Zum Inhalt
Justiz Waage
Bild: Visualityswiss / Pixabay

VfGH: Coronabedingtes zinsenloses Kreditmoratorium verfassungskonform

Der VfGH hat den Antrag der 403 Banken auf Aufhebung des § 2 Abs 6 zweiter Satz des 2. COVID-19-JuBG abgewiesen. Die angefochtene Regelung in der ihr vom OGH beigemessenen Auslegung verstößt weder gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums noch gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Die antragstellenden Parteien wenden sich ausdrücklich nicht gegen das durch § 2 Abs. 1 und 6 2. COVID-19-JuBG bewirkte Kreditmoratorium an sich, sondern ausschließlich dagegen, dass sie – mangels einer anderslautenden Vereinbarung mit dem Kreditnehmer gemäß § 2 Abs. 5 2. COVID-19-JuBG – ihr Kapital während des Kreditmoratoriums unentgeltlich zur Verfügung stellen müssen. Nach Auffassung des VfGH verstößt die angefochtene Regelung in der ihr vom OGH beigemessenen Auslegung nicht gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK.

Die angefochtene Regelung greift insofern in die Privatautonomie der Vertragsparteien ein, als die Fälligkeit der Leistungen aus dem Kreditvertrag – mangels einer anderslautenden Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 5 2. COVID-19-JuBG – für die Dauer von zehn Monaten gesetzlich hinausgeschoben wird. Die angefochtene Regelung bildet bereits auf Grund dieser Verschiebung der Fälligkeit von Zahlungsverpflichtungen in laufenden Verträgen einen Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art. 5 StGG bzw. Art. 1 1. ZPEMRK.

Die angefochtene Bestimmung in ihrer Auslegung durch den OGH stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentumes dar.

Vorweg ist festzuhalten, dass das – von den antragstellenden Parteien ausdrücklich nicht angegriffene – Kreditmoratorium und die dadurch bewirkte Verlängerung der Kreditverträge für sich genommen grundsätzlich einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie der Kreditinstitute und damit auch in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums darstellen.

Der VfGH hegt keinen Zweifel daran, dass die angefochtene Bestimmung dem öffentlichen Interesse des Schutzes der von der Pandemie betroffenen Verbraucher:innen und Kleinstunternehmen dient. Die angefochtene Bestimmung soll diese Gruppen vor negativen Konsequenzen bewahren, die dadurch entstehen können, dass auf Grund der COVID-19-Pandemie und der dadurch vielfach verursachten Einkommensverluste laufende Kreditraten (samt Zinsverbindlichkeiten) nicht beglichen werden können. Die angefochtene Bestimmung ist auch geeignet, dieses Ziel zu erreichen, weil den Kreditnehmer:innen dadurch Zeit verschafft wird, das für die Rückzahlung erforderliche Kapital bereitzustellen.

Nach Auffassung des VfGH bestehen im konkreten Fall solche Rechtfertigungsgründe von entsprechendem Gewicht:

Der Gesetzgeber wollte das Kreditmoratorium nur auf solche Sachverhalte angewendet wissen wollte, in denen sich die betroffenen Kreditnehmer:innen in einer derart unzumutbaren Lage befanden, dass sie voraussichtlich (ohnehin) die Kreditzahlungsverpflichtungen (zumindest vorübergehend) nicht erfüllen hätte können. Wenn nun der Gesetzgeber für eben diesen besonderen Sachverhalt ein (zinsloses) Kreditmoratorium statuiert, greift er zwar nachträglich in die vertraglichen Regelungen zwischen dem Kreditinstitut und den Kreditnehmer:innen ein; es kann aber nicht ohne weiteres von einem gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums der Kreditinstitute gesprochen werden.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass es auch ohne das gesetzlich festgelegte Kreditmoratorium fraglich gewesen wäre, ob die von § 2 Abs. 1 2. COVID-19-JuBG erfassten Kreditnehmer:innen überhaupt in der Lage gewesen wären, ihre Verpflichtungen aus den Kreditverträgen mit den antragstellenden Parteien zu erfüllen. Auch dies ist bei der Beurteilung der Erheblichkeit des Eingriffes in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums der antragstellenden Parteien (mit) zu berücksichtigen.

