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Info: "Zinsenstreit"

Der Streit um die Zinsenverrechnung österreichischer Banken bei Verbraucherkrediten ist auf dem Höhepunkt. Entscheidungen des OGH zur kurzen Verjährung von Rückforderungsansprüchen (siehe VR Info 9/2003) der Kreditnehmer machen Druck; Geschädigte müssen nun rasch klagen. Der VKI konnte - gemeinsam mit Konsumentenstaatssekretariat und Arbeiterkammer - einen tauglichen Kompromiss mit dem Sparkassensektor erzielen. Gegen andere Banken werden - bleiben diese stur - weitere Verbands- und Sammelklagen vorbereitet.

Der Streit zwischen Konsumentenschützern und Banken um die Verrechnung variabler Zinsen bei (Verbraucher-)Krediten ist auf dem Höhepunkt. Begleitet von spektakulären Medienberichten gab es eine Vielzahl von Entscheidungen von Untergerichten; nun liegt auch Judikatur des OGH vor. Beim "Zinsenstreit" muss man folgende Problemfelder auseinanderhalten:

Unbestimmte Zinsanpassungsklauseln vor 1.3.1997

Die Banken haben von 1.3.1997 bei variabel verzinsten Krediten nahezu alle relativ unbestimmte Zinsanpassungsklauseln verwendet. Deren Kern: Die Bank soll den Zinssatz erhöhen (ändern) können, wenn sich die Verhältnisse auf Geld- und Kapitalmarkt ändern. Die Banken haben diese Klauseln so interpretiert, dass sie bei Ansteigen der Referenzzinsen für Geld- und Kapitalmarkt (das sind VIBOR/EURIBOR bzw. Sekundärmarktrendite) die Vertragszinsen rasch erhöht haben, dagegen beim Sinken der Referenzzinsen - insbesondere zwischen 1992 und 1997 - die Vertragszinsen nicht oder nicht ausreichend und zögerlich gesenkt haben. Damit haben die Banken zulasten ihrer Kunden ihre Gewinnmargen erhöht. Dieses Vorgehen war offensichtlich im Rahmen des Lombard-Kartells abgesprochen und von allen Banken befolgt worden, weil sich eine solches Verhalten bei einem echten Wettbewerb nicht hätte durchhalten lassen.

Ein Beispiel: Ein Kredit in Höhe von 1 Mio. ATS 1990 aufgenommen und 1997 vorzeitig rückgezahlt hat zu einem "Zinsschaden" von rund 100.000 ATS geführt. Wobei sich dieser "Zinsschaden" aus einer Vergleichsrechnung anhand der neuen Zinsgleitklausel der Bank (basierend auf dem ungewichteten Mittel von SMR und VIBOR/EURIBOR) ergibt. Ob man den Schaden so berechnen kann, gehört zu den noch nicht abschließend geklärten Rechtsfragen.

Aufrundungstricks bei Zinsgleitklauseln ab 1.3.1997

Der Gesetzgeber hat mit der Novelle zum Konsumentenschutzgesetz (KSchG) per 1.3.1997 die Banken zu mehr Transparenz gezwungen. Die Folge war, dass die Banken - für Verbrauchergeschäfte - neue, präzise Zinsgleitklauseln eingeführt haben. Diese Klauseln orientieren sich am ungewichteten Mittel von SMR und VIBOR/EURIBOR und lassen der Bank keinen Ermessensspielraum: Steigt der Parameter, dann steigen die Zinsen; fällt der Parameter, dann fallen die Zinsen.

Viele Banken haben dennoch mit einem Trick ein "Körberlgeld" sichergestellt: Bei jeder Zinsänderung sollte der neu festzusetzende Zinssatz - statt kaufmännisch - immer auf den nächsten Achtel-, zuweilen auch Viertelprozentpunkt aufgerundet werden. Bei vielen Klauseln ergab sich daraus eine "Aufrundungsspirale": Wenn man jeweils vom gerundeten Wert wieder weiterrechnet und neuerlich aufrundet, steigt der Zinssatz automatisch zugunsten der Bank an. Im Laufe von 10 Jahren kann das zu einem Zinsschaden von rund 10 Prozent der Kreditsumme führen.

Aber auch dann, wenn der Zinssatz anhand eines Indikators jeweils neu festgesetzt wird (LIBOR plus Aufschlag plus Rundung) - das ist vor allem bei Fremdwährungskrediten der Fall - führt die durchgängige Aufrundung zu einem statistischen Schaden beim Kreditnehmer in Höhe von 0,0625 Prozent. In Zahlen: Bei einer Kreditsumme von 200.000 Euro beträgt der statistische Schaden 125 Euro pro Jahr.

