausfolgung des Gepäcks am Zwischenlandeort nur gegen eine nicht unbeträchtliche Vertragsstrafe nicht sachlich gerechtfertigt. Die Klausel ist daher gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB. Da ein beispielsweise plötzlich erkrankter Passagier auch nicht mit ihr zu rechnen braucht, ist die Klausel weiters nach § 864a ABGB unzulässig. Durch den Verweis auf Artikel 3.3.2 der Bestimmungen, in dem die ebenso unzulässige, oben angeführte 6. Klausel enthalten ist, ist die Klausel schließlich auch intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG.

Für zulässig erklärte das HG dagegen folgende Klausel:


(...) Stornierung nach Abflug: Erstattung der Differenz zwischendem gezahlten und dem jeweiligen One-Way-Tarif. Wenn Sie ein  Upgrade (...) vorgenommen haben, kann der ursprünglich nicht erstattungsfähige Betrag auch weiterhin nicht erstattet werden (...).

Da selbst bei kundenfeindlichster Auslegung dieser Klausel nicht entnommen werden kann, dass sie eine Erstattungsmöglichkeit zugunsten der Airline und nicht des Kunden vorsieht, ist die Verwendung dieser Klausel zulässig.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Stand 9.4.2019)

HG Wien 29.3.2019, 39 Cg 55/17g
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Klagsverteter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien


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