Der OGH bestätigte die Entscheidungen erster und zweiter Instanz, nach denen die vom VKI aufgegriffenen Klauseln über die Rechtswahlklausel zugunsten des irischen Rechts und über die Flughafen Check-in-Gebühr unzulässig seien. Hinsichtlich der Klausel zur Gerichtsstandvereinbarung zugunsten irischer Gerichte setzte der Gerichtshof dagegen das Verfahren aus und rief den EuGH zur Vorabentscheidung an:
Flughafen Check-in-Gebühr
"Alle Passagiere müssen auf https://www.ryanair.com / online einchecken und die Bordkarte ausdrücken und mitführen, außerhalb die Flexi Plus Tickets, die den kostenlosen Flughafen-Check In auch enthalten, bis Sie einen Mobil Bordkarte benutzen (Sie mussen die Kriteriumen einhalten, fur die Benutzung der Mobil Bordkarten, klicken Sie hier für die Bedingungen).(sic!) Der Online Check-in öffnet 60 Tage vor jedem gebuchten Abflug und es schliesst 2 Stunden vor jedem gebuchten Abflug, wenn Sie Sitzplätze reservieren und bezahlen. Aber wenn Sie keine Sitzplätze bezahlen möchten, können Sie den Online Check-in kostenlos zwischen 2 Tagen und 2 Stunden vor jedem Flug machen. Jede Bordkarte muss auf einer eigenen A4-Seite ausgedruckt werde oder erreichbar sein auf der Ryanair App auf dem Handy. Passagieren, die es nicht schaffen innerhalb der vorgegebenen Fristen einzuchecken (außerhalb Flexi Plus Kunden), wird die Gebühr für den Flughafen Check-in zu dem in unserer Gebührentabelle angeführten Preis verrechnet
Gebühr für den Flughafen Check-In
Nach der Buchung/ Flughafen EUR 55
Es ist kostenlos für Business Plus Ticket."
Der OGH bestätigte das Urteil des Berufungsgerichts, dass die Klausel (auf die nach Art 5 Abs 1 Rom-I-VO österreichisches Recht anzuwenden ist) unzulässig sei, da die Klausel aufgrund der Höhe der Gebühr ungewöhnlich sei und der Verbraucher daher vernünftigerweise nicht mit ihr zu rechnen brauche. Die Klausel sei daher überraschend und nachteilig und verstoße gegen § 864a ABGB.
Der OGH stellte dabei klar, dass die Luftfahrtunternehmen zwar in ihrer Preisfestsetzung nach der VO (EG) 10082008 frei sein, dies aber nach der Rechtsprechung des EuGH nicht bedeute, dass die allgemeinen Vorschriften zur Klauselkontrolle nicht eingehalten werden müssten. Die Klausel zum Flughafen-Check-in sei deshalb überraschend und nachteilig, da der Kunde zwar womöglich bei der Buchung erkennen könne, dass bei gewissen Tarifen der Check-in am Flughafen nicht kostenlos sei, mit einem Entgelt von 55 EUR aber nicht gerechnet werden müsse. Dies gelte insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass andere Fluglinien ein viel niedrigeres Entgelt von bloß 5 EUR für diese Leistung verlangen würden. Zu beanstanden sei dabei nicht, wie der OGH betont, dass grundsätzlich ein gesondertes Entgelt verlangt werde oder die Höhe dieses Entgelts als solches, sondern der Umstand, dass das Zusatzentgelt nur in den AGB bzw. unter dem Punkt "Nützliche Info" auf der Webseite "versteckt" sei und der Kunde während des gesamten Buchungsvorgangs nicht auf die Höhe des Entgelts hingewiesen würde. Zudem kritisierte der OGH in diesem Zusammenhang, dass der Online Check-in, der die kostenlose Alternative darstellt, nur in einem sehr begrenzten Zeitfenster nutzbar sei, was ebenso wenig beim Buchungsvorgang ersichtlich sei. Es sei außerdem denkbar, dass den Kunden die technischen Voraussetzungen für einen fristgerechten Online-Check-in fehlen würden oder dass dieser aus Gründen scheitern könne, die in der Sphäre der Beklagten liegen. Aus diesem Grund sei der kostenpflichtige Check-in am Flughafen nach dem OGH auch klar nachteilig für den Kunden.
Rechtswahlklausel
"Sofern das Übereinkommen oder einschlägige Gesetze nichts anderes vorsehen, unterliegen Ihr Beförderungsvertrag mit uns, diese Beförderungsbestimmungen und unsere Regelungen dem Irischen Recht."
