Das beklagte Unternehmen vertreibt Treppenlifte in verschiedenen Varianten. Auf seiner Internetseite informiert das Unternehmen, dass die Treppenliftanlage individuell geformt sind; ein Widerrufsrecht werde daher vom Gesetzgeber für individuell gefertigte Kurventreppenlifte ausgeschlossen.
Laut deutschem Bundesgerichtshof steht hier Verbrauchern ein Widerrufsrecht zu, weshalb der Unternehmer auch dementsprechend informieren muss:
Das Widerrufsrecht für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträgen und für Fernabsatzverträge besteht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind (§ 312g Abs 2 Nr 1 BGB).
Die Bestimmung des § 312g Abs 2 Nr 1 BGB setzt zunächst den Abschluss eines Vertrags zur Lieferung von Waren voraus. Zu den Verträgen zur Lieferung von Waren iSd § 312g Abs 2 Nr 1 BGB zählen Kaufverträge (§ 433 BGB) und Werklieferungsverträge (§ 650 BGB), aber weder Dienstverträge (§ 611 BGB) noch - jedenfalls im Regelfall - Werkverträge (§ 631 BGB). Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 312g Abs 2 Nr 1 BGB. Diese Bestimmung setzt Art 16 lit c der Verbraucherrechte-RL (RL 2011/83/EU) um. Nach dieser Vorschrift sehen die Mitgliedstaaten bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht vor, wenn Waren geliefert werden, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Art 16 lit c der RL erfasst Kaufverträge im Sinne der Richtlinie. Zum Kaufvertrag iSd RL s Art 2 Nr 5 der RL; zum vom Kaufvertrag abzugrenzenden Dienstleistungsvertrag s Art 2 Nr 6 der RL.
Zu Kaufverträgen iSd RL zählen nicht ausschließlich Kaufverträge im engeren Sinne (Kaufverträge iSv §§ 433, 474 BGB), sondern auch bestimmte Arten von Verträgen, die eine Dienstleistung umfassen, nämlich Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter (Werklieferungsverträge iSv § 650 BGB) und Verträge, die die Montage solcher Güter im Verbund mit einem Kaufabschluss vorsehen (vgl EuGH C-247/16, Schottelius, zur Verbrauchsgüter-RL 1999/44/EG).
Zu den Dienstleistungsverträgen iSd RL gehören dagegen Dienstverträge iSv § 611 BGB und Werkverträge iSv § 631 BGB, wenn deren Gegenstand - wie im Regelfall - ein durch eine Dienstleistung herbeizuführender Erfolg wie die Herstellung oder Veränderung einer Sache ist (§ 631 Abs 2 BGB).
Während die Widerrufsfrist von 14 Tagen bei Kaufverträgen iSd RL erst mit der Lieferung der Sache an den Käufer beginnt und der Verkäufer deshalb in Fällen speziell hergestellter, anderweitig nicht absetzbarer Ware auf den Ausschluss des Widerrufsrechts angewiesen ist, beginnt die Widerrufsfrist bei Dienstleistungsverträgen iSd RL mit dem Tag des Vertragsabschlusses, so dass der Unternehmer sich vor Verlusten, die ihm im Falle eines Widerrufs durch die Fertigung speziell hergestellter, nicht anderweitig absetzbarer Ware entstehen, dadurch schützen kann, dass er mit der Leistungserbringung erst nach Ablauf der Widerrufsfrist beginnt.
Abgrenzung Werkvertrag und Kauf- und Werklieferungsvertrag
Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits kommt es darauf an, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Dabei ist vor allem auf die Art des zu liefernden Gegenstands, das Wertverhältnis von Lieferung sowie Montage- und Bauleistung sowie die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses abzustellen. Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu liefernden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kauf- oder Werklieferungsvertrags geboten. Liegt der Schwerpunkt dagegen auf der Montage- und Bauleistung bei der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, etwa auf Einbau und Einpassung einer Sache in die Räumlichkeit, und dem damit verbundenen individuellen Erfolg, liegt ein Werkvertrag vor.
Diese Grundsätze zur Einordnung von Verträgen über die Lieferung von Waren stehen mit der Rspr des EuGH im Einklang:
Danach liegt bei Kaufverträgen, die auch eine Dienstleistung umfassen, wie Verträgen über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter und Verträgen, die die Montage solcher Güter im Verbund mit einem Kaufabschluss vorsehen, ein Kaufvertrag iSd Verbrauchsgüter-RL 1999/44/EG vor, wenn die Dienstleistung den Verkauf lediglich ergänzt, nicht jedoch, wenn die Dienstleistung als Hauptgegenstand des Vertrags anzusehen ist (EuGH C-247/16, Schottelius). Die Rspr des EuGH zur RL 1999/24/EG entspricht den Definitionen des Kaufvertrags und des Dienstleistungsvertrags in der Verbraucherrechte-RL (Art 2 Nr 5 u Nr 6 iVm ErwGr 26) und kann deshalb auf diese übertragen werden. (S ErwGr 26: Ein Vertrag, mit dem sich der Unternehmer verpflichtet, einen Wintergartenanbau zu errichten, ist als Dienstleistungsvertrag anzusehen, obwohl für die Herstellung des Wintergartens bewegliche Sachen zu liefern sind, aus denen der Wintergarten zusammengesetzt wird. In diesen Fällen stellt also die Dienstleistung keine bloße Ergänzung eines Kauf- oder Werklieferungsvertrags dar, sondern ist als Hauptgegenstand des Vertrags anzusehen.)
Es kommt bei der für die Abgrenzung zwischen Kaufvertrag und Dienstvertrag erforderlichen Prüfung, ob die Dienstleistung den Verkauf lediglich ergänzt oder als Hauptgegenstand des Vertrags anzusehen ist, nicht nur auf die Montageleistung, sondern auch auf Leistungen an, die in der Herstellung oder Erzeugung von für die Erbringung einer Werkleistung erforderlichen Waren besteht. Auch ein verhältnismäßig geringer Montageaufwand steht daher der Einordung als Werkvertrag nicht entgegen, wenn der Vertragsgegenstand eine Anpassung typisierter Einzelteile an die individuellen Wünsche des Bestellers erfordert (individuelle Erstellung der Laufschiene).
Zusammengefasst bedeutet dies für den gegenständlichen Fall:
Ein Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts mit individuell erstellter Laufschiene ist ein Werkvertrag. Es steht für Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau eines Treppenlifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Verwirklichung die Lieferung der Einzelteile einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstellt.
Beim Werkvertrag kommt der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs 2 Nr 1 BGB (anders als beim Werklieferungsvertrag) nicht zur Anwendung.
Der beklagte Unternehmer muss im Falle des außerhalb von Geschäftsräumen vorgenommenen Abschlusses von Verträgen über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts mit individuell erstellter Laufschiene den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 312g Abs 1 BGB informieren.