Der "Zinsenstreit" vor Gericht

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) kämpft schon seit Anfang der Neunzigerjahre gegen diese "Zinsen-Tricks" der Banken an. Zunächst wurde eine alte (unbestimmte) Zinsanpassungsklausel einer Leasing-Tochter einer Bank mit Verbandsklage bekämpft und das Verfahren gewonnen ( OLG Wien 30.8.1995, 6 R 571/94, KRES 1d/31).

Nachdem der Gesetzgeber - auf Betreiben des VKI - in der Novelle zum Konsumentenschutzgesetz die Anforderungen an die Transparenz von Klauseln deutlich erhöht hat (§ 6 Abs 3 KSchG, § 6 Abs 1 Z 5 KSchG) und die Banken präzise Zinsgleitklauseln eingeführt haben, wurde es möglich, anhand dieser Klauseln die alten Kredite "nachzurechnen". Dies erscheint wirtschaftlich gerechtfertigt, da sich die Neukreditkonditionen der Banken auch schon vor 1997 deutlich an der Entwicklung von SMR und VIBOR orientiert haben.

Der VKI führte Musterprozesse und die Banken vermieden Urteile durch Submission. Als das Thema aber über Help TV und andere Medien breit bekannt wurde und die Forderungen an die Banken zunahmen, schalteten einige Sektoren der Kreditwirtschaft auf stur. Vor allem die BAWAG, aber auch verschiedene Institute des Raiffeisen- und Volksbankensektors verweigerten außergerichtliche Lösungen und ließen sich klagen.

So organisierte der VKI (zusammen mit den Arbeiterkammern von Vorarlberg, Tirol und Kärnten) 2001 eine Sammelklage gegen die BAWAG. 180 Kreditnehmer haben ihre vermeintlichen Ansprüche in Höhe von rund 9 Mio. ATS dem VKI abgetreten und der VKI hat diese Ansprüche in zwei Klagen - in Form einer Klagshäufung - vor Gericht gebracht. Das Prozesskostenrisiko wurde durch Einschaltung eines Prozesskostenfinanzierers - dieser übernimmt für eine Erfolgsquote von 30 Prozent das gesamte Prozesskostenrisiko - abgesichert.

Daneben gab und gibt es eine Vielzahl von Gerichtsverfahren, die von Arbeiterkammern und auch von Kreditnehmern (mit Rechtsschutzversicherung) geführt werden. Demgemäss gibt es auch bereits eine Vielzahl von Entscheidungen der Untergerichte - pro und kontra der jeweiligen Positionen.

Gegen die "Aufrundungsspirale" bei den neuen Zinsgleitklauseln ging der VKI - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - mit Verbandsklagen vor. Anfang 2003 konnten alle drei Verfahren beim OGH gewonnen werden (KRES 1d/51, 52, 53). Die Banken dürfen diese Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern nicht mehr verwenden, dürfen sich aber auf die Klauseln - soweit in der Vergangenheit vereinbart - auch nicht berufen. Bei laufenden Annuitätenkrediten bedeutet dies aber, dass Saldo und Zinssatz korrigiert werden müssen. Die Kreditnehmer bekommen also Refundierungen ohne selbst aktiv werden zu müssen. Mit weiteren Abmahnungen hat der VKI diese Automatik gegenüber einer Vielzahl von Instituten durchsetzen können (Stand siehe www.konsument.at).

Bleiben noch jene Kredite, mit Aufrundungstricks, wo es zu keiner "Aufrundungsspirale" kommt. Es mag zweifelhaft sein, ob die Argumente in den genannten OGH Urteilen direkt anwendbar sind. Um Zweifel auszuräumen hat der VKI diese Klauseln nun im Herbst 2003 breit abgemahnt. Gibt es keine Unterlassungserklärungen, dann kommt es zu weiteren Verbandsklagen.

Schließlich hat der OGH im Sommer 2003 eine typische Zinsanpassungsklausel aus der Zeit vor 1.3.1997 für gesetzwidrig und unwirksam erklärt; mit der Konsequenz, dass nicht etwa ein Fixzinssatz anzunehmen wäre, sondern dass das Gericht zusammen mit einem Sachverständigen zu klären habe, welche objektiven Parameter es für Geld- und Kapitalmarkt gab und zu welchem Ergebnis deren Entwicklung bei streng zweiseitiger Anwendung auf den Vertragszinssatz führt.

Der OGH hat allerdings auch - nunmehr in ständiger Judikatur ( siehe VR Info 9/2003) - in Analogie zum Mietrecht die Verjährungsfrist für bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche von Kreditnehmern mit drei Jahren angenommen. Da der OGH die rechtlichen Rahmenbedingungen eines kontokorrent verrechneten Annuitätenkredits nicht berücksichtigt hat, bleibt offen, wann die Verjährungsfrist beginnt: Mit Zahlung jener Rate, die überhöhte Zinsen enthält, oder mit Überzahlung, also wenn der Kreditnehmer erstmals eine Rate bezahlt, die er - bei richtiger Abrechnung - nicht hätte bezahlen müssen. Dazu kommt, dass der OGH die Ansprüche aus dem Titel des Schadenersatzes - wiewohl im Verfahren vorgebracht - nicht geprüft hat. Hätte er sich damit auseinandergesetzt, wären die Ansprüche nicht verjährt gewesen. Diese Entscheidungen des OGH werden daher in der Lehre - zu Recht - heftig kritisiert ( siehe ecolex 9/2003).

Ein Dilemma für Banken und Kunden

Die Entscheidungen des OGH zur Verjährung führen zu einem Dilemma für Banken und Kunden.

Die Banken haben es nun schwarz auf weiß, dass die Klauseln in den Verträgen vor 1997 gesetzwidrig waren, können aber hoffen, den größten Teil des "Unrechtsgewinnes" behalten zu dürfen. Wenn sich nun aber eine Bank gegenüber ihren Kunden - die Banken sprechen von einer besonderen Vertrauensbeziehung - auf die Verjährung beruft, dann dürfte diese Kundenbeziehung deutlich Schaden nehmen. Insbesondere dann, wenn sich Teile der Kreditwirtschaft zu einer deutlich kundenfreundlicheren Haltung entschließen konnten (siehe unten).

Die Kunden, die ihre Kredite haben nachrechnen lassen und Überzahlungen belegt haben, aber - aus Gründen des Prozesskostenrisikos - Musterprozesse abwarten wollten, werden durch die Judikatur des OGH gezwungen, sofort zu klagen. Dabei sind uE die Chancen für all jene intakt, die:

  • ihren Kredit derzeit noch zurückbezahlen
  • bei Zahlungen auf ihren Kredit erst in den letzten drei Jahren in die Phase der "Überzahlungen" gekommen sind
  • erst vor weniger als drei Jahren - durch eine Nachrechnung - feststellen konnten, dass ein Schaden eingetreten war

Einigung mit dem Sparkassensektor

Am 26.9.2003 konnten Konsumentenstaatssekretärin Haubner, Arbeiterkammer und VKI eine Grundsatzeinigung im "Zinsenstreit" mit dem Sparkassenverband (Erste, Bank Austria CA, ländliche Sparkassen) bekanntgeben:

a) Unbestimmte Zinsanpassungsklauseln in Verbraucherkreditverträgen vor 1997

Die Institute zahlen bei Krediten, die nicht vor 1992 vollständig zurückbezahlt wurden, 70 Prozent der Differenz zwischen faktischer Zinsabrechnung und Kontrollrechnung anhand der neuen Zinsgleitklausel des Institutes - über Aufforderung - an die Verbraucher zurück.

b) Aufrundungsklausel bei indikatorgebundenen Zinsgleitklauseln

Die Institute zahlen bei - nach dem 1.3.1997 abgeschlossenen - Annuitätenkrediten 100 Prozent, bei endfälligen Krediten 50 Prozent, des pauschalierten Schadens in Höhe von 0,05 Prozent der Kreditsumme pro Jahr zurück. Bei noch nicht zurückbezahlten Krediten erfolgt die Refundierung automatisch bis spätestens 31.3.2004. Bei bereits zurückbezahlten Krediten muss der Kreditnehmer aktiv werden.

c) Keine Klagen durch Konsumentenschützer / alle Möglichkeiten für Kreditnehmer

Jene Institute, die bis 31.10.2003 dieser Vereinbarung beitreten, und diese auch tatsächlich in die Praxis umsetzen, werden von den Konsumentenschützern nicht gerichtlich verfolgt.

Die einzelnen Kreditnehmer können aber für sich entscheiden, ob sie diese Lösung annehmen wollen, oder - auf eigenes Risiko - vermeintliche 100% gerichtlich durchsetzen wollen.

Sammelklagen gegen Banken, die stur bleiben

Die Konsumentenschützer haben die anderen Sektoren der Kreditwirtschaft (Banken wie BAWAG, Raiffeisensektor und Volksbanken) aufgerufen, der oben dargestellten Vereinbarung beizutreten.

Zeigen sich Banken jedoch stur, dann wird der VKI - im Auftrag des Konsumentenstaatssekretariats - und in Zusammenarbeit mit den Arbeiterkammern kurzfristig weitere Sammelklagen organisieren. Dabei wird das Prozesskostenrisiko von einem Prozessfinanzierer getragen; dieser erhält als Gegenleistung eine Erfolgsquote von 30 Prozent.

Das bedeutet auch, dass Konsumenten, die über die Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung verfügen, besser daran tun, selbst zu klagen. Der VKI wird Rechtsanwälte, die für Kreditnehmer einschreiten, dabei unterstützen ( siehe VKI-Handbuch für Rechtsanwälte: Argumente im "Zinsenstreit").

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