Das Erstgericht hatte diese Klausel bereits untersagt, weil sie den Vorschriften über die Rechtswahl in Art 5 Abs 2 Rom-I-VO widerspreche. Die Berufung der Beklagten bestritt dies nicht, sondern argumentierte nur mit einer fehlenden Wiederholungsgefahr. Das Berufungsgericht verneinte dies. Auch in der Revision bestritt die Beklagte, dass seit Änderung der Klausel noch eine Wiederholungsgefahr bestehe. Der OGH verwies hier nur auf die ständige Rechtsprechung, nach der nur die vollständige Unterwerfung inklusive Veröffentlichungsermächtigung die Wiederholungsgefahr beseitige und wies die Revision entsprechend ab.
Gerichtsstandsvereinbarung
"Sofern das Übereinkommen oder einschlägige Gesetze nichts anderes vorsehen, unterliegen [...] sämtliche Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag der Zuständigkeit irischer Gerichte."
Der OGH setzte hinsichtlich dieser Klausel das Verfahren aus und rief den EuGH zur Vorabentscheidung an. Es geht dabei um die Frage, ob Art 25 EuGVVO (EU) 1215/2012 eine abschließende Regelung der Zulässigkeit, Form und Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung darstellt oder ob auch Gerichtsstandsvereinbarungen Missbrauchsbeschränkungen unterliegen. Der OGH erläuterte dazu, dass Art 25 EuGVVO in seinem Anwendungsbereich zwar dem nationalen Recht grundsätzlich vorgehe, Art 67 EuGVVO allerdings den Vorrang von spezialgesetzlichen Regelung erkläre. Es stelle sich daher die Frage, ob die nationalen Umsetzungsvorschriften der Klausel-RL 93/13/EWG solche spezialgesetzlichen Regelungen seien. In der gegenständlichen Konstellation sei eine Missbrauchskontrolle anhand der Klausel-RL nämlich von besonderer Bedeutung, weil die gemäß Art 17 Abs 3 EuGVVO sonst im Sinne des Verbraucherschutzes erlassenen Beschränkungen für Gerichtsstandsvereinbarungen in Verbrauchersachen nach Art 19 EuGVVO aufgrund des Vorliegens eines Beförderungsvertrags nicht anwendbar seien und der Verbraucher hier daher entsprechend schutzwürdig sei. Sollte eine Missbrauchskontrolle nach den Umsetzungsbestimmungen zur Klausel-RL zulässig sein, stelle sich zudem die Frage, nach welchem nationalen Umsetzungsrecht sich die Missbrauchskontrolle richten würde.
Konkret wurden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Sind die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr 1215/2012, insbesondere Art 25, Art 17 Abs 3, Art 19, allenfalls auch im Hinblick auf Art 67, dahin auszulegen, dass sie einer Missbrauchskontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen nach der Richtlinie 93/13/EWG bzw nach den entsprechenden nationalen Umsetzungsvorschriften entgegenstehen?
2. Ist Art 25 Abs 1 erster Satz, letzter Halbsatz der Verordnung (EU) Nr 1215/2012 ("es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig") dahin auszulegen, dass dadurch eine - auch über den harmonisierten Rechtsbereich hinausgehende - Inhaltskontrolle nach dem nationalen Recht des prorogierten Mitgliedstaats eröffnet wird?
3. Falls die Fragen 1 und 2 verneint werden:
Bestimmen sich die für eine Missbrauchskontrolle nach Maßgabe der Richtlinie 93/13/EWG anzuwendenden nationalen Umsetzungsvorschriften nach dem Recht des prorogierten Mitgliedstaats oder nach der lex causae des angerufenen Mitgliedstaats?
Das Urteil ist rechtskräftig.
OGH 27.02.2020, 8 Ob 107/19x
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Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien
Anmerkung:
Verstößt eine Vertragsbestimmung gegen die Vorschrift des § 864a ABGB, gilt der Vertrag ohne sie (so der OGH in ständiger Rechtsprechung; siehe dazu RIS-Justiz RS0014659). KundInnen, bei denen während des gesamten Buchungsvorgangs diese Flughafen-Check-in-Gebühr nicht aufschien und bei denen der Buchungsvorgang so gestaltet war, wie im OGH-Urteil beschrieben, haben daher einen Rückforderungsanspruch. Der VKI stellt einen Musterbrief zur Verfügung.