Ungeachtet dieser Gesichtspunkte, welche die Erheblichkeit des Eigentumseingriffes relativieren (können), erscheint es nach Auffassung des VfGH schon alleine aus einem anderen Grund als gerechtfertigt, dass die Kreditinstitute die Kosten für das zinslose Kreditmoratorium tragen. In einer Gesamtbetrachtung standen den Nachteilen aus dem zinslosen Kreditmoratorium nämlich bestimmte Maßnahmen gegenüber, die eine Abfederung der in Rede stehenden wirtschaftlichen Auswirkungen bewirkten: Vor allem die EZB hat zahlreiche wesentliche geldpolitische, aber auch (zum Teil gemeinsam mit der EBA) einige bankaufsichtsrechtliche Maßnahmen gesetzt, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für die Kreditinstitute und die Realwirtschaft abzufedern, wobei von letztem auch wiederum die Kreditinstitute (mittelbar) begünstigt wurden.

Der von den antragstellenden Parteien in ihrem Antrag behauptete Verstoß der angefochtenen Regelung gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZPEMRK liegt sohin nicht vor.

Die Ausführungen zur Übereinstimmung der angefochtenen Regelung mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gelten sinngemäß auch für die von den antragstellenden Parteien vorgetragenen gleichheitsrechtlichen Bedenken. Die angefochtene Bestimmung verstößt aus den dargestellten Gründen auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 7 B-VG.

Soweit die antragstellenden Parteien einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz darin erblicken, dass der Gesetzgeber Kreditgeber und Wohnungsvermieter unterschiedlich behandelt habe, ist dem zu entgegnen, dass es sich dabei um unterschiedliche Sachverhalte handelt, die nicht am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden können.

VfGH 13.12.2022, G-174/2022

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Verbandsverfahren geklagt. Es handelt sich um eine Klausel, wonach die Leistung im Falle der Arbeitsunfähigkeit erstmalig an dem Fälligkeitstermin der Kreditrate erbracht wird, welcher dem Ablauf einer Frist von 6 Wochen ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit folgt (=Karenzzeit). Die Klausel, auf die sich der Versicherer auch im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren vom OLG Wien als unzulässig beurteilt, nachdem zuvor schon das HG Wien dem VKI recht gegeben hat. Das Urteil ist rechtskräftig.

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Musterprozess geklagt. Eine Verbraucherin hatte für den Fall der Arbeitsunfähigkeit für einen Kreditvertrag eine Restschuldversicherung bei der CNP Santander Insurance Europe DAC abgeschlossen. Nachdem sie wegen Long Covid eine Zeit lang arbeitsunfähig war, zahlte der Versicherer nicht alle Kreditraten. Der Versicherer zahlte jedoch kurz nach der Klagseinbringung durch den VKI den gesamten Klagsbetrag. Die Klausel, auf die sich der Versicherer im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren rechtskräftig für unzulässig erklärt.

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat – im Auftrag des Sozialministeriums – eine Verbandsklage gegen die Lyconet Austria GmbH (Lyconet) geführt. Lyconet, ein im Netzwerk-Marketing tätiges Unternehmen, vertrieb unter anderem das „Cashback World Programm“. Dabei handelt es sich um eine Einkaufsgemeinschaft, die es Mitgliedern ermöglichen sollte, durch den Bezug von Waren und Dienstleistungen bei Partnerunternehmen Vorteile zu erhalten. Gegenstand der Klage waren 47 Vertragsklauseln, die Bestandteil von Lyconet-Vereinbarungen und sogenannten Lyconet Compensation-Plänen waren. Diese wurden vom VKI unter anderem aufgrund zahlreicher intransparenter Regelungen und damit einhergehender Unklarheiten kritisiert. Nachdem bereits die Unterinstanzen alle beanstandeten 47 Klauseln als gesetzwidrig beurteilt hatten, erkannte auch der Oberste Gerichtshof (OGH) sämtliche Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang