Der VKI hatte - im Auftrag des BMSG - eine Klage auf Rückzahlung des gesamten Reisepreises eingebracht, nachdem ein Verbraucher eine Pauschalreise nach Burma, China und Thailand von 18.3. - 10.4.2003 wegen der SARS-Gefahr nicht angetreten hatte. Der Reiseveranstalter hatte nach dem Reiserücktritt eine Stornogebühr entsprechend der Allgemeinen Reisebedingungen verrechnet.
Das BGHS Wien beurteilte - wie zuletzt in VR-Info 4/2004 berichtet - die Situation vor der Reise als unzumutbare Gefahrenlage und sah einen kostenlosen Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage als berechtigt an. Der beklagte Reiseveranstalter legte gegen dieses Urteil Berufung ein.
Das HG Wien bestätigt nunmehr die Entscheidung des Erstgerichtes und führt aus, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine Gefahr für Leib und Leben immer dann zur kostenlosen Auflösung des Vertrages berechtigt, wenn sie eine solche Intensität erreicht, dass ein Reiseantritt unzumutbar ist. Dabei ist ein durchschnittlicher Maßstab anzulegen (vgl. OGH 27.5.1999, 8 Ob 99/99p = KRES 7/117 ). So hat der OGH etwa eine nach Vertragsabschluss auftretende akute Kriegsgefahr oder bürgerkriegsähnliche Zustände als unzumutbare Umstände anerkannt (Bombenanschläge und Terrordrohungen der PKK in der Türkei: OGH 27.11.2001, 1 Ob 257/01 = KRES 7/121 ). Auch die Situation in den USA nach dem 11.9.2001 wurde vom OGH im Übrigen als unzumutbar eingeschätzt (OGH 26.08.2004, 6 Ob 145/04y und VR-Info 10/2004 ).
Das HG Wien hält fest, dass die Beurteilung nicht davon abhängt, ob eine Reisewarnung des Außenministeriums vorliegt. Eine Warnung der WHO im Zusammenhang mit Medienberichten, die jedenfalls den Schluss auf eine unzumutbare Gefahr für jedermann hervorrufen mussten, rechtfertigt für das HG Wien vielmehr bereits die Annahme einer unzumutbaren potentiellen Gefahr. Die von einem Durchschnittsmenschen empfundene Gefahr vor dem konkreten Reisebeginn ist nach Ansicht des HG Wien sogar noch höher einzustufen als die potentielle Gefährdung durch die Anschläge der PKK in der Türkei im Juli 1999. Da es bei der Beurteilung der Gefahr ausschließlich auf eine "ex-ante" Betrachtung ankommt, ist es rechtlich völlig irrelevant, ob andere Personen die Reise angetreten haben und unversehrt zurückgekehrt sind.
Die ordentliche Revision wurde vom HG Wien nicht zugelassen.
Demgegenüber hat das BGHS Wien in einem anderen - vom BMSG beauftragten - Musterverfahren des VKI ausgesprochen, dass ein kostenloser Rücktritt wegen der SARS-Angst nicht möglich wäre. Gegenstand dieses Verfahrens ist eine China-Yangtse-Kreuzfahrt mit Hongkong Besuch vom 9.4. bis 20.4.2003. Das BGHS gesteht in diesem Urteil zwar zu, dass bei einer Durchschnittsbetrachtung ein großes Unbehagen vor dem Reiseantritt verständlich ist, meint aber gleichzeitig, dass es auf Grund der Informationen vor der Reise doch nicht unzumutbar gewesen wäre, die Reise anzutreten.
Der VKI wird gegen dieses Urteil berufen.
HG Wien 7.9.2004, 1 R 136/04b
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Klagevertreter: Dr. Gerhard Deinhofer; RA in Wien